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Schneewittchens dunkler Kuss (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2023
464 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-31131-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schneewittchens dunkler Kuss - Stefanie Lasthaus
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Viele Legenden ranken sich um das sogenannte Dunkelvolk, das einst sein Unwesen trieb und den Lebenden ihre Herzen nahm. Inzwischen ist das Dunkelvolk verschwunden, doch die wenigen Menschen, die über eine magische Gabe verfügen, werden immer noch mit den düsteren Wesen in Verbindung gebracht. Die 23-jährige Cyntha ist die Tochter einer Magiebegabten, und auch ihr begegnet man im Dorf mit Misstrauen. Als der Earl von Falstone um ihre Hand anhält, bleibt ihr nichts anderes übrig, als seinen Antrag anzunehmen. Auf dem Gut ihres Zukünftigen angekommen, lernt Cyntha ihre Stieftochter Snow kennen - eine junge Frau von betörender Schönheit. Dann werden die Ländereien des Earl immer häufiger von einem eigenartigen Nebel heimgesucht, Menschen verschwinden spurlos, man findet Tote, denen das Herz herausgerissen wurde. Ist das Dunkelvolk zurückgekehrt? Und warum verhält sich Snow so eigenartig? Cyntha muss sich auf ihr eigenes magisches Erbe besinnen, um das Böse, das in ihre Mitte getreten ist, aufzuhalten.

Stefanie Lasthaus wuchs im Ruhrgebiet auf. Nach dem Studium zog es sie nach Australien, England sowie in die Schweiz. Zurück in Deutschland, widmete sie sich zunächst dem Dokumentationsfilm und schließlich ganz dem Schreiben - ob für Zeitungen, Zeitschriften, Onlinespiele, dem PR-Bereich oder als Autorin ihrer Romane. Da sie nur noch temporär durch die Welt reisen kann, besucht sie in ihren Büchern Gegenden, die sie faszinieren. Stefanie Lasthaus schreibt auch unter dem Pseudonym Hannah Luis und lebt in Essen.

1


Ranken und Stein

In den leeren Fenstern der Ruine, wo um diese Zeit nichts als Schwärze herrschen sollte, flackerte Feuer.

Cyntha hielt den Atem an, lief aber weiter, wobei sie sich nicht die Mühe machte, Ästen oder Unterholz vollends auszuweichen. Es raschelte, unter ihren Schuhen knackte ein Zweig, und wie zur Antwort ertönte vor ihr Gelächter, gedämpft von halb verfallenen Mauern aus Stein.

Sie biss die Zähne zusammen und beugte sich hinab, um einen der dicken Zweige an sich zu nehmen, die der Sturm vor ein paar Tagen von den Bäumen geholt hatte. Als sie ihre Fingernägel in die Rinde krallte, merkte sie, wie wütend sie war – und mit jedem Schritt steigerte sich dieses Gefühl. Obwohl die Hütte am Rande der Buford-Ländereien längst nicht mehr ihr Zuhause war und die Hecken, Schlingpflanzen und Tiere des Waldes sie allmählich für sich eroberten, war es noch immer so, als gehörte sie zu ihr. Zu ihr und ihrem Vater, wenn er nach seinen Reisen für kurze Zeit ins Dorf zurückkehrte. Dort waren so viele Erinnerungen entstanden, die sie noch immer im Herzen trug. Ihre Mutter war ein Teil davon. Hier draußen waren sie glücklich gewesen, sie alle drei, und hatten sich nicht daran gestört, was die Dörfler von ihnen dachten oder welche Geschichten man hinter vorgehaltenen Händen flüsterte – Cyntha, weil sie noch zu klein gewesen war, um sie zu verstehen, und ihre Eltern, weil sie sich geliebt hatten und wussten, dass die meisten dieser Geschichten zwar einen wahren Kern besaßen, aber oft aus Ängsten und Befürchtungen geboren waren, die nichts mit der Realität gemein hatten.

Jelissa Hirde ist eine Hexe.

Als Kind hatte Cyntha das für eine ganz normale Aussage gehalten. Für eine Tatsache, die jemand ihr ebenso mitteilte, wie dass das Wetter zu schlecht war, um draußen zu spielen. Erst Jahre später hatte sie begriffen, wie sehr diese Worte urteilten. Dass sie ihre Mutter bewerteten und innerhalb des Dorfes zur Außenseiterin machten.

Die Hütte war einst ihre ganze kleine Welt gewesen, und es hatte ihr das Herz gebrochen, dass sie nach dem Brand auf dem Gutshof und im vorderen Wald zu stark beschädigt worden war, um sie zu reparieren. Seitdem verfiel sie mit jedem Tag weiter. Die Jugendlichen aus dem Dorf nutzten sie für dämliche Mutproben und weil sie glaubten, hier draußen unbeobachtet zu sein und alles tun zu können, für das ihre Eltern ihnen etwas über die Schädel ziehen würden.

Mittlerweile hörte Cyntha Gelächter und sah Schemen, die sich gegen das Feuer abhoben, das jemand dort entzündet hatte, wo einst die Wohnstube gewesen war. Goldenes Haar blitzte auf, lang und etwas dunkler als ihr eigenes – vermutlich Arly, die Tochter des Gerbers. Sie war nicht böse, das war niemand von ihnen. Aber wenn sich Menschen zusammenschlossen, um sich gemeinsam in Hirngespinste hineinzusteigern, kam nie etwas Gutes dabei heraus.

Ein Mädchen kreischte, begleitet von Gelächter.

»Wenn du wie eine Hexe tanzt, bringst du die Hexe vielleicht von den Toten zurück!«

Das war eindeutig die Stimme von Bran Wallens, der zwei Hütten neben Cyntha und ihrem Vater wohnte und immer höflich zu ihnen war. Seine Worte trieben ihr Tränen in die Augen, und sie dachte nicht mehr daran, sich zurückzuhalten. Mit einem Schrei überwand sie die letzten Schritte bis zu der Öffnung, wo einst eine Holztür gewesen war, und hob den Ast über den Kopf.

»Verschwindet!«

Vier Gesichter blickten sie mit vor Schreck geweiteten Augen an, von den Flammen rötlich beleuchtet, als hätte jemand einen Eimer Blut über sie ausgeleert.

»Nehmt euren Kram mit und denkt nicht einmal daran, euch noch ein einziges Mal hier blicken zu lassen!« Ihre Stimme kratzte und dämpfte die Klarheit, die sonst darin lag.

Alle vier sprangen auf – es waren wirklich Arly, Bran sowie seine besten Freunde Ethna und Ross –, rührten sich aber nicht. Zwischen ihnen flackerte das Feuer; sie hatten Brot auf Stöcke gespießt und einen Trinkschlauch zwischen sich auf einen Ast gelegt. Arly war aus ihren Schuhen geschlüpft, da sie offenbar aus irgendeinem Grund zu glauben schien, dass Hexen barfuß ums Feuer tanzten. Ihre Füße waren klein und schmutzig, und aus unerfindlichen Gründen machte der Anblick Cyntha noch wütender. »Ich sagte, ihr sollt verschwinden!«, brüllte sie, holte aus und ließ den Ast so fest sie konnte gegen Brans Schulter krachen.

»He!« Er taumelte, und einen flüchtigen Moment lang wünschte sich Cyntha, er würde ins Feuer treten. Nicht, um zu verbrennen, sondern um einen Teil der Schmerzen zu spüren, die gerade in ihr wüteten.

Die anderen wichen ebenfalls zurück. Sie alle wirkten erschrocken, lediglich Arly hatte den Anstand, Cyntha einen schuldbewussten Blick zuzuwerfen.

»Cyn, wir haben …«

Aber sie wollte keine Worte. Sie wollte, dass ihr altes Zuhause wieder so aussah, wie sie es verlassen hatte. »Weg!«, schrie sie und holte ein zweites Mal aus. Obwohl sie niemanden traf und der Ast nur einen lächerlich kleinen Kreis beschrieb, der sie beinahe selbst von den Füßen riss, brachte es Bewegung in die anderen: Sie klaubten ihre Sachen zusammen und stürmten davon. Lediglich Arly kehrte noch einmal zurück und schnappte sich ihre Schuhe, die sie in der Hektik vergessen hatte. Ihre Schritte entfernten sich, und sie riefen einander Dinge zu – vermutlich, dass Cyntha verrückt war und sie sich beim Dorfvorsteher oder sogar bei Lord und Lady Buford über sie beschweren würden, aber das interessierte sie nicht.

Plötzlich fühlte sie sich so leer wie die Hütte. Der Ast polterte am Rand des Feuers zu Boden und ließ Funken aufstieben. Manche davon trafen Cynthas nackten Unterarm. Obwohl sie darauf starrte und sah, dass sich ihre Haut rötete, spürte sie es nicht. Dafür brannten sich die Tränen den Weg über ihre Wangen, und sie wischte sie ärgerlich weg, ehe sie sich umblickte und die Erinnerungen von sich schob, die sich aus sämtlichen Ecken und Schatten anschleichen wollten. Wenn sie sich darin verlor, würde es ihr lediglich flüchtige Glücksmomente bringen, mit einer Traurigkeit im Schlepptau, die sie für eine zu lange Zeit verschlingen würde. Es war besser, wenn sie in der Gegenwart blieb. Was brachte es, sich in Vergangenem zu verlieren? Sie hatte das bereits zu oft getan, und es hatte ihr nicht weitergeholfen.

»Verdammt«, murmelte sie, schob die glühenden Holzstücke mit einem Fuß zusammen und musterte die Ranken an der Wand vor sich. Ihre Mutter hatte sie kurz nach Cynthas Geburt gemalt. Über die Jahre waren sie verblasst, und jetzt, da das Dach fehlte, teils vom Regen ausgewaschen worden. Cyntha hob eine Hand, zögerte und strich behutsam mit den Fingerspitzen darüber.

Die Ranken erwachten zum Leben.

Manche lösten sich von der Steinmauer und streckten sich durch die Luft in den Raum hinein, andere spreizten ihre Blätter und leuchteten auf, als würde nicht die Nacht, sondern der Tag bevorstehen. Zwischen ihren Ansätzen erschienen kleine, helle Blüten. Eine Pflanze legte sich um Cynthas Handgelenk, um sich dann bis zu ihrem Ellenbogen zu schlängeln und dabei die winzigen Brandwunden zu kühlen.

Ihre Mutter war gegangen, hatte aber ihre Magie zurückgelassen, sodass sich dieser kleine Teil von ihr noch immer um ihre Tochter kümmerte. Cyntha versuchte ein Lächeln, um auch das Brennen in ihrem Bauch zu mindern, aber es funktionierte nicht. Vielleicht, weil ihre Mundwinkel nicht aufhören wollten zu zittern.

»Ich habe mir schon gedacht, dass die anderen vor dir geflüchtet sind.«

Sie fuhr herum, obwohl sie die Stimme bereits erkannt hatte, aber dennoch ärgerte sie sich. Trotz der Trauer hätte sie die Umgebung nicht außer Acht lassen dürfen. Augenblicklich zogen sich die Schlingpflanzen zurück und wurden wieder zu dem, was sie für die meisten Menschen waren: Zeichnungen auf unbewohnten Mauern.

»Was beim Abgrund tust du hier?«, fragte sie ruppiger, als sie wollte.

Brooke hob beide Hände und gab sich Mühe, erschrocken auszusehen, scheiterte aber kläglich. Sie kannte Cyntha zu gut, um sich wirklich von ihr Angst machen zu lassen. »Ich beruhige die wilde Frau, ehe sie einen Tobsuchtsanfall bekommt und wie eine Irre auf der Suche nach Opfern durch den Wald rennt.«

Cyntha blinzelte. »Bitte was?«

Schulterzucken. »Ich denke, damit habe ich ungefähr zusammengefasst, was mir Bran, Arly und die anderen zugerufen haben, als ich ihnen gerade begegnet bin.« Brooke ließ sich zu Boden sinken, lehnte sich an die Wand, um die langen Beine auszustrecken, und zupfte an ihrem dunklen Haar. Es war kaum fingerlang, da sie es vor ein paar Wochen abgeschnitten hatte, um die Läuse auf ihrem Kopf zu bekämpfen. Zumindest erzählte sie das jedem, wobei Cyntha glaubte, dass Brooke einfach eine gute Ausrede gefunden hatte, um wieder etwas auszuprobieren, über das sich andere die Mäuler zerrissen. »Was hast du mit ihnen angestellt, Cyn?«

»Sie lediglich überrascht und mit einem Stock vertrieben.«

Brooke nickte. »Gut so, das ist das Mindeste. Demnächst nimm eine Schleuder, die werden die Bufords nicht als Waffe gegen dich auslegen. Aber ein Treffer kann verdammt wehtun.« Sie zwinkerte.

Brooke war die Einzige, die nicht um den heißen Brei herumredete oder Cyntha behandelte, als würde die ihr früher oder später in die Hand beißen – Brookes Worte, aber sie trafen das Ganze ziemlich gut. Die Dörfler begegneten Cyntha nicht mit so viel Ablehnung, wie sie es bei ihrer Mutter getan hatten, aber sie trauten ihr nicht. Manchmal...

Erscheint lt. Verlag 1.11.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2023 • Christina Henry • Die Chroniken von Alice • Die Gebrüder Grimm • düstere Märchen • eBooks • Fantasy • frau holles labyrinth • Magie • Märchenbuch • Neuerscheinung • Schneewittchen • Zwerge
ISBN-10 3-641-31131-4 / 3641311314
ISBN-13 978-3-641-31131-5 / 9783641311315
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