Weit über der smaragdgrünen See (eBook)
544 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60498-7 (ISBN)
Brandon Sanderson, geboren 1975 in Nebraska, ist internationaler Bestsellerautor und lebt in Utah. Nach seinem Debütroman »Elantris« widmete er sich ab 2007 der Vollendung von Robert Jordans epischer Fantasyreihe »Das Rad der Zeit«. Zudem begeistert er mit seiner Saga um »Die Nebelgeborenen« weltweit die Fans. Er steht regelmäßig ganz vorne auf der New-York-Times-Bestsellerliste und seine Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt. Im Jahr 2022 machte er Furore mit der größten Crowdfundingkampagne aller Zeiten, mit der er vier komplett neue Romane finanzierte. Die ersten beiden, »Weit über der smaragdgrünen See« und »Handbuch für den genügsamen Zauberer: Überleben im mittelalterlichen England« erscheinen im Piper Verlag.
Brandon Sanderson, geboren 1975, ist internationaler Bestsellerautor und lebt in Utah, USA. Er ist bekannt für charakterzentrierte Fantasy und Science-Fiction mit originellem Weltenbau und begeisterte u. a. mit seiner »Nebelgeborenen«-Saga weltweit die Fans. Seine Bücher erreichen regelmäßig Bestplatzierungen auf der New York Times-Bestsellerliste und wurden in 35 Sprachen übersetzt.
4
Der Sohn
Verlassen?
Die Insel verlassen?
Man verließ die Insel nicht.
Tress wusste sehr wohl, dass das nicht unbedingt stimmte. Königliche Beamte konnten die Insel verlassen. Der Herzog verließ die Insel gelegentlich, um dem König Bericht zu erstatten. Außerdem hatte er sich die ganzen Orden damit verdient, dass er an einem fernen Ort, wo die Leute ein bisschen anders aussahen, ebenjene umgebracht hatte. In diesen Kriegen hatte er offenbar recht heldenhaft gekämpft – das erkannte man daran, dass viele seiner Soldaten gestorben waren, er aber überlebt hatte.
Doch noch nie hatte der Herzog seine Familie mitgenommen. »Da der Erbe des Herzogs volljährig geworden ist«, hieß es in der Bekanntmachung, »soll er den diversen Prinzessinnen der zivilisierten Ozeane zum Zweck einer Verlobung vorgestellt werden.«
Nun, Tress war tatsächlich ein pragmatisches Mädchen. Und deshalb zerriss sie ihren Einkaufskorb nur in Gedanken vor Wut in kleine Stücke. Sie dachte nur darüber nach, ob es angemessen wäre, lauthals zu fluchen. Sie erwog nur beinahe, zur Herzogsvilla hinaufzustürmen und zu verlangen, dass der Alte es sich noch einmal anders überlegte.
Stattdessen machte sie benommen ihre Besorgungen und verlieh ihrem plötzlich in die Brüche gehenden Leben mit dieser vertrauten Tätigkeit einen Anschein von Normalität. Sie fand Knoblauch, den sie sicher würde brauchen können, einige Kartoffeln, die noch nicht allzu verschrumpelt waren, und sogar etwas Getreide mit Kornkäfern, die so groß waren, dass man sie herauslesen konnte.
Gestern wäre sie mit dieser Ausbeute zufrieden gewesen. Heute konnte sie an nichts anderes denken als an Charlie.
Es erschien ihr so unglaublich ungerecht. Sie hatte sich eben erst eingestanden, was sie für ihn empfand, und schon wurde alles auf den Kopf gestellt? Sicher, man hatte ihr diesen Schmerz prophezeit. Liebe ging nicht ohne Schmerzen ab. Das war das Salz im Tee – doch sollte da nicht auch ein wenig Honig hineingehören? Sollte da nicht auch noch – wagte sie zu hoffen – Leidenschaft dazugehören?
Sie sollte anscheinend sämtliche Nachteile einer Romanze abbekommen, ohne auch nur einen der Vorteile zu genießen.
Leider machte ihr Pragmatismus sich nun bemerkbar. Solange sie sich etwas hatten vorspielen können, war die Wirklichkeit nicht in der Lage gewesen, sich ihrer zu bemächtigen. Doch die Tage der Selbsttäuschung waren vorbei. Was hatte sie denn geglaubt, was passieren würde? Dass der Herzog ihr seinen Sohn zum Mann geben würde? Was glaubte sie denn, was sie jemandem wie Charlie zu bieten hatte? Im Vergleich mit einer Prinzessin war sie nichts. Stellt euch nur einmal vor, wie viele Tassen die sich leisten kann!
In der vorgespielten Welt ging es beim Heiraten um Liebe. In der Wirklichkeit ging es um Politik. Ein Wort, das mit unzähligen Bedeutungen aufgeladen war, auch wenn sich die meisten davon auf eine einzige reduzieren ließen: Es ist eine Sache des Adels – und, wenn auch widerstrebend, der Reichen. Nicht der Bauern.
Nachdem sie mit ihren Einkäufen fertig war, machte sie sich auf den Heimweg. Zu Hause bekäme sie wenigstens das Mitgefühl ihrer Eltern. Doch anscheinend vergeudete der Herzog keine Zeit, denn sie bemerkte eine Prozession, die sich zum Hafen hinunterbewegte.
Tress machte kehrt und ging auf einem anderen Weg wieder zurück, sodass sie kurz nach der Prozession dort ankam. Schon wurde das Gepäck der Familie auf ein Handelsschiff geladen. Niemandem war es gestattet, die Insel zu verlassen. Es sei denn, man war jemand. Tress fürchtete, dass sie keine Gelegenheit mehr haben würde, mit Charlie zu sprechen. Dann fürchtete sie, dass sie diese Gelegenheit bekommen würde, er sie aber nicht mehr sehen wollte.
Gnädigerweise entdeckte sie ihn am Rand der Menschenmenge, wo er sich suchend umschaute. Kaum hatte er sie bemerkt, eilte er zu ihr. »Tress! O Monde! Ich hatte schon Angst, ich würde dich nicht mehr rechtzeitig finden.«
»Ich …« Was hatte sie gesagt?
»Holt-Essen-Maid«, sagte er, sich verneigend. »Ich muss Abschied nehmen.«
»Charlie«, sagte sie sanft. »Versuche nicht, jemand zu sein, der du nicht bist. Ich kenne dich.«
Er verzog das Gesicht. Er trug einen Reisemantel und sogar einen Hut. Der Herzog fand Hüte ungebührlich und nur auf Reisen statthaft. »Tress«, sagte er etwas leiser. »Ich fürchte, dass ich dich angelogen habe. Siehst du … ich bin nicht der Gärtner. Ich bin … ähm … der Sohn des Herzogs.«
»Unglaublich. Wer hätte gedacht, dass Charlie der Gärtner und Charles, der Sohn des Herzogs, ein und dieselbe Person sind, wo sie doch auch noch gleich alt sind, gleich aussehen und die gleichen Kleider anhaben?«
»Äh, ja. Bist du wütend auf mich?«
»Wut ist auch dabei«, sagte Tress. »Sie steht an siebter Stelle, genau zwischen Verwirrung und Müdigkeit.«
Hinter ihnen marschierten Charlies Vater und Mutter auf das Schiff. Ihre Diener folgten ihnen mit den letzten Gepäckstücken.
Charlie sah auf seine Füße hinab. »Anscheinend soll ich verheiratet werden. Mit der Prinzessin irgendeines Landes. Was hältst du davon?«
»Ich …« Was sollte sie sagen? »Ich wünsche dir alles Gute?«
Er hob den Blick und sah ihr in die Augen. »Immer, Tress. Erinnerst du dich?«
Es fiel ihr schwer, aber nach ein wenig Herumtasten fand sie die Worte, die sich in irgendeiner Ecke versteckten und ihr ausweichen wollten. »Ich wünschte«, konnte sie sagen, nachdem sie die Worte gepackt hatte, »dass du das nicht tun würdest. Heiraten. Jemand anders.«
»Oh?« Er blinzelte. »Wirklich?«
»Ich meine, ich bin sicher, dass sie sehr nett sind. Die Prinzessinnen.«
»Ich glaube, das gehört bei denen zum Beruf«, sagte Charlie. »Weil … hast du gehört, was sie in den Geschichten tun? Amphibien wiederbeleben? Eltern davon in Kenntnis setzen, dass ihre Kinder ins Bett gemacht haben? Man muss schon verhältnismäßig nett sein, um das zu tun.«
»Ja«, sagte Tress. »Ich …« Sie holte tief Luft. »Mir wäre es trotzdem lieber … wenn du keine von ihnen heiraten würdest.«
»Na gut, dann tue ich es eben nicht«, erwiderte Charlie.
»Ich glaube nicht, dass dir etwas anderes übrig bleiben wird, Charlie. Dein Vater will dich verheiraten. Das ist Politik.«
»Ah, aber weißt du, ich habe eine Geheimwaffe.« Er nahm ihre Hände und neigte sich zu ihr heran.
Hinter ihm trat sein Vater in den Bug des Schiffes und blickte finster herab. Charlie jedoch lächelte schief. Es war sein Lächeln der Marke »Schau, wie raffiniert ich bin«. Er lächelte meist so, wenn er nicht sonderlich raffiniert vorging.
»Was … für eine Geheimwaffe, Charlie?«, fragte sie.
»Ich kann unglaublich langweilig sein.«
»Das ist keine Waffe.«
»In einem Krieg vielleicht nicht, Tress«, sagte er. »Aber bei der Brautwerbung? Da ist es so tödlich wie das schärfste Rapier. Du weißt doch, dass ich kein Ende finde und immer weiter und weiter reden kann.«
»Ich mag, dass du kein Ende findest, Charlie. Dass es immer weitergeht, macht mir gar nichts aus. Das gefällt mir manchmal richtig.«
»Du bist ein besonderer Fall«, sagte Charlie. »Du bist … nun ja, das klingt ein bisschen dumm … aber du bist wie ein Paar Handschuhe, Tress.«
»Wirklich?«, sagte sie, sich verschluckend.
»Ja. Nimm es nicht als Beleidigung. Ich meine, wenn ich Fechtübungen machen muss, dann trage ich diese Handschuhe, und die …«
»Ich weiß«, flüsterte sie.
Vom Schiff rief Charlies Vater herunter, er solle sich beeilen. Da wurde Tress bewusst, dass Charlies Vater ebenso verschiedene finstere Blicke hatte wie Charlie verschiedene Lächeln. Was der gegenwärtige in Bezug auf sie aussagte, gefiel ihr gar nicht.
Charlie drückte ihre Hände. »Hör zu, Tress. Ich verspreche dir, ich werde mich nicht verheiraten lassen. Ich werde diese Königreiche bereisen und unerträglich langweilig sein, sodass kein Mädchen mich haben will. In so vielem bin ich nicht gut. Beim Fechten gegen meinen Vater habe ich noch nie einen Punkt...
Erscheint lt. Verlag | 2.11.2023 |
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Illustrationen | Howard Lyon |
Übersetzer | Simon Weinert |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Tress of the Emerald Sea |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | All Age Fantasy • Brandon Sanderson Crowdfunding • Brandon Sanderson deutsch • Brandon Sanderson Kickstarter • Brandon Sanderson Secret Projects • Cosmere • cozy fantasy • Diana Wynne Jones • Fantasy Einzelband • Fantasy Standalone • Feelgood Fantasy • Hexen • High Fantasy • Hoid • klassische Fantasy • Kosmeer • märchenhafte Fantasy • Neil Gaiman • Piraten • Seefahrer • Tress • Tress of the Emerald Sea deutsch • William Goldman |
ISBN-10 | 3-492-60498-6 / 3492604986 |
ISBN-13 | 978-3-492-60498-7 / 9783492604987 |
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