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Das Buch der Bilder. Studienausgabe (eBook)

Rilke, Rainer Maria - Deutsch-Lektüre, Deutsche Klassiker der Literatur - 14244

(Autor)

Ulrich Hohoff (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
324 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962015-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Buch der Bilder. Studienausgabe -  Rainer Maria Rilke
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Das 'Buch der Bilder', eine der berühmtesten Gedichtsammlungen Rilkes, erfuhr zwei Auflagen: Die erste erschien 1902 und umfasst 45 Gedichte - »nichts Unwichtiges, nichts Unfestliches« finde sich in ihr, so Rilke. Die Neuausgabe von 1906 wurde von ihm um 37 Gedichte ergänzt und in dieser Form immer wieder nachgedruckt - »ein wirklich neues Buch«, wie der Autor befand. Die vorliegende Ausgabe zeichnet die Entstehung der Gedichte und der Buchausgaben minutiös nach, schlüsselt die Texte in einem Kommentar auf und beachtet dabei u. a. die Bildquellen, die Rilke zu seinen Gedichten inspirierten. Ein präziser Blick in die Werkstatt für philologisch Interessierte und ein Fest für alle Rilke-Fans, die sich genauer mit seinem Werk beschäftigen wollen. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Ulrich Hohoff , geb. 1956, ist Leiter der Bibliothek der Universität Augsburg. Für Reclam hat er zuletzt Studienausgaben von E. T. A. Hoffmanns Sandmann und Ausgewählte Märchen der Brüder Grimm herausgegeben.

Ulrich Hohoff , geb. 1956, ist Leiter der Bibliothek der Universität Augsburg. Für Reclam hat er zuletzt Studienausgaben von E. T. A. Hoffmanns Sandmann und Ausgewählte Märchen der Brüder Grimm herausgegeben.

Das Buch der Bilder

Erstausgabe (1902)
Inhaltsverzeichnis
Zweite sehr vermehrte Ausgabe (1906) [mit den Varianten der sechsten Auflage (1917)]
Inhaltsverzeichnis
Gedicht »Sturmnacht«. Erstdruck (1920)

Anhang
Zu dieser Ausgabe
Anmerkungen
Literaturhinweise
Nachwort

[27]

DAS JÜNGSTE GERICHT.
(AUS DEN BLÄTTERN EINES MÖNCHS.)


SIE WERDEN ALLE WIE AUS EINEM BADE

AUS IHREN MÜRBEN GRÜFTEN AUFERSTEHN;

DENN ALLE GLAUBEN AN DAS WIEDERSEHN

UND FURCHTBAR IST IHR GLAUBEN, OHNE GNADE.

SPRICH LEISE, GOTT! ES KÖNNTE EINER MEINEN,

DASS DIE POSAUNE DEINER REICHE RIEF;

UND IHREM TON IST KEINE TIEFE TIEF:

DA STEIGEN ALLE ZEITEN AUS DEN STEINEN,

UND ALLE DIE VERSCHOLLENEN ERSCHEINEN

IN WELKEN LEINEN, BRÜCHIGEN GEBEINEN

UND VON DER SCHWERE IHRER SCHOLLEN SCHIEF.

DAS WIRD EIN WUNDERLICHES WIEDERKEHREN

IN EINE WUNDERLICHE HEIMAT SEIN;

AUCH DIE DICH NIEMALS KANNTEN, WERDEN SCHREIN

UND DEINE GRÖSSE WIE EIN RECHT BEGEHREN:

WIE BROT UND WEIN.

[25] ALLSCHAUENDER, DU KENNST DAS WILDE BILD,

DAS ICH IN MEINEM DUNKEL ZITTERND DICHTE.

DURCH DICH KOMMT ALLES, DENN DU BIST DAS THOR, –

UND ALLES WAR IN DEINEM ANGESICHTE

EH ES IN UNSERM SICH VERLOR.

DU KENNST DAS BILD VOM RIESIGEN GERICHTE :

[28]

EIN MORGEN IST ES, DOCH AUS EINEM LICHTE,

DAS DEINE REIFE LIEBE NIE ERSCHUF,

EIN RAUSCHEN IST ES, NICHT AUS DEINEM RUF,

EIN ZITTERN, NICHT VON GÖTTLICHEM VERZICHTE,

EIN SCHWANKEN, NICHT IN DEINEM GLEICHGEWICHTE.

EIN RASCHELN IST UND EIN ZUSAMMENRAFFEN

IN ALLEN DEN GEBORSTENEN GEBÄUDEN,

EIN SICHENTGELTEN UND EIN SICHVERGEUDEN,

EIN SICHBEGATTEN UND EIN SICHBEGAFFEN,

UND EIN BETASTEN ALLER ALTEN FREUDEN

UND ALLER LÜSTE WELKE WIEDERKEHR.

UND ÜBER KIRCHEN, DIE WIE WUNDEN KLAFFEN,

ZIEHN SCHWARZE VÖGEL, DIE DU NIE ERSCHAFFEN,

IN IRREN ZÜGEN HIN UND HER.

SO RINGEN SIE, DIE LANGE AUSGERUHTEN,

UND PACKEN SICH MIT IHREN NACKTEN ZÄHNEN

UND WERDEN BANGE, WEIL SIE NICHT MEHR BLUTEN,

UND SUCHEN, WO DIE AUGENBECHER GÄHNEN,

MIT KALTEN FINGERN NACH DEN TOTEN THRÄNEN.

UND WERDE[N] MÜDE.WENIGE MINUTEN

NACH IHREM MORGEN BRICHT IHR ABEND EIN.

SIE WERDEN ERNST UND LASSEN SICH ALLEIN

UND SIND BEREIT, IM STURME AUFZUSTEIGEN,

[26] WENN SICH AUF DEINER LIEBE HEITREM WEIN

DIE DUNKLEN TROPFEN DEINES ZORNES ZEIGEN,

UM DEINEM URTHEIL NAH ZU SEIN.

UND DA BEGINNT ES, NACH DEM GROSSEN SCHREIN:

DAS ÜBERGROSSE FÜRCHTERLICHE SCHWEIGEN.

[29]

SIE SITZEN ALLE WIE VOR SCHWARZEN THÜREN

IN EINEM LICHT, DAS SIE, WIE MIT GESCHWÜREN,

MIT VIELEN GRELLEN FLECKEN ÜBERSÄT.

UND WACHSEND WIRD DER ABEND ALT UND SPÄT.

UND NÄCHTE FALLEN DANN IN GROSSEN STÜCKEN

AUF IHRE HÄNDE UND AUF IHREN RÜCKEN,

DER WANKEND SICH MIT SCHWARZER LAST BELÄDT.

SIE WARTEN LANGE.IHRE SCHULTERN SCHWANKEN

UNTER DEM DRUCKE WIE EIN DUNKLES MEER,

SIE SITZEN, WIE VERSUNKEN IN GEDANKEN,

UND SIND DOCH LEER.

WAS STÜTZEN SIE DIE STIRNEN?

IHRE GEHIRNE DENKEN IRGENDWO

TIEF IN DER ERDE, EINGEFALLEN, FALTIG:

DIE GANZE ALTE ERDE DENKT GEWALTIG,

UND IHRE GROSSEN BÄUME RAUSCHEN SO.

ALLSCHAUENDER, GEDENKST DU DIESES BLEICHEN

UND BANGEN BILDES, DAS NICHT SEINESGLEICHEN

UNTER DEN BILDERN DEINES WILLENS HAT?

HAST DU NICHT ANGST VOR DIESER STUMMEN STADT,

DIE AN DIR HANGEND WIE EIN WELKES BLATT,

SICH HEBEN WILL ZU DEINES ZORNES ZEICHEN?

O, GREIFE ALLEN TAGEN IN DIE SPEICHEN,

DASS SIE ZU BALD NICHT DIESEM ENDE NAHEN, –

[27] [30]

VIELLEICHT GELINGT ES DIR NOCH AUSZUWEICHEN

DEM GROSSEN SCHWEIGEN, DAS WIR BEIDE SAHEN.

VIELEICHT KANNST DU NOCH EINEN AUS UNS HEBEN,

DER DIESEM FÜRCHTERLICHEN WIEDERLEBEN

DEN SINN, DIE SEHNSUCHT UND DIE SEELE NIMMT,

EINEN, DER BIS IN SEINEN GRUND ERGRIMMT

UND DENNOCH FROH, DURCH ALLE DINGE SCHWIMMT,

DER KRÄFTE UNBEKÜMMERTER VERBRAUCHER,

DER SICH AUF ALLEN SAITEN GEIGT

UND UNVERSEHRT ALS UNERKANNTER TAUCHER

IN ALLE TODE NIEDERSTEIGT.

. . . . . ODER, WIE HOFFST DU DIESEN TAG ZU TRAGEN,

DER LÄNGER IST ALS ALLER TAGE LÄNGEN,

MIT SEINES SCHWEIGENS SCHRECKLICHEN GESÄNGEN,

WENN DANN DIE ENGEL DICH, WIE LAUTER FRAGEN,

MIT IHREM SCHAUERLICHEN FLÜGELSCHLAGEN

UMDRÄNGEN?

SIEH, WIE SIE ZITTERND IN DEN SCHWINGEN HÄNGEN

UND DIR MIT HUNDERTTAUSEND AUGEN KLAGEN,

UND IHRES SANFTEN LIEDES STIMMEN WAGEN

SICH AUS DEN VIELEN WIRREN ÜBERGÄNGEN

NICHT MEHR ZU HEBEN ZU DEN KLAREN KLÄNGEN.

UND WENN DIE GREISE MIT DEN BREITEN BÄRTEN,

DIE DICH BERIETHEN BEI DEN BESTEN SIEGEN,

NUR LEISE IHRE WEISSEN HÄUPTER WIEGEN,

UND WENN DIE FRAUEN, DIE DEN SOHN DIR NÄHRTEN,

UND DIE VON IHM VERFÜHRTEN, DIE GEFÄHRTEN,

UND ALLE JUNGFRAUN, DIE SICH IHM GEWÄHRTEN:

[28] [31]

DIE LICHTEN BIRKEN DEINER DUNKLEN GÄRTEN, –

WER SOLL DIR HELFEN, WENN SIE ALLE SCHWIEGEN?

UND NUR DEIN SOHN ERHÜBE SICH UNTER DENEN,

WELCHE SITZEN UM DEINEN THRON.

GRÜBE SICH DEINE STIMME DANN IN SEIN HERZ?

SAGTE DEIN EINSAMER SCHMERZ DANN:

SOHN!

SUCHTEST DU DANN DAS ANGESICHT

DESSEN, DER DAS GERICHT GERUFEN,

DEIN GERICHT UND DEINEN THRON:

SOHN!

HIESSEST DU, VATER, DANN DEINEN ERBEN,

LEISE BEGLEITET VON MAGDALENEN,

NIEDERSTEIGEN ZU JENEN,

DIE SICH SEHNEN, WIEDER ZU STERBEN?

DAS WÄRE DEIN LETZTER KÖNIGSERLASS,

DIE LETZTE HULD UND DER LETZTE HASS.

ABER DANN KÄME ALLES ZU RUH:

DER HIMMEL UND DAS GERICHT UND DU.

ALLE GEWÄNDER DES RÄTHSELS DER WELT,

DAS SICH SO LANGE VERSCHLEIERT HÄLT,

FALLEN MIT DIESER SPANGE.

…. DOCH MIR IST BANGE .…

ALLSCHAUENDER, SIEH WIE MIR BANGE IST,

MISS MEINE QUAL!

[29] [32]

MIR IST BANGE, DASS DU SCHON LANGE VERGANGEN BIST.

ALS DU ZUM ERSTENMAL

IN DEINEM ALLESERFASSEN

DAS BILD DIESES BLASSEN

GESICHTES SAHST,

DEM DU DICH HILFLOS NAHST, ALLSCHAUENDER.

BIST DU DAMALS ENTFLOHN?

WOHIN?

VERTRAUENDER

KANN KEINER DIR KOMMEN

ALS ICH,

DER ICH DICH

NICHT UM LOHN

VERRATHEN WILL WIE ALLE DIE FROMMEN.

ICH WILL NUR, WEIL ICH VERBORGEN...

Erscheint lt. Verlag 19.7.2022
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte Deutsch • Deutsch-Unterricht • Deutschunterricht Rainer Maria Rilke • gelb • gelbe bücher • Klassenlektüre • Lektüre • Literatur Klassiker • Rainer Maria Rilke Dinggedicht • Rainer Maria Rilke Impressionismus • Rainer Maria Rilke Studienausgabe mit Kommentar • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Schullektüre • Schullektüre Rainer Maria Rilke • Sekundarstufe Rainer Maria Rilke • Weltliteratur
ISBN-10 3-15-962015-8 / 3159620158
ISBN-13 978-3-15-962015-2 / 9783159620152
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