»Das Buch des Jahres stammt von einem alten, weißen Mann. ... Sein Tagebuch, Ein alter Mann wird älter, ist geradezu ein Standardwerk über das Altsein, man könnte auch sagen: über den Versuch, im Alter nicht 'zu veralten' ... Ein Endspiel, aber eines, das im Gegensatz zu Beckett, ins Positive gewendet ist, ins Würdevolle, sogar manchmal wundervoll Heitere. Oder Surreale..« Moritz Rinke, TagesspiegelGünther Rühle bekennt in seinen Tagebüchern, dass er es bisher trotz aller tätigen Reflexion am Theater versäumt habe, über sich selbst zu reflektieren. Vielmehr habe er »neunzig Jahre gebraucht, bis ich ein Verhältnis zu mir selbst bekam«.Rühle, der vor dem Verlust des Augenlichts sich für sich nur in Arbeitszusammenhängen interessiert hat, horcht nun in sich hinein und erlebt die merkwürdigsten Dinge. Er hört Stimmen, die von innen kommen und ihn auffordern: »Tu endlich, was du im ganzen Leben verweigert hast! Denk für dich nach.« Das Für meint wohl auch, dass er über sich endlich nachzudenken habe. Aber da spricht es wieder in ihm: »Das ist die Angst vor dir selbst.« Ein Satz, den er wie ein Orakel wahrnimmt:»In diesen Tagebucheinträgen gebe ich zum ersten Mal was von mir preis. Ich formuliere zum ersten Mal was von innen drin, das ich selbst nicht kannte, vielleicht auch nicht wissen wollte. Ich habe mich immer nur erforscht in und durch Arbeit. Sie ist mir entzogen. Jetzt horche ich in mich, die Richtung ist umgekehrt. Natürlich quält mich jetzt selbst diese Verlassenheit, diese Einsamkeit mit ihren Stößen von Unmut, Zorn und Widerwillen, in denen ich auch meinen Vater und die Mutter zurückließ, als ich ins eigene Leben aufbrach. Als mich meine Familie forderte, was ich versäumte im eigenen Vielerlei. Ist jetzt die Stunde der Abrechnung mit sich selbst. Sucht man vor der Fahrt in die Grube nach einem guten Gewissen?«»Was für ein Bild: der erblindende Kritiker, der allein in seinem Haus Bildern und Stationen aus seinem Leben nachgeht, während er in die Capricen seines alternden Körpers hineinlauscht, als werde da ein unbekanntes Stück aufgeführt ... eine fragmentarische Biografie zwischen Traum und Gedächtnis.« Esther Slevogt, nachtkritik»Am Rand des Lebens angekommen, 'stillgelegt' und 'veraltert', beginnt der Journalist und Theaterhistoriker auf sein Leben zurückzuschauen. 'Sich selbst auf die Spur zu kommen', wie er es nennt. Nicht melancholisch, nicht lamentierend, sondern anekdotenreich und pointensicher.« Simon Strauß, FAZ»Dieser Band ist in seiner Eindringlichkeit eine 'Existenzpartitur' ... Rühle beschreibt das Lebensgefühl der Älteren so unmittelbar und berührend, dass beim Lesen theatrale Bilder entstehen. Dabei gelingt es ihm die Selbsterkundung immer auch zur Erkundung der Zeitläufte zu machen.« Thorsten Jantschek, Deutschlandfunk Kultur»'Ein alter Mann wird älter' enthält spontane Einwürfe, wütende Schreie, knappe, flüchtige, liebevolle Erinnerung...Welch ein Glück ist dem Menschen geschenkt, der am Ende eines langen, schöpferischen Lebens immer noch das findet, was er seit seinen Jugendtagen gesucht hat: Erkenntnis.« Wilhelm v. Sterburg, Frankfurter Rundschau»Ein zutiefst anrührendes Alterszeugnis.« Ute Büsing, rbb Inforadio»Auch diese letzte und vielleicht höchste seiner Aufgaben geht der Mann wie alles in seinem Leben mit heller Tapferkeit und ohne Scheu vor Mühen an, diesmal auch ohne Scheu vor Erinnerungen und Emotionen« Ulrich Seidler, Berliner Zeitung
Günther Rühle, einer der angesehensten deutschen Theaterkritiker und Theaterschriftsteller, wurde 1924 in Gießen geboren. Er war von 1960 bis 1985 Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seit 1974 auch dessen Leiter. 1985–1990 war er Intendant des Schauspiel Frankfurt und danach Berater der Herausgeber des Tagesspiegel in Berlin. Er edierte u. a. die Werke von Marieluise Fleißer und von Alfred Kerr, entdeckte dessen »Berliner Briefe«. Seine großen Dokumentationen »Theater für die Republik. 1917–1933« und »Zeit und Theater 1913–1945«, dann seine zusammenfassende Darstellung »Theater in Deutschland. 1887–1945« wurden grundlegend für Erforschung und Nacherleben des Theaters jener Zeit. Günther Rühle ist Ehrenpräsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, war Präsident der Alfred Kerr Stiftung und ist heute deren Ehrenpräsident. Er wurde ausgezeichnet mit dem Theodor-Wolff-Preis (1962), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis (2007), dem Hermann-Sinsheimer-Preis (2009), dem Binding-Kulturpreis (2010) und der Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medaille (2013).
Günther Rühle verstarb am 10.12.2021 in Bad Soden.
Gerhard Ahrens, geboren 1944, war nach dem Studium an der FU Berlin bei Peter Szondi und an der Université Paris 8 Vincennes-Saint-Denis als Kurator für moderne Kunst an der Kestner Gesellschaft Hannover, dann in der Künstlerischen Leitung am Schauspiel Frank- furt, Schiller Theater Berlin und bis 2000 an der Berliner Schaubühne tätig. Seit 1993 daneben auch als künstlerischer Berater für das Kunstfest Weimar, die Stiftung Schloss Neuhardenberg und die Movimentos Festwochen in Wolfsburg. Zahlreiche Übersetzungen und Publikationen über Theater und Bildende Kunst. Er lebt in Berlin.
Erscheinungsdatum |
20.09.2021
|
Illustrationen |
Jakob Mattner, Jonas Englert |
Nachwort |
Gerhard Ahrens |
Verlagsort |
Berlin |
Sprache |
deutsch |
Maße |
135 x 200 mm |
Gewicht |
360 g |
Themenwelt
|
Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Literatur ► Briefe / Tagebücher |
Schlagworte |
Alfred Kerr • Alter • Altern • Alterseinsamkeit • Berlin nach der Wende • Bernhardt Minetti • Claus Peymann • Der Tagesspiegel • Einar Schleef • Erblinden • FAZ • Feuilleton • Frankfurt am Main • Frankfurter Allgemeine Zeitung • Intendanz • Kunst • Marcel Reich-Ranicki • Memoiren • Nachkriegszeit • Nazizeit • NS Zeit • Sterben • Tagebuch • Theater • Theaterkritik • Tod • Westdeutschland |
ISBN-10 |
3-89581-576-4 / 3895815764 |
ISBN-13 |
978-3-89581-576-8 / 9783895815768 |
Zustand |
Neuware |