Das Ferienhaus - Und du denkst, du bist sicher (eBook)
496 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-26253-2 (ISBN)
Als Tom Sullivan nachts um zwei ein Fenster zerbrechen hört, werden seine schlimmsten Albträume Wirklichkeit: Jemand ist ins Haus eingedrungen und trachtet ihm und seiner Familie nach dem Leben. Sein Feriendomizil mitten im schottischen Nirgendwo, das eigentlich für ein paar Wochen zu einem beschaulichen Urlaubsort werden sollte, wird zur tödlichen Falle. Ein atemberaubendes Versteckspiel beginnt, während dem sich Tom mehr als einmal fragt, ob er denen, die ihm am nächsten sind, wirklich vertrauen kann. Sogar seine Ehefrau Rachel scheint irgendetwas vor ihm zu verbergen ...
Freuen Sie sich auf noch mehr nervenzerreißende Spannung von C.M. Ewan - sein neuer Thriller »Etage 13« ist ab Frühjahr 23 bei Blanvalet erhältlich!
C. M. Ewan wurde 1976 in Taunton geboren und hat an der Universität von Nottingham Amerikanische und Kanadische Literatur und später Jura studiert. Nach elf Jahren auf der Isle of Man ist er mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Hund nach Somerset zurückgekehrt, wo er sich ganz dem Schreiben widmet. Mit »Das Ferienhaus«, seinem ersten Roman bei Blanvalet, hat er gleich die SPIEGEL-Bestsellerliste erklommen und zahlreiche Fans gewonnen.
1
Autofahren macht mir Angst. Ich werde nervös. Unruhig. Kribbelig vor Schuldgefühlen.
So ist es nicht immer gewesen. Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der ich beim Fahren sorglos Rockklassiker aus dem Autoradio mitgesungen, Rachels Hand gehalten oder als Papas Taxiservice die Kinder in glücklichem Chaos von Indoor-Spielplätzen zu Geburtstagspartys gefahren habe, später dann zum örtlichen Kino oder in die Disco.
Aber die Dinge ändern sich, und heute fühlte unser Volvo sich an wie ein Käfig, angefüllt mit meinen schlimmsten Gedanken und Ängsten. Gedanken an Michael. An Rachel und Holly. An das, was uns in London passiert war, und an das, was vor uns lag.
Die Scheibenwischer sausten im Nieselregen von einer Seite auf die andere. Schottland war urwüchsig und verschwommen. Die einzigen Geräusche waren das Surren des Motors und das Zischen der Reifen auf dem nassen Asphalt. Die Stille kroch aus den Belüftungsschlitzen wie Giftgas.
Ich packte das Lenkrad fester und warf im Rückspiegel einen Blick auf Holly – meine dreizehnjährige Tochter. Eine glühend heiße Nadel durchstach mein Herz. Vier Tage war der Überfall nun her, und Holly sah immer noch aus, als wäre ihr eine Handgranate im Gesicht explodiert.
Die Nase war geschwollen und verfärbt, die Nasenwurzel ein einziger Bluterguss unter den weißen Pflastern, die kreuzweise darüberklebten, um die Nasenlöcher gab es Ränder aus getrocknetem Blut. Die geschwollene Haut unter den Augen war von einem tiefen Dunkelrot, das an den Seiten in ein gelbliches Stachelbeergrün überging.
Holly hielt meinem Blick mit leblosen Augen stand – vermutlich versuchte sie mich zu beruhigen –, und wirklich, etwas in mir zerriss und löste sich.
Meine Tochter geht zweimal die Woche zum Turnen. Samstagmorgens spielt sie Hockey. Wie sie über ein Kunstrasenfeld sprintet, erinnert sie an eine Kriegerprinzessin mit dem festen Entschluss, ihren Erzfeind zu skalpieren. Ich habe sie immer für furchtlos gehalten, aber jetzt saß sie da, starrte zu mir zurück und versuchte stark zu wirken, wo sie doch ganz offensichtlich verletzt und aufgewühlt war.
Meine Kehle brannte. Es schmerzte mich, Holly so zu sehen, aber am schlimmsten war, dass sie versuchte, ein tapferes Lächeln aufzusetzen, und dann sofort vor Schmerzen zusammenzuckte.
Ich musste an die Ereignisse in der Gasse zurückdenken.
Hollys gebrochener Schrei. Der Mann im Hoodie, der zuschlug. Holly, die rückwärtsfiel, während ich wusste, dass ich nicht rechtzeitig bei ihr sein könnte.
Meine Lunge verkrampfte sich. Meine Augen fühlten sich heiß an, und ich rieb darüber. Meine Hände ballten sich um das Lenkrad zu Fäusten. Bei allem, was ich über Vaterschaft weiß (nicht viel) und nicht weiß (eine ganze Menge), kann ich eins mit Sicherheit sagen: Nichts ist schlimmer, als mitanzusehen, wie das eigene Kind in Gefahr gerät. Ich konnte nicht wissen, ob Holly das Trauma jemals ganz würde überwinden können, aber ich wusste bereits jetzt, dass ich selbst es nie mehr vergessen würde.
Neben mir saß Rachel und starrte abwesend nach vorn. Sie musste meinen Blick wohl auf sich ruhen gespürt haben, denn sie wandte sich mit einem vage angedeuteten Lächeln zu mir um.
Meine Frau ist schön. Wird es immer sein. Allerdings hatte sie im Lauf der letzten acht Monate zu viel an Gewicht verloren. Hier und jetzt, im trostlosen Licht des frühen Nachmittags, wirkte sie blass und ausgelaugt, ihr normalerweise üppiges braunes Haar hing schlaff und ungekämmt herab. Ich hätte mir selbst etwas vormachen und mir sagen können, dass das wegen des frühen Aufbruchs um sechs Uhr so war oder aufgrund der mehrstündigen Fahrt am Vortag, aber ich wusste, dass es um wesentlich mehr ging.
»Hast du was gesagt?«, fragte sie mich.
»Nein. Ich seh dich nur an.«
In der Vergangenheit hätte Rachel vielleicht mitgespielt, zurückgeflirtet, doch jetzt unterstrich ihr brüchiges Lächeln nur, wie schmal und hager ihr Gesicht geworden war. »Du hast dich schon immer leicht ablenken lassen.«
»Ist doch schön, wenn das, wovon ich mich ablenken lasse, das Ablenkenlassen auch wert ist.«
»Tom.« Sie schüttelte den Kopf und seufzte. »Mach das nicht, okay?«
»Zu viel?«
Sie wies mit dem Kinn auf die Welt außerhalb der Windschutzscheibe. »Ich mag dieses Wetter einfach nicht besonders.«
»Anfang Juni in den Highlands. Ich habe trotzdem meine Sonnencreme eingepackt.«
Okay, ich bemühte mich also zu sehr, und wir beide wussten es. Aber ich musste es einfach tun. So wie sich die Dinge zwischen uns in letzter Zeit entwickelt hatten, war das allemal besser, als es gar nicht mehr zu versuchen.
»Soll ich ein Stück fahren?«, fragte Rachel. »Bist du müde?«
Rachel weiß, dass ich nicht gern fahre. Und ich weiß, dass es ihr nicht anders geht. Es bedeutete mir also viel, dass sie es mir anbot, auch wenn ich ihre Erleichterung bemerkte, als ich den Kopf schüttelte.
Doch ja, ich war müde. Müde, mir immer wieder Fragen zu stellen, die ich nicht beantworten konnte. Müde, mich zum hundertsten Mal zu fragen, was Rachel wohl gerade dachte und ob es ein Fehler gewesen war, die ganze Strecke hierherzukommen.
»Sollen wir eine Pause machen?« Meine Frau war früher einmal die Entschlossene von uns beiden gewesen. Oder – um es ein bisschen schnoddriger auszudrücken – sie hatte in unserer Ehe die Hosen angehabt. Das war für mich immer okay gewesen. Inzwischen konnte ich allerdings nicht anders, als zu bemerken, wie viele ihrer Äußerungen in Frageform daherkamen oder wie oft sie die Entscheidung mir oder Holly überließ. »Holly, was denkst du?«
»Mum, mir geht’s gut. Wirklich.«
»Bist du sicher? Ich kann dir noch mehr Codein geben.«
»Vielleicht wenn wir ankommen. Im Moment geht es noch.«
Rachel war sichtlich nicht überzeugt und blickte in den wirbelnden Nieselregen hinaus. Sie legte sich einen Finger an den Hals und fuhr sich in kreisförmigen Bewegungen über die Haut.
Noch ein Flashback zu den Geschehnissen in der Gasse.
Der Mann mit der Kapuze zerrte brutal an Rachels Haar. Die Messerklinge an ihrem Hals. Und dieser hilflose Blick, den Rachel mir zugeworfen hatte. Flehend. Verängstigt. Orientierungslos.
Der Schweiß brach mir aus und lief mir heiß über Schultern und Rücken. Meine Hände wären beinahe vom Lenkrad abgerutscht, und nicht zum ersten Mal verspürte ich den Wunsch, ich hätte die Fähigkeit, verstörende Bilder aus meinem Geist zu verbannen.
Ein Straßenschild wischte an uns vorüber. Unsere Ausfahrt zu der namenlosen Straße, die zum Loch Lurgainn führte, würde bald kommen. Ich setzte den Blinker und bog ab. Das Navi sagte eine Fahrtzeit von neununddreißig Minuten bis zu unserem Ziel an der schottischen Westküste voraus.
Ich lockerte die Schultern und ließ den Nacken knacken. Normalerweise hasst Rachel es, wenn ich das tue, aber heute sagte sie nichts dazu, und das Schweigen zwischen uns drückte von innen gegen die Autoscheiben wie ein sich ausdehnendes Gas. Ich fühlte einen Schmerz, als ich darüber nachdachte, sie mit den Worten zu trösten, die sie hören musste. Aber es war schon lange her, dass ich gewusst hatte, wie diese Worte lauteten. Wochenlang hatte Rachel mir gesagt, dass wir reden müssten, hatte mich gedrängt, mir die Zeit zu nehmen. Ich war ihr ausgewichen, denn ich fühlte mich zu schwach und hatte zu viel Angst, mir anzuhören, was sie zu sagen hatte. Und jetzt war es vielleicht zu spät.
Hinter uns zog Holly ihren Sicherheitsgurt etwas weiter heraus und lehnte sich seitwärts, um den Kopf an Buster, unseren dunklen Labrador, zu schmiegen. Buster ist groß und lieb, mit einem dicken, dichten Fell und braunen Kulleraugen, denen man unmöglich widerstehen kann. Wir haben ihn aus dem Tierheim geholt, als die Kinder noch klein waren, und manchmal benimmt er sich immer noch so, als hätte er Angst, dass wir ihn dorthin zurückschicken. Vielleicht ist er deshalb der loyalste Hund, den ich je kennengelernt habe.
Ein weißer Kastenwagen rauschte an uns vorbei, und Spritzwasser landete auf unserer Windschutzscheibe. In der Ferne ragten zackige Gipfel in den dunklen Himmel, als gehörten sie zu irgendeiner apokalyptischen Landschaft. Wir fuhren an braunen und grünen Feldern vorbei, auf denen Schafe standen, an breiten bewaldeten Streifen und an küstennahen Lochs.
Ich wollte gerade die Hand nach dem Radio ausstrecken – mit irgendetwas musste ich die Stille überbrücken –, als die Lautsprecher summten und knisterten und mein Handy über das Freihandsystem zu zirpen begann. Eine unbekannte Nummer wurde angezeigt.
Ich drückte auf einen Knopf am Lenkrad und wartete.
»Mr. Sullivan? Constable Baker. Ich wollte Sie bezüglich ein paar neuer Entwicklungen auf dem Laufenden halten.«
Mein Herz machte einen Satz, und ich tauschte einen besorgten Blick mit Rachel. Sollten wir das wirklich über Lautsprecher besprechen?
»Ist schon okay, Dad.« Holly setzte sich auf und lehnte sich zwischen unseren Sitzen nach vorn. »Ich sage euch doch schon die ganze Zeit, dass es mir gut geht.«
Rachel zuckte mit den Schultern und neigte den Kopf, als wüsste sie auch nicht, was das Beste wäre, sei aber der Meinung, dass Holly mithören solle.
Ich wartete. Der Volvo schnurrte weiter voran. Schließlich räusperte ich mich. »Haben Sie den Mann gefunden, der uns überfallen hat?«
»Noch nicht. Wir hatten aber Glück mit den Überwachungskameras. Wir haben...
Erscheint lt. Verlag | 1.4.2022 |
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Übersetzer | Bernd Stratthaus |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | A Window Breaks |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2022 • abgelegener Ort • Abgeschiedenheit • Bestseller im Taschenbuch • Das Chalet • eBooks • Einbrecher • Einbruch • Familie • Ferien • Geheimnisse • Home Invasion • Jetzt als Taschenbuch • Julie Clark • locked room • Lucy Foley • Lüge • Megan Miranda • Nervenkitzel • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • Neuerscheinungen Taschenbuch 2023 • Neuerscheinung Thriller 2022 • Pageturner • psychologische Spannung • Psychothriller • Resort Horror • ruth ware • Schottland • spiegel bestseller • Spiegel Bestseller Autor • Thriller • Verfolgungsjagd |
ISBN-10 | 3-641-26253-4 / 3641262534 |
ISBN-13 | 978-3-641-26253-2 / 9783641262532 |
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