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Roth - Schattenmann (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
340 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2854-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Roth - Schattenmann - Gerlinde Friewald
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Eine verschwundene Frau, eine alte Liebe, ein perfider Mord.

Trotz Bedenken übernimmt der renommierte Berliner Privatdetektiv Konstantin Roth, eigentlich spezialisiert auf Wirtschaftskriminalität, den lukrativen Auftrag, Hinweise auf den Verbleib von Thomas Sommerfels' Nichte Anna zu finden.

Dass ihn dieser Weg nicht nur zu einem furchtbaren Verbrechen führt, sondern auch in seine eigene Vergangenheit, ahnt Konstantin noch nicht. Als sich das Netz immer weiter zuzieht, gerät Konstantin selbst in Gefahr ...

Ein hochspannender Thriller, in dem nichts ist, wie es zu sein scheint - von Bestsellerautorin Gerlinde Friewald.



Die Passion für Literatur begleitet die deutsch-österreichische Bestsellerautorin Gerlinde Friewald seit ihrer Kindheit, die sie im Süden Wiens in Österreich verbrachte. Leserinnen und Leser begeistert Gerlinde Friewald mit spannungsgeladenen Inhalten, facettenreichen Figuren und einer feingezeichneten Sprache. ROTH-Schattenmann ist ihr Debüt-Thriller. Mit ihm erfüllt sie sich den Traum eines vielschichtigen Romans, der diesen Anspruch auf Hochspannung, große Figuren und besondere Sprache in jeder Hinsicht ausschöpft. Unter dem Pseudonym Olivia Anderson vereint Gerlinde Friewald ihre Leidenschaft für Geschichten über Liebe und Freundschaft sowie ferne Länder, die ihr ans Herz gewachsen sind. Als Dozentin für Kreatives Schreiben gibt sie ihr Wissen weiter. Gerlinde Friewald lebt heute mit ihrer Familie wieder im Süden Wiens.

Kapitel 5


Evelyne

Evelyne betrat das Krankenzimmer und setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Bett der Patientin stand. »Wie geht es Ihnen?«

»Viel besser, danke. Ich fühle mich schon fast wieder wie die Alte. Wenn ich nur wüsste, wer die war. Es ist komisch, nicht mal einen Namen zu haben.«

»Nun, warum suchen wir nicht einen Namen für Sie? Ich notiere ihn ganz oben auf Ihrer Krankenakte. Dann wissen die Kollegen und ich endlich, wie wir Sie anreden.« Evelyne schob die Unterlippe vor. »Gibt es eine Sängerin oder eine Schauspielerin, die Sie besonders mögen?« Jetzt bin ich neugierig, was du erwiderst, dachte sie.

»Ja!« Mit den Fingern formte die junge Frau ein Herz. »Ich liebe Julia Stiles. Sie ist mein großes Vorbild, weil … ach, egal. In dem Film ›Jason Bourne‹ war sie so nice. Haben Sie ihn gesehen?«

Kurz hielt Evelyne den Atem an, doch sie durfte sich die Anspannung nicht anmerken lassen. Mittlerweile hatte sie ein vertrauensvolles Verhältnis zu der Patientin aufgebaut, das sie nicht stören wollte. Schließlich beabsichtigte sie, weiter vorzudringen. »Leider nein, aber ich kenne ›10 Dinge, die ich an dir hasse‹. Ich hatte damals gerade mit dem Studium begonnen. Es ist eine Ewigkeit her.« Sie lächelte. »Julia ist ein schöner, geschichtsträchtiger Name.«

»Also heiße ich Julia.« Die junge Frau stützte die Hände auf der Matratze ab und richtete sich auf. »Frau Doktor Dom, ich …« Sie pausierte. »Was haben denn diese Untersuchungen gestern ergeben? Man hat mir tausend Fragen gestellt, und ich musste einige Tests ausfüllen, gesagt hat mir niemand was.«

Der plötzliche Schwenk war merkwürdig. Hatte sich Julia im letzten Moment entschieden, ihr eigentliches Anliegen – womöglich ein persönliches – nicht auszusprechen?

Evelyne war gezwungen, den Wechsel hinzunehmen. »Ich erkläre es Ihnen«, antwortete sie. »Zuerst wurden bei Ihnen ein MRT und eine Messung der Hirnströme durchgeführt. Damit konnten wir bestimmte Ursachen, wie beispielsweise ein Hirntrauma oder einen Schlaganfall, ausschließen. Danach erfolgten eine ausführliche Unterhaltung – das waren die tausend Fragen – und Gedächtnistests. Die Diagnose lautet ›psychogen bedingte Amnesie‹. Sie bedeutet, dass Sie etwas Schreckliches erlebt haben und die Vergangenheit verdrängen. Gelöscht ist sie allerdings nicht. Die Erinnerungen werden zurückkommen, entweder schrittweise oder alle auf einmal.« Evelyne hob den Blick zur Zimmerdecke. »Wann das sein wird, steht in den Sternen geschrieben.«

»Werde ich bald aus dem Krankenhaus rausmüssen?« Julia senkte die Lider. »Ich wüsste nicht, wohin ich soll. Das macht mir eine Scheißangst.«

Instinktiv ergriff Evelyne die Hand der jungen Frau. »Was in Tagen oder Wochen geschieht, zählt gegenwärtig nicht. Vorläufig bleiben Sie uns erhalten. Ab morgen wird jemand aus der psychiatrischen Abteilung Übungen mit Ihnen durchführen. Außerdem dürfen wir das da nicht vergessen.« Sie schmunzelte und zeigte auf die gewölbte Bettdecke. »Sie befinden sich ungefähr in der siebenunddreißigsten Schwangerschaftswoche. Die Belastungen, denen sie ausgesetzt waren, könnten durchaus eine verfrühte Geburt auslösen. Machen Sie sich keine Gedanken, Ihr kleiner Sohn ist startfertig.« Evelyne wiegte den Kopf. »Haben Sie schon versucht, sich auf den Vater des Kindes zu konzentrieren? Er macht sich sicherlich große Sorgen.«

»Ich kenne ihn nicht.«

Üblicherweise bewegten sich Julias Aussagen innerhalb des Radius, keine Ahnung zu haben. Bisweilen jedoch schien sie beiseitezuschieben, dass sie sich an nichts erinnerte, und gab klare Auskünfte. Evelyne war aufgefallen, dass die Versprecher vorrangig bei heiklen Themen – wie jetzt bei der Erwähnung des Vaters des Kindes – oder auch in ungezwungenem Rahmen passierten, wie soeben bei der Namensfindung. Gleich verhielt es sich mit ihrem Wissen über bestimmte Dinge aus der Vergangenheit. Es widersprach Julias Darstellung eines umfassenden Gedächtnisverlustes, und genauso wenig passte es zu den Untersuchungsergebnissen der Psychiatrie.

Längst hätte Evelyne mit dem zuständigen Psychiater über ihren Verdacht geredet, würde es sich um mehr als einen bloßen Eindruck ohne feste Hinweise handeln. Sie verließ sich auf ihr Bauchgefühl, das sie selten trog, aber sich in einer diagnostischen Unterhaltung darauf zu berufen, wäre schlichtweg unprofessionell – und wirkte sich schlimmstenfalls negativ auf ihre Karriere aus.

Seit einem unangenehmen Konflikt vor zwei Jahren herrschte nicht das beste Einvernehmen zwischen ihr und der Psychiatrie. Zwar war der Arzt inzwischen in Rente, dessen Beurteilung einer Frau mit Wochenbettdepression sie damals angezweifelt hatte, der Vorfall war deshalb jedoch nicht vergessen.

Mit ihrer Hypothese über Julia lieferte sie sich außerdem nicht nur selbst aus, sondern die gesamte Gynäkologie. Abteilungsintern steuerte ein harter Konkurrenzkampf den Alltag, doch gegen andere hielt man eisern zusammen. Ebenfalls durfte sie nicht ignorieren, dass ein derartiger Zwist unter Umständen sogar die Patientin einbezog. Ihres Erachtens hatte Julia genug erduldet und brauchte allem voran Ruhe – keine rivalisierenden Fachärzte.

Evelyne hatte eine gewisse Zuneigung zu Julia entwickelt, die auf einer Mischung aus Mitleid und Neugierde basierte. Die Frage, ob die junge Frau tatsächlich an einer Amnesie litt oder diese vorspielte, rangierte auf den beiden Ebenen in unterschiedlichen Ausprägungen. Während sich ihr Mitleid ausschließlich mit den möglichen Empfindungen und Wirren Julias beschäftigte, wollte Evelyne in puncto Neugierde unbedingt mehr erfahren. Was könnte die Patientin dazu verleiten, ihre Identität bewusst zu verheimlichen? Fürchtete sie sich vor etwas oder jemandem und sah sie das Krankenhaus als Zufluchtsort? Wie sie aufgefunden worden war und dass niemand nach ihr suchte, wiesen für Evelyne direkt darauf hin. Doch woher kam sie?

Bezog Evelyne Faktoren wie den medizinischen Zustand Julias ein, musste sie sich in einem wohlbehüteten Umfeld aufgehalten haben, beispielsweise im Kreis der Familie oder in einem privat geführten Sanatorium. Dieser Annahme widersprach die fehlende Suchmeldung. Angehörige, der Partner oder gar eine Institution würden nicht die Hände in den Schoß legen und warten, ob eine hochschwangere Frau von sich aus wieder erschien.

Zudem steckte jeder Mensch in einem sozialen Netzwerk. Wo waren die aufmerksamen Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen? Die Medienberichte waren zwar oberflächlichen Inhalts gewesen, aber auch ohne Foto und ohne eine detaillierte Beschreibung bargen sie genügend Hinweise.

Das Ausbleiben einer Anzeige bei der Polizei und Julias ungewöhnliches Verhalten waren jedoch nicht die einzigen Rätsel. Evelyne hatte obendrein etwas bemerkt, das sie irritierte.

Abgesehen von den Verletzungen befand sich Julias Körper in einer ordentlichen Verfassung, allerdings gab es Abweichungen zu ihrem perfekten Gesundheitsstatus. Um diese zu entdecken, musste man aber genau hinschauen.

Die Nägel an Händen und Füßen etwa waren kurz geschnitten, doch auf den Fersen zeigten sich Schrunden, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Nagelhaut zu entfernen. Das Haar war bestimmt seit Monaten nicht geschnitten worden – man erkannte es am unregelmäßigen Wuchs und den gesplissten Spitzen –, ebenso wucherte die restliche Behaarung.

Nun zählte Julia eventuell zu jenem Personenkreis, der bewusst natürlich sein wollte und sich der gängigen Schönheitspflege verschloss. Kein Make-up, kein Wachsen, Lasern oder Rasieren, kein gefärbtes Haar, keine Maniküre und Pediküre, keine falschen Nägel. Exotischere Eingriffe wie Wimpernverlängerung, Permanent-Make-up, Botox oder Zahnbleaching blieben unter diesem Gesichtspunkt ohnehin außen vor. Was hingegen nicht steuerbar war und Evelyne somit am auffälligsten fand, war Julias Haut. Sie wies nicht die normale Blässe des Winters auf, sondern wirkte, als wäre sie seit Langem überhaupt nicht mit Witterungseinflüssen in Berührung gekommen.

Müsste Evelyne einen Ausdruck kreieren, fände sie aus dem Stegreif die markante Bezeichnung »Isolationshaftblässe«. Ja, exakt das ist es! Menschen, die in einem Raum eingesperrt sind und deren Haut nie mit Sonne, Regen und Wind, Hitze und Kälte konfrontiert wird – nicht einmal für einen Spaziergang.

»Sie kümmern sich so lieb um mich, und ich möchte Ihnen wirklich alles erzählen. Ach, wenn ich es nur … schaffen würde«, murmelte Julia.

Sag mir einfach, wovor du Angst hast, dann helfe ich dir, dachte Evelyne und erwiderte: »Wenn Ihnen etwas einfällt oder am Herzen liegt, können Sie jederzeit mit mir darüber sprechen. Ich bin Ärztin und unterliege der Schweigepflicht. Vertrauen Sie mir.« Sie lächelte aufmunternd. »Die Arbeit mit dem Psychotherapeuten wird Ihnen hoffentlich weiterhelfen. Es gibt Techniken, um Ihrem Erinnerungsvermögen einen Schubs zu geben.« Sollte sich Julia davor scheuen, ihre Täuschung als solche zu offenbaren, lieferte sie ihr damit einen Ausweg. Bereits nach der ersten Sitzung war es möglich, die Vergangenheit wie durch Zauber zurückkehren zu lassen.

»Einen Therapeuten hätte ich mit vierzehn dringend gebraucht«, flüsterte Julia. »Meine Mutter war nicht gerade die liebevollste Person. Und je älter ich wurde, desto fieser war sie zu mir. Ich vermute, sie war eifersüchtig auf mich. Keine Ahnung, warum. Vielleicht weil ich jünger war als sie, oder weil ich immer hübscher...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2022
Reihe/Serie Konstantin Roth ermittelt
Konstantin Roth ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • Andreas Franz • Berlin • Bestechung • Ermittler • Ermittlungen • Gerlinde Friewald • Klinik • Konstantin Roth • Leihmütter • Noir • Privatdetektiv • Terror
ISBN-10 3-8412-2854-2 / 3841228542
ISBN-13 978-3-8412-2854-3 / 9783841228543
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