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Die Geschichte der Familie Boysen (2in1-Bundle) (eBook)

Wintergäste - Glücksreisende

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
752 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43996-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Geschichte der Familie Boysen (2in1-Bundle) -  Sybil Volks
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Zwei Familiensgeschichten zum Vorteilspreis! Diese zeitlich begrenzte Ausgabe enthält folgende Einzeltitel: Wintergäste, Glücksreisende Wintergäste Wie viel Nähe verträgt eine Familie? »All das Kommen und Gehen in unserer Familie begann mit einem angekündigten Tod und einem unangekündigten Sturm. Mond und Flut, Schnee und Sturm, Brüder und Schwestern, Geliebte und ungeborene Kinder trafen ohne Vorwarnung aufeinander. Über Nacht verwandelte sich unser Haus in eine Insel im Eismeer und unsere nichts ahnende Sippe in eine Gemeinschaft Schiffbrüchiger.« Die Nachricht von Inge Boysens Tod war ein Fehlalarm. Doch da haben sich Kinder und Kindeskinder bereits in dem kleinen Haus hinter dem Deich versammelt. Kurz vor dem Jahreswechsel schneidet ein Schneesturm Haus Tide und seine Bewohner von der Außenwelt ab. Während draußen die Welt vereist, kochen im Innern alte Feindseligkeiten und neue Sehnsüchte hoch. Drei Generationen in einem eingeschneiten Inselhaus - in wenigen Tagen entfaltet sich zwischen ihnen das Leben in seiner ganzen Tragik, Komik und Magie. Glücksreisende Können Menschen ihr Glück machen? Oder fällt es ihnen zu wie die Sterne in diesem Kometensommer? Ausgerechnet zum großen Fest in Haus Tide - Inge Boysen wird 80, ihre Enkelin 18 - hat sich Komet »Fortune« über der Nordseeinsel angekündigt. Eine ungewöhnliche Festgesellschaft versammelt sich im alten Haus hinter dem Deich: Familie Boysen, geladene und ungeladene Gäste, Glücksritter, Spinner und Sternengucker. Die einen hoffen, »Fortune« verheiße Fülle und Freuden, andere sehen den Weltuntergang nahen, Inge stellt für alle Fälle Champagner kalt. Das Himmelsereignis setzt eine Reise in Gang: Inge, ihre Kinder und Kindeskinder, Nachbarn, Postbote, Astronom und Vogelwartin - sie alle machen sich auf, ihr Glück zu suchen, zu finden und notfalls zu erfinden. Und Sohn Boy, der mit einer waghalsigen Wette das Elternhaus gerettet hat, muss erleben, wie schnell das Blatt sich wieder wendet - für ihn, Haus Tide und die ganze Familie.

Sybil Volks lebt als Autorin in Berlin. Sie hat mehrere Romane sowie Erzählungen und Gedichte veröffentlicht. Der historische Berlin-Krimi >Café Größenwahn< war nominiert für den Glauser-Preis als bestes Krimidebüt. Ihr hochgelobter Roman >Torstraße 1< erzählt von zwei Familien und einem geschichtsträchtigen Gebäude im Herzen Berlins. 2015 erschien der Roman >Wintergäste< um drei Generationen in einem eingeschneiten Inselhaus, der ein Bestseller wurde. In ihrem vierten Roman >Die Glücksreisenden< gibt es ein Wiedersehen mit Haus Tide und den Boysens aus >Wintergäste<.

Sybil Volks lebt als Autorin in Berlin. Sie hat mehrere Romane sowie Erzählungen und Gedichte veröffentlicht. Der historische Berlin-Krimi ›Café Größenwahn‹ war nominiert für den Glauser-Preis als bestes Krimidebüt. Ihr hochgelobter Roman ›Torstraße 1‹ erzählt von zwei Familien und einem geschichtsträchtigen Gebäude im Herzen Berlins. 2015 erschien der Roman ›Wintergäste‹ um drei Generationen in einem eingeschneiten Inselhaus, der ein Bestseller wurde. In ihrem vierten Roman ›Die Glücksreisenden‹ gibt es ein Wiedersehen mit Haus Tide und den Boysens aus ›Wintergäste‹.

29. Dezember


Feuchte Schneeflocken, trüb verhangener Regenhimmel, ein bis zwei Grad über null. Nachmittags dichteres Schneegestöber. Böiger Wind aus Nordwest, der im Lauf der Nacht auffrischt. Wellen bauen sich auf, Kämme brechen, etwas Gischt.

»Eine Insel hat etwas Magisches. Allein das Wort

regt die Fantasie an. Du hast die Verbindung zur

Welt verloren – eine Insel ist eine Welt für sich.«

Agatha Christie

Es ist noch dunkel an diesem frühen Wintermorgen. Inge liegt wach und lauscht dem an- und abschwellenden Rauschen des Windes und der Wellen, das ihr Wachen und Schlafen begleitet, solange sie sich erinnert, vertraut wie ihr eigener Atem. Das Rauschen des Windes und des Regens, die Schreie der Möwen und Austernfischer, das entfernte Tuten der an- und ablegenden Fähren bilden die Hintergrundmusik dieses Hauses wie andernorts der nie versiegende Strom von Autos und U-Bahnen, das Hundegebell und die Schritte der Passanten.

Inges Bett, wenngleich ein Wandbett wie der himmelblaue Alkoven in der Stube nebenan, hat keine hölzernen Klapptüren, sondern einen Vorhang und ist von beinahe normaler Länge, sodass ein erwachsener Mensch, sofern er wie sie eher klein ist, ausgestreckt darin liegen kann. Seit Willems Tod schläft Inge hier unten in der ehemaligen guten Stube, die noch zu ihren Kindertagen, im Gegensatz zur Stube, ausschließlich an Feiertagen und zu besonderen Anlässen genutzt werden durfte.

Was für ein exzentrischer Luxus, hat Inge oft gedacht, eine geradezu katholische Ausschweifung im puritanischen Norden, in diesen so ausgeklügelt praktischen Häusern den größten und schönsten Raum für wenige Festtage vorzuhalten und 360 Tage im Jahr leer stehen zu lassen, während sich Eltern und Kinderschar in Küche und Stube drängten. Aber vielleicht fielen der Glanz und die Freuden vergangener und kommender Festlichkeiten als Abglanz auf die Räume des mühsamen täglichen Lebens, so wie der Sonntag ein Lichtblick war am Ende der Woche. Allerdings, sie ließ sich nicht heizen, die gute Stube, und da die Männer vom Frühjahr bis in den Spätherbst auf See waren, fielen Hochzeiten und Kindstaufen meist in den Herbst und Winter, und so mussten die versammelten Gäste dem Raum ihre Körperwärme spenden. Bei Todesfällen wiederum war die Kälte von Vorteil, da in diesem Raum auch die Toten zur vorletzten Ruhe gebettet wurden. Der Tod jedoch erschien ganz nach Gutdünken, schlich sich auf leisen Sohlen heran oder fiel krachend mit der Tür ins Haus, doch letzten Endes kam er immer unpassend. Umso besser, dass er in ihrem Fall, wenn auch nur probehalber, einmal wie gerufen gekommen ist.

Inge knipst die Nachttischlampe an. Ihr Blick fällt auf den Wandspiegel gegenüber, aus dem ihr nun wieder das eigene Gesicht entgegensieht. Sobald sie die ersten Schritte machen konnte, hat sie das schwarze Tuch vom Spiegel genommen, mit zitternder Hand und fest geschlossenen Augen. Denn womöglich beförderte sie sich, wenn sie als Erste hineinblickte, damit selbst ins Jenseits – und diesmal endgültig. Doch immer noch besser, hat sie gedacht, als wenn es jemand von den anderen trifft. Schließlich ist sie mit Abstand die Älteste, hat an Jahren genug bekommen, was ein jeder nach einem Blick auf die schwarzen Zahlen befinden würde. Stimmt schon, sie hat vom Leben mehr als genug bekommen. Aber sie hat noch lange nicht genug von ihm.

Auf der Kommode neben dem Bett befinden sich die Relikte nächtlicher Ausschweifungen, ein in einem Rutsch beinahe durchgelesenes Buch, ein Glas mit rosarotem Bodensatz und eine Schachtel mit leerem Bonbonpapier. Eine ziemlich unziemliche Menge an Bonbonpapier, zugegeben, doch erlebte man nicht alle Tage die eigene Wiedergeburt. Eine große Freude war das, aber auch ein großer Schreck. So, als ob man gerade mit vollem Schwung in der Kurve aus dem Sattel geflogen ist und im nächsten Moment wieder obenauf sitzt und das Pferd im Galopp auf den Wassergraben zurast. Und auf all die anderen kleinen und großen Hindernisse, die dein ganz persönlicher Parcours für dich bereithält.

Mit dem Leben sind auch die ungelösten Fragen zurück. Wem soll sie das Haus vererben? Enno und Kerrin, die darin leben, oder allen vier Kindern, die es dann verkaufen müssen? Also ungerecht sein und etwas Wertvolles bewahren oder gerecht sein und es damit zerstören? Oder ist sie ins Leben zurückgekehrt, weil sie noch etwas gutzumachen hat an Enno, auch wenn der davon nichts weiß? Führt wirklich kein Weg daran vorbei, nächstes Jahr zu ihrem Achtzigsten das halbe Inselvolk mit Sahnetorte zu füttern, auch diejenigen, die sie nicht leiden kann und die ohnehin schon aus dem Leim gehen? Und soll sie sich wirklich noch Implantate setzen lassen, oder tut es auch das gute alte Gebiss? Wird sie in ihrem Leben noch ein einziges Mal jemanden küssen, mit Zahn und Zunge, Ungeduld und Spucke?

Inge setzt sich im Bett auf. Sie hat da so eine Idee, für wen es sich lohnen würde, noch einmal im Galopp über den Wassergraben zu springen.

Nun mal langsam, sagt sie sich, ein Schritt nach dem anderen. Zuerst von der Bettkante in die Höhe kommen und aufrecht stehen, mit erhobenem Kopf und freien Armen, die entscheidenden Schritte zum Homo sapiens. Es klappt! Ein Wunder, nachdem sie gestern Nachmittag nicht einmal den kleinen Finger rühren konnte. Als Nächstes kann sie sich ans Feuermachen und die Herstellung von Werkzeugen wagen, dicht gefolgt von Ackerbau und Viehzucht, Buchdruck, Dieselmotor, Elektrifizierung und Internet. Aber vorher hat sie noch ganz persönlich etwas Dringendes zu erledigen. Fuß vor Fuß und mithilfe ihres Stocks schafft sie es auf eigenen Beinen bis ins Bad, zum Wasserhahn und auf das Wasserklosett. Willkommen in der Zivilisation. Fehlt nur noch der Griff zum Kulturbeutel.

Im Badezimmerspiegel fällt Inges Blick auf den Alarmknopf am Nachthemd, den ihr Ilsebill für Notfälle an die Brust geheftet hat. Dr. Ilse Johansen war die Inselärztin, die beste und einzige, eine Kapazität auf ihrem Gebiet, nämlich dem der Insel. Sie kannte die meisten ihrer Untertanen noch in Windeln, und man tat gut daran, ihren Weisungen ohne Widerrede Folge zu leisten. Nun war Inge wiederum ein paar Jahre älter als Frau Doktor, kannte ihrerseits Ilsebill noch in Windeln und konnte sie deshalb kaum für unfehlbar halten. Ein leichter Schlaganfall – so Ilses Diagnose bei ihrer Audienz gestern Nachmittag – konnte Inges Ansicht nach alles oder nichts bedeuten, nahen Tod wie folgenloses Intermezzo. Ganz gewiss aber eines nicht: ihre vorsorgliche Verlegung in die Klinik auf dem Festland. Nie und nimmer. Sie dachte gar nicht daran, ausgerechnet jetzt ihr Haus zu verlassen, da es sich wie eine Wundertüte mit ihren Lieben gefüllt hatte. Schließlich hat Ilse kapituliert und ihr den Alarmknopf aufgedrängt, und zwar unter der von Inge gestellten Bedingung, dass der Alarm nicht beim ärztlichen Notdienst, sondern bei Ilse persönlich ertönen würde. Übrigens verdeckt der Knopf ganz passabel die Stelle auf dem Nachthemd, an der sie das sinnlose Schleifchen abgeschnitten hat. Rüschen, Puffärmel und Schleifchen kamen ihr nicht an den Leib, solange noch ein Herz darin pochte. Nie und nimmer.

Als Ilse schon auf dem Weg zur Tür war, hat Inge sie noch einmal zurückgerufen. Werde ich es jemals wieder auf den Deich schaffen? Ich werde doch das Meer wiedersehen? Sag ja! Ich werde noch einmal im Sommer barfuß durchs Watt laufen und den silbrigen Klang des ablaufenden Wassers hören? Werde in einer stürmischen Herbstnacht die Lichter der Halligen suchen, wenn jedes einzelne erleuchtete Fenster weit übers Wasser strahlt?

Na ja, hat Ilse gesagt, ich bin zufrieden, wenn du erst mal heil bis ins neue Jahr kommst. Und auf eigenen Beinen bis auf den Pott und zurück.

»Also schön, Ilse«, murmelt Inge in Richtung des Badezimmerspiegels, »du kannst zufrieden sein. Die fünf Meter zurück ins Bett und die drei Tage bis ins neue Jahr schaffe ich auch noch.«

Auf dem Weg zurück ins Bett macht Inge einen Abstecher zum Fenster. Sie schiebt den Vorhang zurück, öffnet es, schnuppert Morgenluft. Zwar ist weit und breit nichts zu sehen, doch Inge riecht es: Es riecht nach Schnee. Viel Schnee.

 

In der Stube neben Inges Zimmer wird ein Paar langer dünner Beine aus dem Alkoven gestreckt. Jochen faltet sich auseinander, steht auf und drückt den Rücken durch. Kaum zu sagen, was schlimmer war: der harte Dielenboden, auf den er nach schlaflosen Stunden im Alkoven geflüchtet ist, oder der viel zu kurze Alkoven, in den er zurückgekehrt ist, nachdem ihm vom ebenso schlaflosen Herumwälzen auf den Dielen sämtliche Knochen wehtaten. Er schlägt die himmelblauen Türen des Alkovens zu, die er nachts offen gelassen hat. Wenn man bedenkt, dass früher mehrere Menschen jede Nacht in einer solchen Kiste schliefen, zusammengekrümmt und mit angezogenen Beinen. Na schön, sie waren kleiner als heute, ganz sicher kleiner als er, aber ein Erwachsener war doch kein Embryo. Und die Vorstellung, hinter geschlossenen Türen in solch einer Kiste zu schlafen, verursacht ihm Albträume. Jochen reckt die Arme in die Höhe, lässt sie kreisen, schüttelt sich. Wahrscheinlich haben sie sich jeden Abend vorm Zubettgehen mit Schnaps betäubt – er fasst sich ins Kreuz und stöhnt – und am Morgen gleich wieder.

Vielleicht hätte er Berit den Platz überlassen sollen, die nicht nur um einiges kleiner ist als er, sondern sozusagen im Alkoven aufgewachsen. Bei der Erinnerung an ihr nächtliches Zusammentreffen muss er grinsen. Beide sind sie zur exakt gleichen Zeit auf die exakt gleiche Idee gekommen. Zuerst ist die Stimmung ein wenig feindselig gewesen, doch dann haben sie die...

Erscheint lt. Verlag 2.7.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anja Jonuleit • Buch für den Urlaub • Dörthe Binkert • Familie • Familiengeschichte • Familienroman • Frauenroman • Frauenunterhaltung • Generationenroman • Haus Tide • Nordsee • Nordseeinsel • Unterhaltungsroman
ISBN-10 3-423-43996-3 / 3423439963
ISBN-13 978-3-423-43996-1 / 9783423439961
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