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Die Glücksmalerin (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
384 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-29136-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Glücksmalerin - Cristina Caboni
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Eine junge Frau auf den Spuren einer außergewöhnlichen Geschichte. Und eine Reise in die Vergangenheit, die sie zu neuem Glück führt ...
Als Stella aus heiterem Himmel ihren Job verliert, beschließt sie, an den Gardasee zu ihrer Großtante Letizia zu fahren, die nach dem Tod ihres Mannes Gesellschaft brauchen kann. Kurz nach ihrer Ankunft entdeckt sie einen Stapel Kinderzeichnungen, von dem eine seltsame Energie auszugehen scheint. Stella, die selbst über ein außergewöhnliches Gespür für Farben verfügt, möchte wissen, was es mit dem mysteriösen Fund auf sich hat. Ihre Nachforschungen führen sie in die Vergangenheit, zurück ins Jahr 1942, in den kleinen Ort Nonantola, wo jüdische Kinder aus ganz Europa in einer Villa Zuflucht fanden. Was Stella nicht ahnt: Ihre Spurensuche bringt nicht nur ihr selbst, sondern auch Letizia das Glück zurück ...

Außerdem von Cristina Caboni lieferbar:

Die Rosenfrauen
Die Honigtöchter
Die Oleanderschwestern
Der Zauber zwischen den Seiten
Die Seidentöchter
Die Gartenvilla
Das Versprechen der Rosenfrauen

Cristina Caboni lebt mit ihrer Familie auf Sardinien, wo sie Bienen und Rosen züchtet. Ihr Debütroman Die Rosenfrauen verzauberte die Leser weltweit und stand in Deutschland wochenlang auf der Bestsellerliste. Ihr zweiter Roman Die Honigtöchter, der auf ihrer Heimatinsel spielt, und Die Oleanderschwestern waren ebenfalls große Erfolge. Der Zauber zwischen den Seiten ist nun Cristina Cabonis viertes Buch, das in der faszinierenden Welt der Bücher spielt.

1


Orange. Die Farbe des Sonnenaufgangs und des Sonnenuntergangs. Symbol für Heiterkeit, Wärme, Lebensfreude und Tatkraft. Die Farbe der Weisheit und des Bewusstseins.

Der kleine Junge hatte schwarze Locken und große Augen, er trug kurze rote Hosen, und seine grüne Jacke hatte schon bessere Tage gesehen.

Suchend blickte er sich im Bahnhof um. Die Nase in die Luft gestreckt, die Arme auf Schulterhöhe ausgebreitet, als wäre er ein Flugzeug.

Stella Marcovaldi erinnerte er an einen Kolibri. Sie hatte schon welche gesehen, damals in Brasilien, als sie ihren Vater besucht hatte. Irisierendes Gefieder in schimmerndem Grün, leuchtend blauviolette Flügel, ein langer schmaler Schnabel.

Die Kolibris hatten ihr gefallen, wie alles, was sie dort gesehen hatte.

Danach hatte sie nach Italien zurückkehren müssen. So war es besser gewesen. Sie schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf den Jungen.

War er tatsächlich allein? Sie wartete eine Weile und sah zu dem verwaisten Eingang. Da war niemand. Sie legte den Zeichenblock auf den Schoß und schaute dem Jungen hinterher. Er bemerkte ihren Blick, lächelte und winkte ihr zu, bis er hinter dem Springbrunnen verschwand.

Plötzlich hörte sie einen Schrei.

Stella lief rasch zu der Stelle, wo sie ihn zuletzt gesehen hatte. Als sie ein Lachen hörte, blieb sie stehen. Der schwarze Lockenkopf tauchte hinter der Begrenzungsmauer zu den Schienen auf.

»Du Spitzbub«, murmelte sie, lächelte erleichtert und ging zur Bank zurück.

Als sie den Zeichenblock wieder aufklappte, ließ sie den Blick umherschweifen. Noch immer raste ihr Herz, der Schreck steckte ihr in allen Gliedern. Um sich zu beruhigen, konzentrierte sie sich einen Moment auf das glänzende rote Leder ihrer heiß geliebten hochhackigen Schuhe, bevor sie den Blick wieder nach oben richtete.

Ein flacher Sonnenstrahl brach sich in den Scheiben des Oberlichts, es sah aus wie ein Prisma, was ihre Aufmerksamkeit weckte.

Während sie das in allen Regenbogenfarben schillernde Licht wie ein Wasserfall umhüllte, seufzte sie zufrieden. Sie streckte den Arm aus, als wolle sie das irisierende Licht berühren.

Wie gerne hätte sie die Essenz dieser Schönheit eingefangen! Wie gerne hätte sie ihr Geheimnis gelüftet und es nachgebildet. Aber stattdessen blieb ihr nur die Bewunderung. Die Finger reglos, die Hand leer.

Ihr Leben war wie das weiße Blatt des Zeichenblocks auf ihrem Schoß.

Ein Windstoß, der ihr durch den weiten Rock fuhr, brachte sie in die Realität zurück. Sie hatte noch Zeit, ihr Anschlusszug würde erst in einer halben Stunde kommen.

Wieder hielt sie Ausschau nach dem Jungen. Er war zu klein, um allein zu bleiben, wo wohl seine Eltern waren? Sie hoffte, sie waren nicht ohne ihn abgefahren. Sie hatte schon von solchen Fällen gelesen: Gestresste Eltern steigen ohne ihr Kind in den Zug. Aber so etwas geschah an großen und stark frequentierten Bahnhöfen; hier gab es gerade mal zwei Bahnsteige, und die Fahrgäste ließen sich an einer Hand abzählen.

Schließlich steckte sie den Block in die Tasche und ging auf den Jungen zu.

»Ciao, ich bin Stella, wie heißt du?«

Er hatte große schwarze Augen und eine Zahnlücke. Er lächelte schüchtern.

»Karim.«

Der Name war das Einzige, was sie aus seinem französischen Wortschwall heraushörte. Sie konnte gerade mal bonjour und merci sagen, bei ihm verstand sie kein Wort.

»Wo sind deine Eltern?«, versuchte sie es noch einmal.

Er deutete auf den Eingang der Bahnhofshalle.

Jenseits der Scheibe sah Stella eine Gruppe Menschen stehen. Vielleicht war Karim ungeduldig geworden und hatte nicht länger warten wollen, vielleicht beobachteten ihn seine Eltern und fragten sich gerade, was die unbekannte Frau von ihm wollte.

»Pass auf die Gleise auf, das ist gefährlich.«

Karim schien zu verstehen und nickte.

Sie setzte sich wieder und schlug den Block auf, doch obwohl sie sich auf das weiße Blatt konzentrierte, hatte sie den Jungen im Blick.

»Er könnte sich verletzen, das ist Ihnen klar?«

Die Stimme war tief und voll. Stella hob den Blick, ein hochgewachsener Mann stand vor ihr.

Der Unbekannte war elegant gekleidet. Er war ganz auf den Jungen konzentriert, als könne er jeden Moment eingreifen, falls es nötig wäre.

»Ich glaube, wichtig ist, gut auf ihn aufzupassen.«

»Das sehe ich anders.«

Sie meinte, in seinem Ton ein gewisses Missfallen zu erkennen. Oder bildete sie sich das nur ein?

Natürlich machte auch sie sich Sorgen, dass er der herannahenden Lokomotive zu nahe kommen könnte.

»Sie sollten etwas tun«, insistierte der Unbekannte.

Stella musterte ihn aufmerksamer. Er hatte kein Gepäck und war an diesem Mittwoch im Oktober wahrscheinlich der einzige Passagier, der außer ihr nach Bardolino fahren würde. Zu ihrem Ziel.

»Was schlagen Sie vor?«

»Es würde schon reichen, wenn er in Ihrer Nähe bliebe.«

Karim hatte aufgehört herumzuflattern und malte jetzt Figuren in die Luft. Stella lächelte in sich hinein. Wenn sie sich doch auch von der Fantasie leiten lassen könnte! Es war so einfach. Man musste nur einen Finger heben, ihn auf das Papier setzen und die Vorstellung lebendig werden lassen. So einfach … jedenfalls auf den ersten Blick. Und nicht für sie, eine Erkenntnis, die sie traurig machte.

»Das geht nicht«, antwortete sie, obwohl sie am liebsten die Hand des Jungen gegriffen und ihn an sich gezogen hätte.

Nein, das durfte sie nicht.

Sie hatte in der Vergangenheit oft genug die Grenzen der gesellschaftlichen Normen überschritten, und die Konsequenzen hatten sie geradewegs in diesen Wartesaal des kleinen Regionalbahnhofs gebracht. Sie hatte alles verloren, ihre Wohnung, ihre Arbeit und die Chance, eine andere zu finden, zumindest in der näheren Umgebung. Aber was ihr am meisten leidtat, war die Tatsache, dass die Enkel von Flaminia Valenti, ihrer alten Arbeitgeberin, ihre Absichten so gründlich missverstanden hatten.

Noch bevor der Mann etwas entgegnen konnte, warf sie einen Blick auf die Uhr und suchte nach ihrem Zug, der soeben eingefahren war. Gerade mal ein Waggon hinter der Lokomotive. Welch ein Unterschied zu den Schnellzügen, mit denen sie früher unterwegs gewesen war. Aber an diesem beschaulichen Ort war ohnehin alles anders.

Das in die Jahre gekommene Bahnhofsgebäude machte trotz allem einen gepflegten Eindruck. Auf den massiven hohen Mauern ruhte eine rot und gelb gestrichene Gewölbedecke. Dazu schmiedeeiserne Leuchten und Tontöpfe mit Geranien, um die sich offensichtlich jemand kümmerte, denn die Blätter waren leuchtend grün, die Blütenknospen kurz vor dem Aufbrechen. Die Fenster mit den dekorativen Holzrahmen zeigten zur Straße. Und es roch gut. Nach Most, wenn sie sich nicht irrte. Stella erinnerte sich an die mit Weinstöcken bewachsenen Hügel, die sie auf der Fahrt hierher gesehen hatte.

»Wissen Sie zufällig, ob es noch andere Züge nach Bardolino gibt?«, fragte sie.

»Das ist der letzte. Der nächste Zug geht erst morgen früh.«

Viel Zeit hatte sie nicht mehr.

»Ist es hier immer so leer?«

»Nein, normalerweise ist hier mehr los, aber wir befinden uns in der Nebensaison.«

Es waren noch ein paar Passagiere gekommen, die auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig warteten, den man durch eine Unterführung erreichen konnte.

Der Unbekannte stand nach wie vor immer neben ihr, die Augen auf Karim gerichtet.

Stella blickte sich um, sie spürte, wie erschöpft sie war. Aber es war nicht allein die beschwerliche Reise, die auf ihr lastete.

Es war etwas tief in ihr drin.

Die Gleise verließen den Bahnhof und verloren sich in der Ferne, reichten bis zum Horizont. Sie wirkten endlos lang, seit Stunden schien hier niemand mehr unterwegs gewesen zu sein. Auf den umliegenden Feldern lag sanfter Nebel. Eine Grenze oder ein Übergang, je nachdem, was man suchte. Einsam stehende Bäume ähnelten schattenhaften Scherenschnitten. Eine monotone Szenerie, als hätte das milchige Grau alle Farben verschluckt. Eine melancholische Landschaft und im scharfen Kontrast dazu der wie aus einem Märchenbuch entsprungene, zauberhafte kleine Bahnhof.

Sein und Schein, dachte sie, eines spiegelte sich im anderen, sie waren sich ähnlich und doch verschieden. Dieser Gedanke bereitete ihr Sorgen, und sie konzentrierte sich auf die Umgebung, um ihn zu verscheuchen.

Sie war das erste Mal hier.

Sonst fuhr sie mit dem Auto zu ihrer Großtante Letizia, aber dieses Mal hatte ihr Besuch einen anderen Hintergrund. Vor einigen Monaten hatte sie den Zeichenblock und eine Fahrkarte geschickt bekommen. Ein merkwürdiges Geschenk ihres Onkels Orlando, Letizias Ehemann, der vor Kurzem gestorben war. Ein Erbe, das sie noch vor seinem Tod erhalten hatte.

Sie hatte sich spontan entschieden und vor ein paar Wochen ihren Citroën verkauft. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Sie strich die Falten des Rockes glatt, atmete tief durch und richtete sich auf. Dann warf sie dem Mann neben sich einen Blick zu.

Ein merkwürdiger Typ, dachte Stella. Einer von denen, die man in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erwartet.

Das war der letzte Zug. Sie lotete ihre Optionen aus, viele waren es nicht. Sie durfte ihn nicht verpassen, aber gleichzeitig machte sie sich Sorgen, den Jungen allein zu lassen.

Das geht dich nichts an.

Wie oft hatte sie sich diesen Satz schon gesagt?...

Erscheint lt. Verlag 20.6.2022
Übersetzer Ingrid Ickler
Sprache deutsch
Original-Titel La Ragazza dei Colori
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • Cristina Campos • Die Gartenvilla • Die Rosenfrauen • eBooks • Frauenromane • Frauenunterhaltung Neuerscheinung 2022 • Gardasee • Italien • italien roman • jüdische Kinder • Liebesroman • Liebesromane • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • Romane für Frauen • Romantik • romantik bücher • Spiegel-Besteller-Autorin • Spiegel-Bestseller-Autorin • Valentina Cebeni • Villa Emma • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-641-29136-4 / 3641291364
ISBN-13 978-3-641-29136-5 / 9783641291365
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