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Die Totenärztin: Wiener Blut (eBook)

Historischer Wien-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00909-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Totenärztin: Wiener Blut -  René Anour
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Eine junge Ärztin Eine heimliche Obduktion Eine gefährliche Entdeckung Wien, 1908. Als ein toter Obdachloser in der Gerichtsmedizin eingeliefert wird, schenkt niemand ihm einen zweiten Blick - niemand außer der jungen Ärztin Fanny Goldmann. Ihr fallen Ungereimtheiten auf, aber keiner ihrer männlichen Kollegen will auf sie hören. Daher obduziert sie die Leiche nachts heimlich. Eine gefährliche Entscheidung, denn plötzlich findet sie sich mitten in einer tödlichen Verschwörung rund um einen charismatischen Dieb und Kaiserin Sissis verschwundene Diamantsterne wieder. Ihre Ermittlung führt Fanny von den mondänen Salons und prunkvollen Palais der Oberschicht bis in die schäbigen Spelunken und Bordelle der Wiener Unterwelt. Hier lauert an jeder Ecke der Tod, dessen Opfer Fanny auf ihrem Sektionstisch ihre intimsten Geheimnisse offenbaren ... Eine atemberaubend spannende Mischung aus Medizinhistorie und Krimi Der erste Fall für Totenärztin Fanny Goldmann

René Anour lebt in Wien. Dort studierte er auch Veterinärmedizin, wobei ihn ein Forschungsaufenthalt bis an die Harvard Medical School führte. Er arbeitet inzwischen bei der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und ist als Experte für neu entwickelte Medikamente für die European Medicines Agency tätig. Sein historischer Roman «Im Schatten des Turms» beleuchtet einen faszinierenden Aspekt der Medizingeschichte: den Narrenturm, die erste psychiatrische Heilanstalt der Welt. Sein zweiter Roman bei Rowohlt ist der Auftakt zu einer vierbändigen Reihe um eine junge Pathologin in Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts: «Die Totenärztin». Für die Bücher würde er sowohl mit dem Goldenen Homer als auch mit dem Homer Publikumspreis für den besten deutschsprachigen historischen Roman ausgezeichnet.

René Anour lebt in Wien. Dort studierte er auch Veterinärmedizin, wobei ihn ein Forschungsaufenthalt bis an die Harvard Medical School führte. Er arbeitet inzwischen bei der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und ist als Experte für neu entwickelte Medikamente für die European Medicines Agency tätig. Sein historischer Roman «Im Schatten des Turms» beleuchtet einen faszinierenden Aspekt der Medizingeschichte: den Narrenturm, die erste psychiatrische Heilanstalt der Welt. Sein zweiter Roman bei Rowohlt ist der Auftakt zu einer vierbändigen Reihe um eine junge Pathologin in Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts: «Die Totenärztin». Für die Bücher würde er sowohl mit dem Goldenen Homer als auch mit dem Homer Publikumspreis für den besten deutschsprachigen historischen Roman ausgezeichnet.

2. Kapitel


Schritte im Dunkeln

Das nächtliche Institut wirkte gespenstisch mit seinen hallenden Gängen. Das Gebäude war modern eingerichtet und verfügte in jedem Stockwerk über elektrische Beleuchtung, aber Fanny wagte es nicht, sie anzuschalten. Auf dem Gelände zwischen den Instituten drehten Nachtwächter ihre Runden, die sonst wohl nachsehen kommen würden.

Sie bog in die Damenumkleide ab, eine extra für sie umfunktionierte Besenkammer, und schaffte es im Dunkeln, sich die gebrauchte Schürze über ihr taubengraues Arbeitskleid zu binden und sich ihre Handschuhe überzustreifen.

Im Sektionssaal war es totenstill. Kam es ihr hier nur plötzlich so unheimlich vor, weil Franz nicht da war? Als ob er ihr bei Gefahr eine große Hilfe gewesen wäre. Vermutlich würde er sich nur über die entstehenden Scherereien beschweren, während jemand sie vor seinen Augen meuchelte.

Fanny schüttelte den Kopf. Wie kam sie nur auf solch absurde Gedanken?

Schneller als nötig hastete sie zu einem der vier Sektionstische und zog an einer Schnur, die eine elektrische Lampe, etwa einen Meter über der Tischplatte, zum Leben erweckte. Dieses Licht war unverhandelbar. Sie musste sehen können, was sie tat, wenn sie es denn wirklich wagen würde …

Sie lief zu einem der wuchtigen, hölzernen Regale am Rand des Saals, wo die verschiedenen Instrumente säuberlich in hölzernen Laden geordnet waren. Das war großenteils ihr Verdienst. Gert hatte die Instrumente einfach hineingeworfen in die Fächer, bevor Fanny vor zwei Monaten am Institut begonnen hatte. Jede Schublade mit Essbesteck war besser sortiert gewesen.

Fanny suchte sich drei verschiedene Größen scharfer Messer aus, die Sternumschere natürlich, ein Skalpell, eine große und eine kleine Pinzette. Nachdem sie die Instrumente auf den Tisch gelegt hatte, überlegte sie einen Moment. Es musste eine abgekürzte Obduktion werden. Kopf und Hals mussten unberührt bleiben, sonst würde sie auffliegen. Und sie durfte nicht zu lange brauchen. Kein Wiegen der Organe. Und natürlich kein offizieller Obduktionsbericht.

Anstatt des Formulars schob sie ein leeres Blatt Papier auf ihr Klemmbrett.

Ihre Freundin Tilde würde sie für verrückt halten, wenn sie ihr das morgen beim Tee erzählte. Allerdings hatte Fanny noch nie erlebt, dass Tilde irgendetwas absonderlich fand. Vielleicht war das der Hauptgrund, weshalb sie noch befreundet waren.

So, alles war an seinem Platz. Fehlte nur noch der Ehrengast.

Fanny lief nach hinten in den Leichenraum. Ein Hauch süßlichen Totendufts schlug ihr entgegen. Sie zog die Decke von der Leiche.

«Oh Gott!» Sie zuckte zusammen, als sie in Schneider Brockers hervorquellende Augen sah. Stimmt, ich habe den Obdachlosen in die Nische auf der anderen Seite abgelegt, schoss es ihr durch den Kopf.

Sie schnappte sich die richtige Leiche, zog den Obdachlosen mit einem Ächzen auf den Rollwagen und schob ihn zurück zu ihrem Sektionstisch.

Sofort stieg ihr wieder der Alkohol- und Urindunst in die Nase.

«Niemand wälzt sich gern in Pferdepisse, Franz», murmelte sie, während sie dem Mann seinen zerschlissenen Mantel auszog, was wegen der nun doch einsetzenden Leichenstarre gar nicht so einfach war.

Um die äußere Beurteilung des Toten korrekt durchzuführen, musste er unbekleidet sein, und zwar völlig.

Fanny legte den Mantel beiseite und runzelte die Stirn.

Seltsam …

Sie beugte sich vor und roch an dem Hals des Verblichenen. Sofort richtete sie sich wieder kerzengerade auf.

Der Mantel. Nur der Mantel stank. Die Leiche selbst – Fanny schüttelte verwirrt den Kopf – roch nach Parfüm. Tatsächlich war das nicht mal das Ungewöhnlichste.

Er trug ein seidenes Unterhemd, das nicht etwa aus besseren Tagen stammte, sondern frisch und sauber wirkte.

Sah man den Toten, wie er jetzt dalag, hätte man nie angenommen, dass es sich um einen Obdachlosen handelte.

«Wer bist du?», flüsterte Fanny ihm zu. «Und warum bist du tot?»

Sie streifte ihm das Unterhemd über den Kopf. Obwohl es zu ihrer Pflicht gehörte, fühlte es sich falsch an, ihm Hose und Unterhose auszuziehen. Sie unterdrückte ihr Unbehagen, nahm ihren Bleistift und fertigte rasch eine Skizze des Toten an. Sie hatte immer schon gut zeichnen können. Franz war bei weitem nicht der Einzige, der sie lieber in einem Seidenmalkursus gesehen hätte.

«Ernährungszustand gut – fast ein bisschen zu gut», murmelte sie. «Alter …» Fanny hatte wenig Erfahrung damit, das Alter von Männern zu schätzen. Sie warf einen Blick auf die ergrauten Locken und die vielen Lachfältchen um seine Augen.

«Etwa fünfzig?», notierte sie unsicher.

Sie unterzog die Körperoberfläche einer genauen Inspektion, hob Arme und Beine an, um auch wirklich jede Stelle zu erfassen. Totenflecke nur am Gesäß. Das passte. Die Polizisten hatten ihn, auf einer Parkbank sitzend, aufgefunden. Einsetzende Totenstarre. Er war noch nicht lange tot gewesen.

«Gesichtsfarbe hochgradig zyanotisch», notierte Fanny mit Blick auf die bläulich schimmernde Haut der Leiche. Ein Hinweis darauf, dass der Mann einen Sauerstoffmangel erlitten hatte, wahrscheinlich sogar erstickt war.

«Warum siehst du trotzdem so friedlich aus?» Fanny tippte sich mit dem Bleistift gegen das Kinn. Sie musste an andere Erstickungsopfer wie den Schneider Brocker denken. Ihre Gesichter, Masken der Qual. Aufgerissene Münder, hervorquellende Augen mit zahlreichen geplatzten Äderchen …

«Oh!» Fanny spürte, wie sie ein kleines bisschen rot wurde. Sie kniff die Augen zusammen. Täuschte sie sich, oder hatte sich dort am Penisansatz etwas be…

Sie streckte die Hand aus, zögerte – dann griff sie doch lieber zu der großen Pinzette und hob damit das Glied des Mannes an. Sie zuckte zurück und ließ die Pinzette fallen.

«Filzläuse!» Sie schüttelte angewidert den Kopf. «Du warst anscheinend ein Lebemann.»

Irgendwie fiel es ihr jetzt schwerer, sich den Toten als anständigen Herrn vorzustellen. Wobei, wer wusste schon, was unter den Frackhosen angeblich sittsamer Männer so alles kreuchte und fleuchte. Filzläuse interessierten sich nicht für die Moral, nur für Blut.

Sie notierte den Befund.

Ansonsten fand sie bei der äußeren Inspektion der Leiche nichts Auffälliges. Keine Blutungen oder Anzeichen von Gewalteinwirkung oder andere Hautabnormalitäten.

Wahrscheinlich einfach ein Herzinfarkt …

Fanny verscheuchte den Gedanken. Ein echter Gerichtsmediziner ließ sein Urteilsvermögen nicht durch Erwartungen trüben.

Sie nahm das Messer zur Hand.

Sie könnte noch abbrechen. Wenn sie ihn wieder anziehen und in den Leichenraum schieben würde, könnte niemand ihr je nachweisen, was sie getan hatte.

Sie zögerte einen Moment, dann rammte sie dem Toten das Messer direkt unter dem Schlüsselbein in die Brust. Ein paar Tropfen Blut quollen aus der Wunde und rannen über seine fahle Haut.

Fanny nahm sich die Sternumschere und drang in die Stichwunde ein. Sie hatte schon so oft zugesehen, wie Franz oder einer der anderen Ärzte den Ypsilon-Schnitt durchführte. Aber es selbst zu tun, war doch etwas ganz anderes. Sie drückte entschlossen die Schere zusammen und spürte das Reißen der Muskelfasern.

Einfach weitermachen, versuchte sie, sich Mut zu machen. Weh tun kannst du ihm nicht mehr.

Sie arbeitete sich vor. Zwei Schnitte entlang der Schlüsselbeine bis zur Körpermitte. Das Knacken des zersplitternden Brustbeins erschien ihr unnatürlich laut. Über dem Bauch ging es wieder einfacher, bis hinunter zum Schambein.

Fanny schnitt die Rippen und die beiden Hälften des Brustbeins heraus, um freie Sicht auf Brust- und Bauchorgane zu haben. Eine Stimme im Hinterkopf drängte sie, sich zu beeilen. Je länger sie brauchte, desto größer wurde die Gefahr, entdeckt zu werden.

Sie seufzte. Wie gern hätte sie in aller Ruhe gearbeitet, so viel gelernt, wie sie konnte, wenn sich schon einmal die Gelegenheit bot. Sie würde das Geschlinge, bestehend aus Magen-Darm-Trakt, Speise- und Luftröhre sowie Kehlkopf und Zunge, im Körper liegend untersuchen. Die anderen Organe würde sie zur Untersuchung entnehmen und genauer ansehen. Ein Kompromiss, der Fanny wurmte, aber in Anbetracht der Umstände musste sie eben improvisieren.

Sie löste die Darmschlingen mit dem Messer aus ihrer Aufhängung, sodass sie sie besser abtasten konnte. Sie eröffnete jeden Abschnitt probehalber, aber der Darm schien weitgehend leer, und die Schleimhaut war frei von Entzündung oder Geschwulsten.

Jetzt der Magen … Im Gegensatz zum Darm schien der Magen mit Flüssigkeit gefüllt.

«Proben», fiel es Fanny siedend heiß ein. Sie legte den Magen zurück, zog sich für einen Moment die blutigen Handschuhe aus und eilte zu den Holzregalen am Rand des Saals zurück. Sie holte sich ein paar mit Korken verschließbare Glasröhrchen sowie eine Metallspritze, mit der sie Flüssigkeiten aufsaugen konnte.

Sie beschloss, mit dem Magen noch ein wenig zu warten. Wenn sie ihn in der Bauchhöhle öffnete – normalerweise ein Tabu –, würde sie alle anderen Organe verdrecken.

So begann sie stattdessen, die anderen Bauchorgane zu begutachten. Milz, Bauchspeicheldrüse, Nieren, alles in Ordnung. Eine etwas vergrößerte Prostata … Fanny achtete darauf, bei der Beurteilung nicht versehentlich sein Gemächt weiter unten zu berühren.

Sie hatte gehofft, die Nieren würden mehr verraten. Wenn ein Organismus an einem...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2021
Reihe/Serie Die Totenärztin-Reihe
Die Totenärztin-Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Anne Stern • Beate Maxian • Charite • Die Ärztin • Fräulein Gold • Helene Sommerfeld • historischer Krimi • Historische Romane • historische Saga • Kriminalroman • Krimi Neuerscheinungen 2021 • Medizingeschichte • Medizinhistorie • Neuerscheinungen 2021 • Neuheiten 2021 • Ulrike Renk • Wien Krimi • Wien Roman
ISBN-10 3-644-00909-0 / 3644009090
ISBN-13 978-3-644-00909-7 / 9783644009097
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