Die Douglas-Schwestern (eBook)
464 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99697-6 (ISBN)
Charlotte Jacobi ist das Spiegel-Bestseller-Pseudonym der Autoren Eva-Maria Bast und Jørn Precht. Eva-Maria Bast ist Journalistin, Leiterin der Bast Medien GmbH und Autorin zahlreicher Sachbücher, Krimis und zeitgeschichtlicher Romane. Sie erhielt diverse Auszeichnungen, darunter den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Kategorie Geschichte. Die Autorin lebt am Bodensee. Jørn Precht ist Professor an der Stuttgarter Hochschule der Medien und mehrfach preisgekrönter Drehbuchautor für Kino- und Fernsehproduktionen. Er hat Sachbücher sowie historische Romane verfasst und 2018 den Literaturpreis Bronzener Homer gewonnen.
Charlotte Jacobi ist das Pseudonym der Autoren Eva-Maria Bast und Jørn Precht. Eva-Maria Bast, geboren 1978, ist Journalistin, Leiterin der Bast Medien GmbH und Autorin von mehreren Sachbüchern, Krimis und zeitgeschichtlichen Romanen. Sie erhielt diverse Auszeichnungen, darunter den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Kategorie Geschichte. Die Autorin lebt am Bodensee. Jørn Precht, geboren 1967, studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg. Seither ist er als Drehbuchautor für Kino- und Fernsehproduktionen tätig und lehrt an der Stuttgarter Hochschule der Medien. Sein Historiendrama "The Man Who Invented Europe" wurde für den deutschen Drehbuchpreis vorgeschlagen. Er hat mehrere Sachbücher und einen historischen Roman verfasst. Mit ihrer Elbstrand-Saga haben die Autoren bereits viele begeisterte Leser erreicht, jetzt wenden sie sich der interessanten Geschichte der Schwestern hinter dem Douglas-Imperium zu.
Prolog
1897
Marie Carstens hob ihr zartes Näschen in den Hamburger Sommerhimmel und schnupperte. Wie viele Gerüche es hier gab! Nach Gewürzen, nach Kaffee, nach der weiten Welt, nach Blumen, nach Abenteuer und nach Freiheit. Die Elfjährige war an diesem warmen Julitag des Jahres 1897 mit Frau Fehling, der Köchin ihrer Familie, unterwegs, um einzukaufen. Das Mädchen konnte sein Glück kaum fassen: Am Morgen hatte die stets besorgte Stiefmutter erklärt, sie habe mit Maries jüngerer Schwester einen Arzttermin, und die Köchin solle während ihrer Abwesenheit auf die ältere Tochter achten. Das bedeutete für Marie ein paar Stunden ohne strenge und überängstliche Blicke.
Odile Carstens sorgte sich ständig wegen irgendetwas. Sie hätte die Mädchen am liebsten dauernd im Blick gehabt, deshalb fühlte Marie sich bisweilen wie in einem goldenen Käfig.
An ihre leibliche Mutter hatte Marie keine Erinnerungen mehr, da sie kurz nach der Geburt der zwei Jahre jüngeren Anna an der Cholera gestorben war. Aber fürsorglicher und ängstlicher als Odile, die der Vater der Mädchen nach einem Jahr als Witwer geheiratet hatte, konnte keine biologische Mutter sein! Erst kürzlich hatte sie Frau Fehling angewiesen, jede Mahlzeit so lange zu kochen, bis sämtliche Bakterien abgetötet seien. Obwohl Marie wusste, dass man Bakterien nicht sehen konnte, hatte sie unwillkürlich nach kleinen Tierchen Ausschau gehalten. Aber es war so lecker gewesen, dass sich ihre Bedenken schnell zerstreut hatten.
Mit einem Mal wurde das Mädchen durch einen üblen Geruch aus seinen Gedanken gerissen. Unwillkürlich rümpfte es die Nase. Kein Wunder: Sie waren am Fischmarkt angekommen. Marie liebte das Menschengewimmel dort, die Seefahrerabenteuer, die man in den Gesichtern der Fischer lesen konnte. Weniger schätzte sie jedoch den Geruch von Fisch, wenn er nicht mehr ganz frisch war – etwas, das Marie immer sofort bemerkte. Und sie fand die toten Wesen mit ihrer glänzenden, schuppigen Haut und den hohlen Augen unheimlich. Bei dem Gedanken, den Fisch später essen zu müssen, drehte sich ihr der Magen um. Schnell schaute sie weg – und direkt in das Gesicht einer wunderschönen Dame, die neben ihr stehen geblieben war. Marie fiel sogleich der herrlich angenehme Duft der nobel gekleideten Mittzwanzigerin auf. Regelrecht magisch roch sie. Nach … Vanille. Danach duftete auch der Pfeifentabak ihres Papas: Vor allem wenn dieser lange fort gewesen war, sog Marie den vertrauten Geruch geradezu gierig ein. Er signalisierte, dass Heinrich Carstens von einer seiner vielen Reisen zurückgekehrt war. Dann waren sie und Anna nicht mehr den Ängsten ihrer Stiefmutter ohne die ausgleichende Wirkung des Vaters ausgeliefert.
Im Duft dieser Fremden machte Marie zudem einen Hauch von Rosen aus. Und etwas Aufregendes, das sie nicht einordnen konnte.
»Sie riechen aber gut«, platzte sie heraus und strahlte die Dame an.
»Marie«, kam es tadelnd von der dürren Köchin. »Denk an deine Mutter: Nicht mit fremden Leuten sprechen!«
Beschämt senkte das Mädchen den Blick.
»Schon gut«, beschwichtigte jedoch die Schöne. »Ich kenne die Kleine. Maria Carstens – mein Mann und ihr Vater sind gute Geschäftsfreunde.«
»Aber Maria nennt mich niemand, alle sagen Marie«, erklärte das Kind.
Frau Fehling nahm die junge Dame nun genauer ins Visier und erkannte sie schließlich: »Ach, Frau Kolbe … Bitte verzeihen Sie meine Unaufmerksamkeit, gnädige Frau!«
Die Köchin wirkte meist recht selbstsicher, doch Marie merkte deutlich, wie unangenehm es ihr war, die Freundin ihrer Herrschaft nicht sofort erkannt zu haben. Aber es war ihr ja selbst so gegangen. Sie hatte Frau Kolbe bisher noch nie bemerkt. Das war jedoch kein Wunder, denn in den seltenen Fällen, in denen ihr Vater bei ihrer Stiefmutter Empfänge oder Teeeinladungen durchgesetzt hatte – Odile Carstens befürchtete stets, bei solchen Anlässen ausspioniert zu werden –, hatte sie die Mädchen nach einer kurzen Begrüßung der Gäste stets sofort auf ihre Zimmer verbannt.
»Erinnerst du dich an mich, Marie?«, fragte Frau Kolbe nun auch, und Marie schüttelte verlegen den Kopf.
»Nicht schlimm«, lachte die Dame. »Ich an deiner Stelle würde die vielen Erwachsenen auch nicht auseinanderhalten können. Aber es freut mich, dass dir mein Duft gefällt. Das ist ein Parfüm. Damit sprühen sich feine Damen – und manchmal auch die Herren – ein, um gut zu riechen. Du kennst das bestimmt von Seifen. Die stellt mein Mann her. Sie duften ebenfalls, wenn auch nicht ganz so stark wie Parfüm.«
Mit einem Seitenblick auf die Köchin vergewisserte sich Marie, dass es in Ordnung war, wenn sie noch weiter mit der netten Dame plauderte. Die lächelte ihr aufmunternd zu. »Du kennst die Produkte von Frau Kolbe«, erklärte die Köchin. »Die Chinesische Himmelsseife benutzt du jeden Tag.«
»Ja«, rief Marie. »Die riecht so wundervoll. Immer wenn ich mir die Hände gewaschen habe, schnuppere ich ganz lange daran.«
»Wie schön«, sagte Berta Kolbe schmunzelnd. Dann fiel ihr etwas ein. »Wenn du möchtest, kannst du mich begleiten. Ich brauche dringend einen neuen Duft und wollte eine Parfümerie besuchen. Vielleicht finden wir für dich ja auch etwas Schönes.«
Marie spürte ihr Herz schneller schlagen, eine Parfümerie hatte sie schon immer einmal von innen anschauen wollen, doch ihre Stiefmutter hatte es nicht erlaubt. Ein ganzer Laden voller schöner Düfte! Flehend flog der Blick des Mädchens zu Frau Fehling. »Darf ich?«
Die Köchin zögerte. »Nun, ich weiß nicht. Ich müsste eigentlich erst die Erlaubnis meiner Herrschaft einholen.«
»Das ist mir bewusst«, pflichtete Berta Kolbe ihr bei. »Und ich würde es von meinem Personal ebenso erwarten. Aber ich kenne Maries Eltern wirklich gut und bin sicher, dass ihr Vater« – sie betonte das Wort auffällig – »nichts dagegen hätte. Wenn sich schon einmal die Gelegenheit ergibt, sollte man sie nutzen.«
Marie wusste nicht, warum, aber sie hatte das Gefühl, dass sich das Gespräch zwischen den beiden Frauen auf einer anderen Ebene abspielte. Sie hatte dies schon oft bei Erwachsenen beobachtet: dass sie etwas sagten und gleichzeitig noch eine unausgesprochene Botschaft weitergaben. Dann redeten sie anders, eindringlicher irgendwie, und sahen sich vielsagend an.
Ob Frau Kolbe wusste, dass ihre Stiefmutter sie in ihrer Ängstlichkeit regelrecht einsperrte? Hatte sie deshalb nur den Vater erwähnt und gesagt, dass der sicherlich nichts dagegen hätte? Was auch immer die stumme Botschaft war – sie kam an.
Frau Fehling stimmte zu. »Also gut. Mit Frau Kolbe unterwegs zu sein ist für dich sicher spannender als mit mir alter Köchin.« Marie wollte protestieren und beteuern, Frau Fehling sei nicht alt und ihre Gesellschaft nicht langweilig, doch diese winkte ab. »Schon gut. Wichtig ist nur, dass wir später gemeinsam nach Hause gehen.«
Wieder wechselten die beiden Frauen einen vielsagenden Blick, und Marie war sich nun sicher, dass sie sich gegenseitig das Versprechen gaben, der Stiefmutter nichts von ihrem Abenteuer zu erzählen. Was das Ganze natürlich noch aufregender machte!
»Dann ist es also abgemacht«, sagte Berta Kolbe. »Treffen wir uns in einer Stunde wieder hier?«
»Ich werde da sein«, bestätigte Frau Fehling und lächelte herzlich.
Schnurstracks ging Berta Kolbe mit Marie in ein kleines Parfümgeschäft der Firma Dralle in der Mönckebergstraße. »Das darf mein Mann nicht erfahren«, flüsterte sie dem Mädchen verschwörerisch zu. »Dralle stellt nämlich ebenfalls Feinseifen her. Dadurch ist er Konkurrenz, aber ich liebe die Parfüms einfach. Außerdem kann es ja nicht schaden, die Mitbewerber zu kennen.«
Marie, die ohnehin ganz aufgeregt war, fühlte sich mit einem Mal äußerst wichtig und nickte ernst. Nun teilten sie und Frau Kolbe also ein Geheimnis.
Die Ladentür klingelte verheißungsvoll, und sogleich strömte den beiden ein betörendes Duftgemisch entgegen. Wie berauscht, wie geblendet sah Marie sich um und fühlte sich wie im Paradies. Wohin sie auch blickte, standen kunstvoll geschliffene Gläser, in denen verschiedenfarbige Flüssigkeiten glitzerten. Wie in einem Märchenpalast, dachte Marie verzaubert.
In diesem Moment kam eine feine Dame auf sie zu – die Verkäuferin, die der Fabrikantengattin in Aussehen und Eleganz in nichts nachstand. »Guten Tag, Frau Kolbe«, grüßte sie verblüfft, aber herzlich. »Was verschafft uns die Ehre? Und wen haben Sie denn da mitgebracht?«
»Das ist Marie Carstens«, stellte sie das Mädchen vor.
Marie machte einen Knicks.
»Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Fräulein Marie«, meinte die Dame mit dem sorgsam frisierten, blonden Haarturm freundlich.
»Die Kleine interessiert sich für Parfüm, vielleicht finden wir ja einen passenden Duft für sie«, sagte Berta Kolbe.
»Dann wollen wir mal sehen«, murmelte die Verkäuferin und nahm einen besonders hübsch aussehenden Flakon aus dem Regal. »Das ist Extrait de Lilas, ein Parfüm von Delettrez für Damen. Es ist ganz neu.«
»Das heißt Flieder«, übersetzte Marie.
»Du kannst aber gut Französisch«, lobte die Verkäuferin. »Da habt ihr sicher einen guten Lehrer. Ich finde es schön, wenn die jungen Frauen diese Sprache heutzutage lernen.«
»Danke«, erwiderte das Mädchen stolz. »Unser Lehrer kann aber gar nicht so gut Französisch. Meine Stiefmutter kommt aus Elsass-Lothringen. Sie spricht mit uns zu Hause oft in dieser Sprache.«
»Da hast du aber Glück«, sagte die Verkäuferin, »wenn du später mal dorthin reist, stehen dir alle Türen offen.«
Marie, die es bisher als selbstverständlich erachtet hatte,...
Erscheint lt. Verlag | 30.11.2020 |
---|---|
Reihe/Serie | Die Parfümerie |
Die Parfümerie | Die Parfümerie |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 20. Jahrhundert • Alster • arbeitende Frauen • Bestellerautorin • Charlotte Jacobi • Coco Chanel • Die Villa am Elbstrand • Die Welt der Düfte • Douglas • Duft • Düfte • Elbe • Firmengeschichte • François Coty • Geschäftsfrauen • Hamburg • Historischer Roman • historische Saga • Künstlerinnen • Laden • mutige Frauen • Parfum • Parfüm • Parfümerie Douglas • Parfumeur • Schwestern • SPIEGEL-Bestseller 2021 • Starke Frauen • Unternehmerinnen • Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-492-99697-3 / 3492996973 |
ISBN-13 | 978-3-492-99697-6 / 9783492996976 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 4,1 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich