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Das Haus Zamis 66 (eBook)

Biikebrennen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-4986-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 66 - Logan Dee
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Das sanfte Schaukeln des Autozuges hatte mich müde werden lassen. »Es lohnt sich nicht einzuschlafen, Coco. Die ganze Überfahrt durchs Watt dauert nur ein paar Minuten ...« Das waren Georgs letzte Worte, an die ich mich erinnerte. Und dann war ich doch eingeschlummert. Als ich die Augen aufschlug, kam es mir vor, als hätte ich stundenlang geschlafen. Um mich herum war es stockdunkel.
Ich wandte mich zu Georg um. Sein Platz hinter dem Steuer war verwaist. Sofort war ich hellwach. Ich hatte nicht bemerkt, dass er ausgestiegen war. Bevor ich eingeschlafen war, hatte ich die Insassen in dem roten Volvo vor uns noch gut erkennen können. Ein junges Pärchen, das sich aneinanderkuschelte und die kurze Ruhepause auf dem Shuttle genoss. Selbst den Volvo konnte ich jetzt nicht mehr sehen. Die Dunkelheit hatte ihn verschluckt. Genau wie Georg.

Georg reist mit Coco auf die Insel Sylt. In Georgs Augen genau der richtige Ort, um seine Vergangenheit aufzuarbeiten und sich über die Zukunft klarzuwerden. Denn auf Sylt stand damals jenes Waisenhaus, in dem Georg seine grausamen «Lehrjahre» verbringen musste ...


1. Kapitel


Sofort war ich hellwach. Ich hatte nicht bemerkt, dass er ausgestiegen war. Und wohin sollte er auch gelaufen sein? Soweit ich wusste, verfügte der Shuttle noch nicht einmal über eine Toilette.

Es waren nicht viele Wagen, die an diesem späten Abend mit der letzten Fahrt zur Insel befördert wurden. Höchstens zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig, sodass die Fläche des Autozuges überschaubar gewesen war.

Bevor ich eingeschlafen war, hatte ich die Insassen in dem roten Volvo vor uns noch gut erkennen können. Ein junges Pärchen, das sich aneinanderkuschelte und die kurze Ruhepause genoss.

Selbst den Volvo konnte ich nicht mehr sehen. Die Dunkelheit hatte ihn verschluckt.

Genau wie Georg.

Zu der Dunkelheit gesellte sich nun noch ein klebriger Nebel, der sich auf die Scheiben legte. Ich entschloss mich auszusteigen.

Die Tür ließ sich mühelos öffnen, dabei hatte ich insgeheim damit gerechnet, dass sich mir etwas entgegenstellen würde. Doch nichts dergleichen. Wahrscheinlich war Georgs Verschwinden auf ganz normale Weise zu erklären. Ich sah Gespenster.

Andererseits hatten die Ereignisse der letzten Zeit gezeigt, dass nichts mehr wie früher war. Die überschaubare Welt der Schwarzen Familie war aus den Fugen geraten, seitdem es eine Gruppe von Oppositionsdämonen gab, die ausgerechnet meine Sippe und mich zum entscheidenden Spielball zwischen den Parteien auserkoren hatten.

Georg und ich hatten unseren Vater ziemlich bloßgestellt. Die Atmosphäre in der Zamis-Villa war danach ziemlich vergiftet gewesen. Da war es ganz gut, etwas Abstand zu gewinnen. Georg hatte darum gebeten, einige Tage auf Sylt zu verbringen, um seine Vergangenheit weiter aufzuarbeiten. Unser Vater hatte ihn eigenartig angeschaut, aber schließlich seinen Segen dazu gegeben. Mit einer Auflage: Er sollte mich mitnehmen, weil er, wie er es nannte, »mich nicht mehr sehen« konnte. Georg hatte eingewilligt, jedoch nicht unbedingt begeistert.

Als ich ausgestiegen war, nahm ich als Erstes die salzige Seeluft wahr, die so ganz anders roch als Wien. Ich hatte es schon gespürt, als wir Hamburg hinter uns gelassen hatten – und mit jedem Kilometer, den wir uns in unserem Leichenwagen dem Meer genähert hatten: jenes Gefühl der Freiheit und Grenzenlosigkeit, das einem die Stadt niemals geben konnte.

Doch nun lag noch etwas anderes in der Luft. Ich wusste nicht zu sagen, ob es der Nebel war, der die Ahnung einer verborgenen Gefahr in mir heraufbeschwor.

Das Rattern des Shuttles machte es unmöglich, irgendein anderes Geräusch zu vernehmen. Und dennoch hörte ich plötzlich noch etwas. Unwillkürlich schaute ich hoch, aber die Nebeldecke lag so niedrig, dass ich gerade mal die zweite Ladefläche über meinem Kopf erkennen konnte. Uns hatte man einen Platz auf der unteren Ebene zugewiesen.

»Georg?«, rief ich leise in die Dunkelheit hinein. »Steckst du hier irgendwo?«

Statt Georg vernahm ich ein weiteres Mal das markerschütternde Kreischen. Ich hatte noch niemals eine Seemöwe derart schreien hören.

Wieder zuckte mein Kopf nach oben.

Im selben Moment ging ein gewaltiger Ruck durch den Zug. Ich wurde nach vorn geschleudert. In letzter Sekunde konnte ich mich an einem Pfeiler festklammern. Der Zug war ins Schlingern gekommen. Bremsen quietschten. Menschen schrien.

Ich hatte die Vision von etwas Großem, Gewaltigem, kaum Vorstellbarem, das über mir auf der Ladefläche gelandet war.

»Georg?«, rief ich erneut. Diesmal lauter. Meine Stimme klang rauchig, als hätte sich der klebrige Nebel bereits auf meine Lungen gelegt.

Dann stand der Zug. Für einen Augenblick schien die Welt den Atem anzuhalten. Es war so still, dass ich meinen eigenen Atem hören konnte. Doch bereits in der nächsten Sekunde explodierte das Geschehen. Die Hilfeschreie klangen panischer als zuvor, ein Kind weinte, jemand kam auf mich zugelaufen, drängte sich vorbei.

Ich hielt ihn fest. Es war einer der Zugbegleiter.

»Was ist passiert?«, herrschte ich ihn an.

»Lass mich los, Mädchen. Jemand hat die Notbremse gezogen. Ich muss nach dem Rechten sehen. Irgendetwas stimmt da nicht ...«

Ich ließ ihn ziehen. Nach wenigen Schritten verschluckten ihn der Nebel und die Finsternis.

Ich glaubte nicht, dass der Zug nur aufgrund einer Notbremse, die jemand betätigt hatte, zum Stillstand gekommen war. Mein Arm begann zu jucken. Als ich hinabschaute, erkannte ich, dass das Permit, das ich einem der Oppositionsdämonen zu verdanken hatte, grünlich glühte. Ein untrügliches Zeichen, dass magische Kräfte am Walten waren.

Ich musste an unsere Fracht im Heck des Leichenwagens denken, und ein gewisses Gefühl der Beruhigung machte sich in mir breit. Georg und ich, wir waren nicht allein. Doch noch war es zu früh, sich der Hilfe des Henkers zu bedienen.

Georg hatte unseren Vater darum gebeten, sich den Henker auszuleihen. Vater hatte die Stirn gerunzelt. Es war ihm anzusehen gewesen, dass er den Henker nicht gern aus der Hand gab. Und Georg hatte partout nicht mit der Sprache herausrücken wollen, wozu er ihn brauchte.

Der Henker war eine der wirkungsvollsten Waffen der Zamis. Mein Vater hatte ihn mit seinem Bruder, Ingvar Zamis, einst erschaffen. Es handelte sich um eine Art Frankenstein, jedoch war er aus vielerlei Leichenteilen zusammengestückelt. Er war praktisch unüberwindbar, denn der Gegner musste genau wissen, welches der Leichenteile welchen Tod gestorben war – nur dadurch ließen sich die einzelnen Segmente eliminieren.

In den letzten Jahrzehnten hatte mein Vater den Henker immer mehr vervollkommnet.

»Ich weiß nicht, was du vorhast, Georg«, hatte unser Vater Georg ermahnt. »Ich kann nur hoffen, dass du verantwortungsvoll mit unserer Macht umgehen wirst.«

Das waren seine Abschiedsworte gewesen. Klar, Georg hatte etwas vor, aber auch mir hatte er auf der ganzen bisherigen Reise nicht mehr verraten.

Ein erneuter Ruck ging durch den stehenden Shuttle und riss meine Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Was immer dort oben auf der zweiten Ladefläche vor sich ging – es schien sich zu nähern. Ich konnte das Vibrieren, das jene fremde Macht erzeugte, sogar körperlich spüren. Es hatte den gesamten Zug erfasst.

Also schön, wenn Georg nicht in der Nähe war, musste ich selbst handeln!

Ich tastete mich zum Heck des Leichenwagens und öffnete den Kofferraum. Rasch schlug ich die Vorhänge zurück und befreite den Sarg von seiner schweren Schmuckdecke.

Im Innern des Sarges glaubte ich eine Regung zu spüren.

Ich war gerade im Begriff, die Verschläge und magischen Sperren zu lösen, als sich mir von hinten eine Hand auf die Schulter legte.

»Das würde ich nicht machen«, sagte eine Stimme. Georgs Stimme.

Erleichtert wandte ich mich um.

»Wo hast du gesteckt?«, fragte ich ihn. »Was ist passiert?«

Er wies nach oben. »Wir haben Besuch bekommen. Ich denke, es hängt damit zusammen, dass uns partout jemand loswerden will.«

»Aber wer hat von unserem Kommen gewusst?«, fragte ich stirnrunzelnd.

Georg zuckte die Schultern. »Jedenfalls sollten wir vor unseren Gegnern nicht gleich alle unsere Karten auf den Tisch legen.« Er wies auf den Sarg. »Lass den Henker noch ein wenig ruhen. Wir versuchen zunächst, das Problem allein zu lösen.«

Ich gab mich geschlagen und ordnete mich seinem Befehl unter. Zudem ich noch immer keinen blassen Schimmer hatte, was eigentlich vorgefallen war.

Während ich den Sarg wieder in seinen vorherigen Zustand versetzte und dabei ein enttäuschtes Seufzen aus dem Inneren vernahm, begann Georg mich in aller Schnelle auf den neuesten Stand zu bringen.

»Du bist tatsächlich eingenickt«, erklärte er. »Plötzlich kam dieser Nebel. Mit einer Plötzlichkeit, die alles andere als normal war. Ich bin ausgestiegen und nach oben geklettert, um mehr erkennen zu können.«

Ich versuchte mir das waghalsige Manöver besser nicht vorzustellen.

»Und? Hast du etwas entdeckt?«

Er schüttelte den Kopf. »Es muss passiert sein, als ich wieder nach unten gestiegen bin. Irgendetwas geistert dort oben herum – und ich bin mir fast sicher, dass es nach uns Ausschau hält.«

Wie um seine Worte zu unterstreichen, erklang erneut der kreischende Ruf, der in mir das Bild einer riesigen Möwe hervorrief. Diesmal war es jedoch aus einer anderen Richtung gekommen. Vom anderen Ende des Zuges.

»Was immer es ist, ich möchte ihm nicht begegnen«, stimmte ich ihm zu, während ich mit einer Hand das Permit abdeckte. Georg musste nicht mitbekommen, dass es glühte.

»Es sind mindestens zwei«, gab Georg ganz meine Meinung wieder. »Sie wissen, dass wir hier sind. Wir sitzen in der Falle!«

»Wie weit ist es eigentlich noch bis Westerland?«, fragte ich.

Georg zuckte mit den Schultern. »Sylt kann nicht mehr weit entfernt sein. Wir fahren ja schon eine ganze Weile ...«

Er sah mich an, und das plötzliche Aufglitzern in seinen Augen verriet, dass er ahnte, was ich vorhatte.

»Wir flüchten übers Watt!«, sagte ich rasch. »Verlaufen können...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2023
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-4986-1 / 3751749861
ISBN-13 978-3-7517-4986-2 / 9783751749862
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