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Die kleine literarische Apotheke (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
384 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-27278-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die kleine literarische Apotheke - Elena Molini
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Blu hat gerade ihre Buchhandlung in Florenz eröffnet, doch das Geschäft läuft schleppend an. Erst nach dem Besuch eines ebenso charismatischen wie geheimnisvollen Kunden hat Blu eine Eingebung: Alle Besucher ihres Ladens suchen dringend Rat. Was tun gegen Liebeskummer, Einsamkeit und Stress? Ganz einfach: Lies ein Buch! Bücher sind Medizin. Und genau so verordnet Blu sie ab jetzt - inklusive Anwendungsgebiet und Dosierungsanleitung. Doch wer war der mysteriöse Mann, der Blu die rettende Idee eingab? Sie macht sich auf die Suche und begegnet dabei immer wieder hilfsbereiten Fremden, die ihr auf sonderbare Weise bekannt vorkommen...

Elena Molini ist Inhaberin der »Piccola Farmacia Letteraria«, die tatsächlich in Florenz existiert und dem Prinzip der Bibliotherapie folgt: Hier werden Bücher nach den individuellen Bedürfnissen der Kunden verordnet. Wer dieses Geschäft betritt, sucht Medizin für die Seele. Elena Molini kennt die Wirkung und Nebenwirkung jedes Buches. Dies ist ihr erster Roman.

1

VON DESASTRÖSEN DATES, UNERWARTETEN BEGEGNUNGEN UND EINEM HOFFNUNGSSCHIMMER


[M]an [darf] sich in harten Zeiten keine zuckrigen Träume erlauben […], denn in schlechten Zeiten braucht man handfeste Träume, wirklichkeitsnahe Vorstellungen,
die wahr werden können.

CLARISSA PINKOLA ESTÉS: Die Wolfsfrau. Die Kraft der weiblichen Urinstinkte

Der Anfang


Fest stand, dass ich an diesem Morgen mordsmäßige Augenringe hatte.

Fest stand vor allem, dass ich keinen weiteren platonisch-pathetischen Abend mit so einem Möchtegern-Dichter-Freak verbringen würde wie der, mit dem ich gestern verabredet war. Schon das Abendessen war eine mittlere Katastrophe gewesen, und was danach kam, versetzte meiner Hoffnung, wenigstens einmal mit jemandem auszugehen, der nicht in die Geschlossene gehört, endgültig den Todesstoß. Beim dritten Gedicht von Cesare Pavese, das mir Dimitri – so der Name meines Dates – mit geschlossenen Augen vortrug, hatte ich die klassische Exit-Strategie angewendet und den Anruf einer Freundin vorgetäuscht, die sich angeblich ausgesperrt hat.

Nachdem ich ein letztes Glas des kostbaren torfigen Whiskys hinuntergekippt hatte, der aus dem privaten Weinkeller von Dimitris Onkel stammte und wie eine Schwefelgrube stank, versprach ich, ihn am nächsten Tag anzurufen, nur dass ich ihn dann gleich nach Verlassen seiner Wohnung auf dem Handy blockierte und beinahe mit dem Rad in den Arno gestürzt wäre.

Dem Badezimmerspiegel zufolge war ich trotz der Augenringe durchaus vorzeigbar, meine Uhr jedoch sagte mir, dass ich mich sputen musste, wenn ich die Buchhandlung pünktlich aufmachen wollte.

Aus der Küche drang derweil das Gegacker der drei Frauen, mit denen ich zusammenlebte.

»Was bedeutet das noch mal, wenn man den Tod aufdeckt? Guck mal im Buch nach, ich kann mich nicht mehr erinnern.«

»Oh Gott, ich bin doch nicht etwa schwanger?«

»Mädels, euch ist aber schon klar, dass man sich nicht zu mehreren gleichzeitig die Karten legen kann? Das funktioniert so nicht.«

»Und du hör doch auf mit diesem Tarotkarten-Quatsch! Wenn du wissen willst, ob du schwanger bist, geh in die Apotheke und kauf dir ’nen Test.«

»Heißt das, ich soll die Tarotkarten wegpacken?«

Denn ja, obwohl ich gerade dreißig geworden war, lebte ich noch immer in einer WG. Nicht nur, weil die Zahlen auf meinen Kontoauszügen so rot waren wie deutsche Touristen am ersten Tag am Strand, sondern vor allem, weil ich diese Mädels wahnsinnig gernhatte.

Wir lebten zu viert in der Wohnung. Wie die Quattro amici al bar in dem gleichnamigen Lied von Gino Paoli, die »die Welt verändern wollten«. Rachele, Giulia, Carolina sowie meine Wenigkeit, die meine sympathischen alternativen Eltern mit dem schönen Namen Blu bedacht hatten. Richtig gehört, Blu, wie die Farbe, eine Silbe, drei Buchstaben: B-L-U. Ein Name, für den es keine Verkleinerungs- oder Koseform gibt, folglich: eine ruinierte Kindheit und unverhohlener Hass auf alle Mädchen mit einem Namen mit mehr als fünf Buchstaben.

Das gemeinsame Frühstück war uns heilig: Wir mochten uns den lieben langen Tag nicht sehen, aber den ersten Kaffee tranken wir zusammen. Und eines stand fest: Den Kaffee zu trinken, den Carolina mit ihrer antiken Moka samt defekter Dichtung zubereitete, von dem neunzig Prozent auf dem Herd landeten, war wirklich ein Freundschaftsdienst.

Auch an diesem Morgen, an dem alles seinen Anfang nahm, gab es ihn, dunkel und teerartig zwinkerte er mir scheinheilig vom Boden meiner Tasse aus zu, die das Konterfei von Charlie Brown trug. Ich hatte eine eigene Technik entwickelt, ihn hinunterzukippen, ohne mich zu übergeben: Ich verabreichte ihn mir wie als Kind den fürchterlichen Hustensirup – kurz und schmerzlos.

»Mädels, wisst ihr eigentlich, dass Enrico gestern in Neapel angekommen ist? Hier, dieses Foto hat er mir geschickt, ist er nicht schnucklig? Sie haben ihm sogar die Zähne neu gemacht, er sieht völlig verändert aus, aber ich finde ihn trotzdem nach wie vor wunderschön.«

Carolina hielt uns ihr Handy unter die Nase. Trotz eines Einserexamens in Psychologie, einer glänzend absolvierten Therapeutenausbildung und einer Karriere als Psychotherapeutin, die noch abhob, während sie ihren Master machte, der ihre Karriere endgültig in luftige Höhen katapultierte, war sie nicht vor ebenso plötzlichen wie fragwürdigen Verliebtheitsanfällen gefeit. Zuletzt hatte sie sich, die wie ich dreißig Lenze zählte, in einen Jungen verliebt, der zehn Jahre jünger war als sie und sich mit Joints zudröhnte wie ein Pubertierender. Nach einem Unfall, bei dem er sich sämtliche Zähne ausgeschlagen hatte, war er zu einer spirituellen Radtour nach Süditalien aufgebrochen. Offensichtlich nahm er sich auch eine Auszeit von der Beziehung zu Carolina, was diese jedoch gar nicht wahrzunehmen schien, so angetan war sie von seinem plötzlichen Tatendrang.

»Ich würde ja wahnsinnig gerne noch ein bisschen bleiben und mit euch über die paranormalen Kräfte der Tarotkarten und das wunderschöne Kunstgebiss von Enrico fachsimpeln, aber es gibt da eine Buchhandlung, die ich aufsperren muss«, sagte ich, immer noch diesen furchtbaren Geschmack im Mund.

»Ich komm mit runter, sonst lässt mich die Sgrana wieder Überstunden schieben, wenn ich zu spät ins Büro komme.«

Rachele schnappte sich ihren Mantel und schob sich eilig an mir vorbei Richtung Wohnungstür. So war das immer bei ihr: Sie aß, redete, studierte in einem erstaunlichen Tempo. Von allen Mädels war sie meine Lieblingsmitbewohnerin: unbewusst faszinierend und bewusst gnadenlos. Vor ihr konnte man nichts verheimlichen, nicht einmal das, wofür man sich in Grund und Boden schämte. Und man konnte darauf wetten, dass sie einem keine Peinlichkeit ersparte. Es entsprach nicht ihrer Natur, es zumindest nett zu verpacken, wenn sie einem sagte, dass man eine Dummheit beging, und da sie enorm intelligent war, hatte sie meist auch noch recht. Trotzdem verzieh man ihr, denn auch wenn sie sich wie eine dumme Kuh aufführte, wusste man, dass sie einen im Grunde gernhatte. Wir kannten uns seit sage und schreibe achtundzwanzig Jahren – seit Racheles Geburt – und waren praktisch so etwas wie Schwestern. Unsere Väter waren seit Ewigkeiten befreundet, und jedes Mal, wenn ich als Kind von Ligurien nach Florenz hinunterfuhr, um meine Oma Tilde zu besuchen, spielten Rachele und ich miteinander. Wir teilten dieselbe Leidenschaft fürs Lesen, und wir beide träumten davon, Schriftstellerin zu werden. In den Wochen und Monaten, in denen wir uns nicht sahen, schrieben wir uns lange Briefe in einer Geheimschrift, die nur wir verstanden. Wir waren ein ziemlich exklusiver Club.

Als ich beschloss, nach Florenz zu ziehen, hatte sie ihre Mutter auf Knien angefleht, mit mir zusammenziehen zu dürfen.

»Wann willst du dir eigentlich mal einen neuen Motorroller zulegen?«, fragte ich. »Abgesehen davon, dass ich noch nie ein so hässliches Ding gesehen habe, verpestet es die ganzen Klamotten mit seinem Abgasgestank; außerdem, weißt du eigentlich, welche Luftverschmutzung du mit deinem Zweitaktmotor anrichtest? Erst kaufst du dir sündhaft teure französische Parfüms und dann fährst du diese Schrottlaube.«

»Entschuldige mal, Miss Möchtegern-Öko-Buchhändlerin, willst du mir vielleicht einen neuen Roller kaufen? Ich fahre bestimmt nicht mit dem Fahrrad und so einer peruanischen Ethno-Tasche durch die Gegend. Außerdem, was hast du gegen Becco? Der ist doch spitze, echt … vintage

Becco, der Roller von Rachele, war ein Piaggio Liberty Baujahr 1999 in einem grauenhaften Bronzefarbton, dem man bei einem unerklärlichen Diebstahlversuch die vordere Verblendung abgerissen hatte. Völlig unbeeindruckt, wie es ihre Art war, hatte sie das Loch einfach mit einer schwarzen Mülltüte zugeklebt und anschließend, um ihr Werk zu vollenden, mit einer anderen Verblendung abgedeckt, die sie von irgendeiner Schrottmühle am Stadtrand entwendet hatte. Auf ihre Flickarbeit hatte jemand mit einem lila Filzstift »becco« geschrieben, wahrscheinlich als sie mal wieder wild auf dem Gehweg geparkt hatte.

»Über die Beleidigung meiner Tasche sehe ich ausnahmsweise großzügig hinweg. Ich geh dann mal zur Arbeit, wir sehen uns heute Abend. Ah, da fällt mir ein, hast du mir was zum Lesen mitgebracht?«

Rachele senkte den Blick und gab sich schüchtern. Das war so untypisch für sie, dass es mich nach wie vor jedes Mal überraschte, sie so zu sehen. Seit sie für eine Lokalzeitung arbeitete und erkannt hatte, wie das Leben einer kleinen, unbedeutenden Reporterin in der Realität aussah, hatte sie beschlossen, in ihrem Journalismusstudium einen Gang runterzuschalten und andere berufliche Wege zu beschreiten. Doch ihre Leidenschaft fürs Schreiben war ungebrochen, und sie hatte nie den Traum aufgegeben, Schriftstellerin zu werden. Fast jeden Abend setzte sie sich nach einem achtstündigen Arbeitstag an den PC der Bibliothek, wo sie eine Kleinigkeit aß und Kurzgeschichten schrieb, die sie an sämtliche Schreibwettbewerbe schickte.

Seit Kurzem versuchte sie sich an ihrem ersten Roman, und genau dazu hatte sie mich vor Weihnachten um meine Meinung gebeten. Das Schreiben half ihr auch, sich von der familiären Situation abzulenken, die sich in den letzten Jahren schwierig gestaltet hatte. Ihre Eltern waren immer überaus wohlhabend gewesen, aber nach dem Konkurs des Familienbetriebs war fast ihr gesamtes Vermögen für die vom Vater angehäuften Schulden draufgegangen. Diese ganze Misere hatte sie...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2022
Übersetzer Janine Malz
Sprache deutsch
Original-Titel La Piccola Farmacia Letteraria
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • Bibliotherapie • Buchhandlung • Buchladen zum Verlieben • Der Buchladen der Florence Green • Der große Gatsby • eBooks • Feel-Good-Roman • Frauenromane • Freundschaft • Geschenk für beste Freundin • Katarina Bivald • Klassiker der Weltliteratur • Liebesromane • Liebe zu Büchern • Lieblingsbuch • Neuerscheinung • Penelope Fitzgerald • Romane für Frauen • Romantik • Wahre GEschichte • wahre Liebe
ISBN-10 3-641-27278-5 / 3641272785
ISBN-13 978-3-641-27278-4 / 9783641272784
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