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Kleider machen Liebe (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
289 Seiten
MORE by Aufbau Digital (Verlag)
978-3-96797-064-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kleider machen Liebe - Petra Haghjou
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Wenig lukrative Aufträge und ein überzogenes Bankkonto - Modedesignerin Paulines Leben hat Verbesserungspotential. Und prompt erhält sie den Zuschlag, ein Berliner Hotel auszustatten. Als sie nach Hamburg fährt, um ihren Onkel nebst Gattin auf einem Kreuzfahrtschiff abzugeben, kommt es zu einem Verkehrsunfall mit einem schicken Sportwagen. Dumm, dass sich bei der Hoteleröffnung herausstellt, dass der Fahrer des Sportwagens der Architekt des Hotels und bester Freund des attraktiven Hotelbesitzers ist. Und dann ist da auch noch ihr Ex-Freund mit seiner neuen Flamme, die das Marketing des Hotels leitet. Als alle zusammen zu einem neuen Hotelprojekt nach Südfrankreich reisen, ist das Gefühlschaos perfekt ...



Petra Haghjou studierte Geschichte und Sprachen, doch ihr Herz schlug schon immer für die Welt der Bücher. In Ihrer Freizeit schreibt sie gerne Kurzgeschichten und Krimis. 'Kleider machen Liebe' ist ihr Debütroman. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Süddeutschland.

1


Alles begann am 10. September. An diesem Tag fegte ein früher Herbststurm über Norddeutschland hinweg und vertrieb mit aller Macht den warmen Spätsommer.

»Ich werde todsicher seekrank werden«, sagte Onkel Quirin, der heute keine Gelegenheit ausließ, um über seine stürmische Segeltour letztes Jahr auf der Ostsee zu klagen. Ein schlechtes Omen für die Kreuzfahrt, die ihm bevorstand.

Ich blinzelte zu den bleigrauen Wolkenbergen hoch, die über dem Hamburger Cruise Center brodelten wie vormittags die Autoabgase im Berliner Stadtring. Seit unserer Abfahrt aus Charlottenburg grollte Onkel Quirin gegen den Sturm und gegen den unbekannten Meteorologen, der das Tief aus Russland ausgerechnet nach dem Vornamen Tante Merets benannt hatte.

»Die Vorhersage meldet für diese Woche ein Atlantikhoch«, machte ich den Versuch, die Reisestimmung zu heben. »Kommt von den Azoren und sorgt für stabiles Wetter.«

Ich klang wie die Meteorologen im Fernsehen, wenn sie vor der Tagesschau die Wetterlage erklärten.

Im Grunde haderte Onkel Quirin jedoch nicht mit dem Wetter, sondern mit seinen fünfzig Lebensjahren. Vor drei Wochen hatte Tante Meret ihrem Mann zum runden Geburtstag die Kreuzfahrt geschenkt. Natürlich von seinem Geld und mit sich selbst als Begleitung. England, Frankreich, die Beneluxstaaten in zehn Tagen auf einem Fünf-Sterne-Kreuzfahrtschiff, Abfahrt Hamburger Hafen.

Onkel Quirin fühlte sich zu jung für eine Kreuzfahrt, stand er doch als Anwalt auf dem Zenit seines Berufslebens und seines Jahreseinkommens. Auf einem Kreuzfahrtschiff tummelten sich bloß Menschen mit einem Durchschnittsalter weit darüber.

Insgeheim schlug ich mich auf Onkel Quirins Seite. Nicht so sehr wegen der vielen ergrauten Paare, die sich mittlerweile im Cruise Center drängelten wie Heringsschwärme. Es lag an meiner Abneigung gegen alles, was mit Wasser zu tun hatte – genauer gesagt, an meinen mangelnden Schwimmkünsten. Und jetzt baute sich in nächster Nähe ein mehrstöckiges schwimmendes Hotel vor meiner Nase auf. Es war so hoch, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um das Deck zu erkennen. Ich kam mir wie im Film Titanic vor. Aber eben nur fast. Denn die Reisenden um uns herum hatten bei Weitem nicht das mondäne Auftreten der Menschen aus der Belle Époque.

»Wie im Film, nicht wahr, Pauline?«, hauchte Tante Meret neben mir bewundernd.

Mir wurde allein von dem Anblick schwindelig, und ich war froh, gleich wieder nach Berlin zurückfahren zu können. Schließlich hatte ich meine Erfahrungen mit dem nassen Element gemacht, und keine davon war gut ausgegangen. Meine Eltern hatten mich ins Freibad geschleppt, mir Schwimmflügelchen aufgepustet und gedacht, dass ich wie jedes andere Vorschulkind fröhlich im Wasser planschen würde. Weit gefehlt: Mein Geschrei war noch lange zu hören. Meine Eltern verzogen sich in den äußersten Winkel der Grünanlage, nur weg vom Schwimmbecken. Und ich ging weder für frisch gebackenen Apfelkuchen noch unter Androhung von Hausarrest wieder ins Freibad. Auch die vielen gleichaltrigen Cousins in unserer Verwandtschaft, mit denen ich viel Zeit verbrachte, wussten: Mit Pauline war nicht zu spaßen, sollte sie sich einem Schwimmbecken oder einem der Berliner Seen nähern.

Während Tante Meret kaum ihre Ungeduld zügeln konnte, auf die unruhige Nordsee des Hamburger Hafens hinauszugleiten, hörte ich hinter mir ein herzzerreißendes Jaulen.

»Passen Sie, Herrgott noch mal, auf, wohin Sie treten«, schimpfte Onkel Quirin in gebückter Haltung und rettete Napoleon, Tante Merets Terrier, in die sichere Zuflucht zwischen seinen Beinen.

»Es tut mir leid! Ich habe Ihren Hund nicht gesehen.«

Mein erster Gedanke war: Die elegante Frau vor uns würde perfekt in die noble Welt der alten Ozeanriesen passen. Alterslos, schlank und mit tadellos hochgesteckten Haaren erinnerte sie mich an Filmstars aus vergangenen Zeiten. Ich bemerkte sofort den edlen Stoff ihres Kostüms.

»Gibt es ein Problem, Mutter?«

Der Riese, der sich hinter der eleganten Dame aufbaute, konnte doch nicht ihr Sohn sein! In zerknittertem Parka und mit einem Dreitagebart sah er wie einer der übermüdeten Reporter aus, die aus einem Überschwemmungsgebiet in Südostasien berichteten, in dem es seit einer Woche kaum fließendes Wasser gab.

Und dann geschah das Unvermeidliche: Napoleon stellte sein Jaulen ein, quetschte sich zwischen Onkel Quirins Beinen hervor und begann hingebungsvoll an der schlanken Fessel der Dame zu schnuppern. Ihm gefiel wohl, was er roch. Wieder quietschfidel sprang er mit seinen Pfötchen an ihrem Bein hoch. Der Strumpf zerriss und hinterließ ein hässliches Loch mit rasant wachsenden Laufmaschen. Fünf Augenpaare starrten entgeistert zu dem Bein hinunter, das nur noch ein Fetzen Nylon bedeckte.

»Napoleon! Du sollst doch Fremde in Ruhe lassen.«

Das war Tante Meret. Sie lächelte mitleidig in die Runde und guckte sofort wieder Richtung Schiff, als könnte es aus Versehen ohne sie abfahren.

»Verdammt! Sie haben meinen Hund vollkommen verrückt gemacht«, wetterte Onkel Quirin und blitzte die Dame feindselig an.

»Aber ich bitte Sie: Das Ganze ist bestimmt nicht so schlimm«, erwiderte diese.

»Was heißt hier nicht so schlimm? Müsste ich jetzt nicht verreisen, würde ich meinen Hund nach Ihrer Attacke vom Tierarzt untersuchen lassen.«

In diesem Moment sprach der Anwalt aus Onkel Quirin. Angriff ist die beste Verteidigung und allemal besser, als von der Gegenseite für einen kaputten Strumpf verantwortlich gemacht zu werden.

»Das ist doch albern«, brummelte der Mann mit dem Dreitagebart.

Onkel Quirin streckte das Kinn nach vorne und schaute angriffslustig drein. Als könnte er damit seinen Widerwillen gegen den Geburtstag, die teure Kreuzfahrt und das Sturmtief ausgleichen.

Ich blickte voller Sensationslust auf die beiden Männer, als lautes Hupen Onkel Quirins nächste verbale Attacke stoppte. Das gewaltige Schiffshorn des Kreuzfahrtriesen forderte zum Einschiffen auf.

Stolz wie ein schottischer Clanführer im aussichtslosen Kampf gegen die Engländer blies Onkel Quirin zum Rückzug. Er hob Napoleon auf und drückte ihn mir in die Arme. »Passt gut auf euch auf, während wir weg sind.« Er musterte mich irgendwie wie damals, als ich zehn war und auf den Baum in seinem Garten klettern wollte. »Und fahr vorsichtig zurück, Pauline. Du bist vorher nie mit einem Automatikwagen gefahren. Und heutzutage benehmen sich die Leute wie die Wilden. Du musst immer auf die Fehler der anderen achten.«

Ein Seitenblick auf die Frau mit dem zerrissenen Strumpf unterstrich seine letzten Sätze. Und waren in meinem Fall berechtigt, hatte ich doch den Führerschein erst beim dritten Anlauf geschafft und vor Kurzem meinen geliebten alten Kleinwagen zu Schrott gefahren. Ich kam nicht einmal in die tröstliche Lage, jemandem die Schuld geben zu können – außer dem Müllcontainer im toten Winkel hinter mir. Der Aufprall hatte meinem zwanzig Jahre würdevoll gealterten Kleinwagen den Todesstoß versetzt.

»Komm endlich, Quirin. Ich will an Bord.« Ungeduldig wedelte Tante Meret mit der Hand.

Hinter uns beruhigte die elegante Dame ihren Sohn: »Es ist alles in Ordnung, Dominik. Du kannst unbesorgt nach Hause fahren.«

Ich umarmte Onkel Quirin und Tante Meret, wartete, bis sie im Bauch des Schiffes verschwanden, und ging zurück zum Parkplatz.

Für die nächsten zehn Tage würde ich in Onkel Quirins schmucker Jugendstilvilla wohnen. Selbstlos hatte ich angeboten, auf Haus und Hund aufzupassen, während mich in meiner Wohnung lediglich die zurückgelassene Leere von Michael erwartete. Wenn ich meinem Spiegelbild glauben durfte, war ich durchaus attraktiv. Aber eine Frau, deren Beziehung nach vier Jahren Zusammenleben einseitig beendet wurde, bekam automatisch Minderwertigkeitsgefühle. Linda hieß meine Nachfolgerin und hatte goldglänzende, akkurat geglättete Haare. Meine waren dunkelbraun und hatten ihr lockiges Eigenleben. Linda hatte einen aufstrebenden Job in einer Werbefirma, ich zwar die künstlerisch klingende Berufsbezeichnung Master Designerin, jedoch augenblicklich ohne Aussicht auf ein beständiges und lukratives Einkommen. Linda hatte gut aussehende und gut situierte Freunde, ich kannte ein wildes Potpourri aus Exzentrikern. Kurz gesagt: Linda hat mir so einiges von meinem Selbstvertrauen geraubt.

Eine Weile hatte ich mich mit der Erklärung getröstet, dass Michael mit Mitte dreißig möglicherweise in seiner ersten Lebenskrise steckte. Linda war vierundzwanzig Jahre jung. Dafür konnte ich sie nun wirklich nicht verantwortlich machen – allein Michael, weil er sich eine Jüngere gesucht hatte. Ich war ein klitzekleines bisschen älter als Linda. Nächsten April würde ich einunddreißig. Und das ist entscheidend anders als letztes Jahr. Mit dreißig kann man sich einreden, dass man soeben noch neunundzwanzig war. Mit einunddreißig liegt das vorige Lebensjahrzehnt endgültig hinter einem, und es geht rasant auf die nächste Zahl zu.

Und mit dieser unattraktiven biologischen Zukunft vor Augen tat sich gerade auch eine tiefe Flaute in meiner Karriere und in meinen Finanzen auf. Finanzen war ein übertriebenes Wort mit knapp 1300 Euro auf dem Girokonto und einem peinlich kleinen Aktienpaket bei der Sparkasse. Mein Notgroschen, sollte in der nächsten Zeit niemand meine Designerdienste buchen.

Ich bezahlte das Parkticket mit dem Hunderteuroschein, den Onkel Quirin mir in die Hand gedrückt hatte – »Ich weiß, dass du...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Affäre • Chaos • Freundinnen • Hamburg • Humor • Kerstin Gier • Kreuzfahrt • Liebe • Liebesgeschichte • Midlifecrisis • Mütter-Mafia • Petra Hülsmann • Sophie Kinsella • Susan Mallory
ISBN-10 3-96797-064-7 / 3967970647
ISBN-13 978-3-96797-064-7 / 9783967970647
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