John Sinclair 2223 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1265-1 (ISBN)
Als Nina Poljakowa ihre Wohnung im Herzen Moskaus betrat, wollte sie nur noch unter die Dusche und sich den Geruch von Sex, Schweiß und Zigarettenrauch vom Körper spülen.
Natürlich erst, nachdem sie Papa Lenin gefüttert hatte.
Nina lächelte bei dem Gedanken an ihren Mitbewohner. Er wartete sicherlich schon sehnsüchtig auf sie, ungeduldig von einer Pfote auf die andere tretend, während sein Schwanz in freudiger Erwartung zuckte und zitterte.
Behutsam drückte die Prostituierte die Wohnungstür auf - und stutzte.
Keine Spur von Papa Lenin. Dafür wehte ihr der typische Geruch von gebratenem Fleisch entgegen ...
Die Unheilsbringer
von Ian Rolf Hill
Als Nina Poljakowa ihre Wohnung im Herzen Moskaus betrat, hatte sie noch immer das heisere Stöhnen und Keuchen von Valentin Gussew im Ohr. Heute war er besonders aggressiv und fordernd gewesen. Aber sie wollte sich nicht beschweren, das wäre bei einem Mann wie Gussew auch nicht ratsam gewesen.
Außerdem hatte er ihr für den Abend zweihunderttausend Rubel gezahlt. Kein schlechter Schnitt. Dafür verzieh sie dem Oligarchen, der sie regelmäßig buchte, gerne den einen oder anderen Ausrutscher. Doch jetzt wollte sie nur noch unter die Dusche und sich den Geruch von Sex, Schweiß und Zigarettenrauch vom Körper spülen.
Natürlich erst, nachdem sie Papa Lenin gefüttert hatte.
Nina lächelte bei dem Gedanken an ihren Mitbewohner. Er wartete sicherlich schon sehnsüchtig auf sie, ungeduldig von einer Pfote auf die andere tretend, während sein Schwanz in freudiger Erwartung zuckte und zitterte.
Behutsam drückte die Prostituierte die Wohnungstür auf – und stutzte.
Keine Spur von Papa Lenin. Dafür wehte ihr der typische Geruch von gebratenem Fleisch entgegen ...
Nina blieb auf der Schwelle stehen, unschlüssig, was sie tun sollte.
Vernünftig wäre es gewesen, auf dem Absatz kehrtzumachen und dem Sicherheitsdienst Bescheid zu geben. Oder der Polizei.
Doch was hätte sie denen sagen sollen? Dass es in ihrer Wohnung nach Gebratenem roch?
Die Männer hätten sie schallend ausgelacht, und sie hätte es ihnen nicht mal verdenken können. Welcher Einbrecher setzte sich denn bitteschön in die Küche seines Opfers und schmiss sich erst einmal ein Steak in die Pfanne?
Und da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
Nikolai!
Es gab für Nina keine andere Möglichkeit. Es konnte einfach nur ihr nichtsnutziger Bruder sein. Vermutlich war er wieder pleite und brauchte Geld. Beziehungsweise Startkapital für irgendeine obskure Geschäftsidee. Oder er steckte in Schwierigkeiten!
Auch das hätte die Edelprostituierte nicht gewundert.
Doch was es auch war, sie würden es gemeinsam durchstehen. So wie immer.
Ihr verkrampfter Magen entspannte sich ein wenig. Zumindest wusste sie jetzt, warum Papa Lenin nicht hinter der Tür auf sie gewartet hatte. Der Kater war bereits von Nikolai versorgt worden. Das eigenwillige Tier ließ sich zwar nicht von jedem streicheln, aber wer ihm das Futter in den Napf füllte, war ihm herzlich egal.
Seufzend schloss Nina die Tür hinter sich, legte die strassverzierte Handtasche auf die Kommode und streifte sich die hochhackigen Pumps von den Füßen. Danach marschierte sie schnurstracks in die Küche. Mit jedem Schritt wurde der Geruch intensiver.
»Was ist nun schon wieder pass...«
Der Rest des Satzes blieb Nina Poljakowa im Halse stecken.
Vor ihr am Küchentisch saß nicht ihr Bruder Nikolai, sondern eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren und scharf geschnittenen Zügen. Sie wäre sicherlich bildhübsch gewesen, wären da nicht der grausame Zug um ihre Mundwinkel und der kalte Blick ihrer dunklen Augen gewesen.
Mit beiden Händen hielt sie einen Braten, den sie anscheinend gerade erst aus dem Ofen genommen hatte. Die Klappe stand sogar noch offen, wie Nina feststellte. Im Waschbecken daneben lag eine dunkle Masse.
Feucht glänzend, dazwischen ein blutverschmierter grauer Pelz, wie ihn auch Papa Lenin hatte.
In den Duft von Gebratenem mischte sich nun der Gestank nach rohem Fleisch und Innereien. Nina kannte ihn nur zu gut. Sie hatte ihn oft genug gerochen. Damals als Kind, bevor sie nach Moskau gekommen war, um das große Geld zu machen.
Ihre Eltern waren einfache sibirische Bauern, die von der Hand in den Mund lebten und selbst schlachteten. Genauso roch es jetzt hier in ihrer Küche.
Und der Braten, den die Fremde festhielt, sah aus wie ... Nina würgte und schlug sich die Hand vor den Mund.
Trübe Augen über zurückgezogenen Lefzen, die das winzige Raubtiergebiss freilegten. Der Körper, der sich so gerne an sie geschmiegt hatte, war von einer dunklen Kruste umgeben, die aufplatzte, als die Unbekannte ihn mit bloßen Händen auseinanderriss.
Zum Vorschein kam dampfendes, blutiges Fleisch, in das die Fremde ihre Zähne schlug. Die Schwarzhaarige schmatzte beim Kauen. Eine rote Flüssigkeit quoll zwischen den Lippen hervor und rann in dicken Bahnen über das Kinn.
Genießerisch schloss die Fremde die Augen.
»Oh, das schmeckt ja so gut«, nuschelte sie. »Willst du mal probieren?«
Fassungslos starrte Nina auf ihr Gegenüber, unfähig etwas zu sagen. Aus ihrem Mund drangen nur abgehackte, schluchzende Laute, kaum mehr als ein Winseln. Doch die Worte der Schwarzhaarigen waren ja auch nicht an sie gerichtet.
»Vielen Dank«, erklang in diesem Augenblick eine vertraute Stimme in ihrem Rücken. »Aber mein Essen ist gerade zur Tür hereingekommen!«
Schreiend fuhr Nina herum und starrte in das Gesicht ihres Bruders.
»Nikita«, ächzte sie verwirrt. »Was ...?«
Seine Lippen zogen sich in die Breite und entblößten zwei Reihen spitzer Fänge.
Nina Poljakowa wankte rückwärts und stieß mit dem Gesäß gegen die Tischkante. Nikolai folgte ihr. Erst jetzt registrierte sie, dass er vollkommen nackt war.
Und sein Körper begann sich zu verändern.
Der Oberkörper zuckte und pulsierte, formte zwei Brüste, deren Warzen größer und dunkler wurden. Borstiges Haar spross um die Höfe herum aus der Haut, ebenso wie an den Armen und Beinen. Der Haaransatz wich zurück, die Stirn wölbte sich nach vorne, bildete einen knöchernen Kamm über den ölig glänzenden Augen, die tief in die Höhlen zurückwichen.
Das Haar wuchs zu einer Mähne, die sich bis auf den Rücken hinunterzog. Die Nasenlöcher blähten sich zu Nüstern. An Fingern und Zehen wuchsen lange, gekrümmte Krallen.
Nina wähnte sich in einem Albtraum. Hatte Gussew ihr Drogen in den Champagner getan? Oder war das nur ein blöder Scherz ihres Bruders? So etwas konnte es doch nicht geben. Menschen verwandelten sich nicht in Ungeheuer.
Der Arm des Monsters schoss vor, die Klauen gruben sich in Ninas hochgesteckte Frisur. Ein stechender Schmerz fuhr ihr durch die Schädeldecke. Reflexartig griff sie nach dem Unterarm der Kreatur, spürte das borstige Haar unter den Fingern, die stählernen Muskeln.
Nein, das war keine Verkleidung. Das Ding war echt.
Dann erfolgte der Ruck, der Nina nach vorne riss. Die Prostituierte schrie vor Angst und Qual. Sie verlor den Halt und stürzte auf die Knie. Das Stechen in der Kopfhaut wurde zu gleißender Pein. Ihr wurde schwarz vor Augen. Eine warme, klebrige Flüssigkeit rann ihr über das Gesicht.
Nina wurde herumgeschleudert und über den Boden geschleift. Raus aus der Küche und hinein ins Bad. Sie jammerte und greinte, schlug mit den Armen um sich, versuchte, sich irgendwo festzuhalten. Doch gegen die Kraft dieses Dings hatte sie keine Chance. Hilflos glitten die nackten Füße der Prostituierten über das glatte Parkett und die Fliesen.
Unvermittelt wurde Nina an den Haaren in die Höhe gezerrt. Sie hätte nicht gedacht, dass sich die Qualen noch steigern konnten, doch sie hatte sich geirrt. Mit einem Ruck, der von einem schmatzenden Reißen begleitet wurde, löste sich der Druck auf ihre Kopfhaut.
Ninas Körper wurde von Schlägen durchgeschüttelt, als das Monster sie in die Badewanne schleuderte, wo sie verkrümmt liegen blieb. Blut und Rotz liefen ihr aus der Nase. Wimmernd zog sie die Beine an die Brust.
»B...bitte ... lassen Sie ...«
Die hilflos vor sich hin gestammelten Worte, endeten in einem schrillen Brüllen, als sich eine Klaue um ihr linkes Fußgelenk legte und es herumdrehte. Nina wurde auf den Rücken geworfen. Mit aufgerissenen Augen starrte sie geradewegs in die Fratze mit dem gefletschten Raubtiergebiss.
»Neeein!«
Sie versuchte, das Bein anzuwinkeln, um nach der Abscheulichkeit zu treten, vergebens. Das Monster war stärker. Die zweite Klaue erschien in ihrem Blickfeld. Die gekrümmten Krallen wurden größer.
Grelle Lichter zerplatzten vor ihren Augen, durch die sich glühende Schmerzen wühlten. Immer tiefer, bis nie endende Finsternis das Licht verzehrte.
✰
Chandra beendete ihr Mahl in aller Seelenruhe, während sie dem Schmatzen und Stöhnen lauschte, das aus dem Bad drang. Hoffentlich hatte keiner die Schreie gehört. Nina Poljakowa wohnte schließlich nicht allein in diesem Haus. Doch offenbar kümmerte sich hier niemand um den anderen. Vielleicht waren die Nachbarn auch an derlei Geräusche aus der Wohnung der Nutte gewöhnt.
Nicht, dass es irgendwen gab, den Chandra und ihre Verbündete zu fürchten brauchten.
Die Frau mit der kugelfesten Haut blickte auf die Überreste der Katze. Ein Konglomerat aus Knochen, an denen vereinzelt Fleischfetzen hingen. Sie stand auf und warf die Reste in den Mülleimer, in den sie anschließend auch das Fell sowie die übrigen Innereien entsorgte.
Herz und Leber hatte Chandra bereits beim Ausweiden verspeist.
Das Mahl erinnerte sie...
Erscheint lt. Verlag | 16.2.2021 |
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Reihe/Serie | John Sinclair |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-1265-8 / 3751712658 |
ISBN-13 | 978-3-7517-1265-1 / 9783751712651 |
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