Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Hungerwinter (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
448 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45041-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hungerwinter -  Harald Gilbers
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
(CHF 9,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Hungerwinter, Nazi-Schleuser und ein scheinbarer Fall von Notwehr: Der 5. historische Krimi mit dem jüdischen Kommissar Oppenheimer spielt 1947 in Berlin zu Beginn des Kalten Krieges. 1947 wird Kommissar Oppenheimer mitten im Berliner Winter zum Schauplatz eines Verbrechens gerufen. Anscheinend gibt es nicht viel zu ermitteln: Der Tote ist ein Einbrecher, der vom Hausherrn überrascht wurde. Notwehr. Doch Oppenheimer hat Zweifel am Tathergang, die sich schnell bestätigen. Als kurz darauf sein Kollege Billhardt spurlos verschwindet, wird Oppenheimer bewusst, in welches Labyrinth aus Verrat und Täuschung er sich vorgewagt hat. Und die Verschwörung reicht bis in die Reihen der Kripo ...  Mit seiner historischen Krimi-Reihe um den jüdischen Kommissar Oppenheimer zeichnet der Historiker Harald Gilbers ein packend-realistisches Bild der 40er Jahre in Berlin. Kriegswirren und Bombennächte, der Zusammenbruch des NS-Reiches, Hungerwinter und das Tauziehen der alliierten Siegermächte um Berlin im Kalten Krieg werden atmosphärisch so dicht beschrieben, »dass der Leser sich geradezu im zerbombten Berlin [...] wähnt.« BR 5 Aktuell Für den ersten Band der Krimi-Reihe wurde Harald Gilbers mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet.  Die historischen Krimis um Kommissar Oppenheimer sind in folgender Reihenfolge erschienen: - »Germania« (1944) - »Odins Söhne« (1945) - »Endzeit« (1945) - »Totenliste« (1946) - »Hungerwinter« (1947) 

?Harald Gilbers, geboren 1969, stammt aus Moers am Niederrhein und lebt derzeit in Ostrhauderfehn. Er studierte Anglistik und Geschichte in Augsburg und München. Anschließend arbeitete er zunächst als Feuilleton-Redakteur beim Fernsehen, bevor er als freier Theaterregisseur tätig wurde. Sein Romandebüt »Germania«, der erste Fall für Kommissar Oppenheimer, erhielt 2014 den Friedrich-Glauser-Preis und wurde bislang in acht Sprachen übersetzt. In Japan schaffte es der Roman gleich auf zwei Jahres-Bestenlisten mit ausländischen Krimis. Die Fortsetzung, »Odins Söhne«, wurde 2016 in Frankreich mit dem Prix Historia als bester historischer Kriminalroman ausgezeichnet.

​Harald Gilbers, geboren 1969, stammt aus Moers am Niederrhein und lebt derzeit in Ostrhauderfehn. Er studierte Anglistik und Geschichte in Augsburg und München. Anschließend arbeitete er zunächst als Feuilleton-Redakteur beim Fernsehen, bevor er als freier Theaterregisseur tätig wurde. Sein Romandebüt »Germania«, der erste Fall für Kommissar Oppenheimer, erhielt 2014 den Friedrich-Glauser-Preis und wurde bislang in acht Sprachen übersetzt. In Japan schaffte es der Roman gleich auf zwei Jahres-Bestenlisten mit ausländischen Krimis. Die Fortsetzung, »Odins Söhne«, wurde 2016 in Frankreich mit dem Prix Historia als bester historischer Kriminalroman ausgezeichnet.

1


Donnerstag, 6. November 1947 –
Freitag, 7. November 1947

Nichts war kälter als der Tod. Bei diesem Gedanken zog Ursula die Strickjacke um sich zusammen. In den Kriegsjahren war sie im Krankenhausdienst häufig Zeugin davon geworden, wie ein Mensch starb. Die letzten Zuckungen, das Entweichen der Luft aus der Lunge, das die Stimmbänder aktivierte und deshalb wie ein Seufzer klang, das allmähliche Erkalten des Körpers – das alles war nicht neu für sie. Bislang war das lediglich Fremden geschehen, während Ursula ihrem Beruf nachging.

Seit wenigen Minuten existierte diese unsichtbare Grenze nicht mehr. Denn jetzt hatte sich in ihrer eigenen Wohnung ein jäher Gewaltausbruch zugetragen. Fassungslos starrte Ursula auf das Schauspiel im Wohnzimmer. Da sie keinen Balkon besaß, hatte sie quer im Raum dünne Seile aufgespannt, um über Nacht die Kochwäsche zu trocknen. Ein weißer Himmel aus feuchten Bettlaken, darunter eine heruntergerissene Leine mit einem zusammengeknüllten Laken. Und genau vor ihren Füßen lag im Licht der nackten Glühbirne eine gekrümmte Leiche.

Ursulas Atem ging immer noch stoßweise. Was war nur mit Konrad, ihrem Mann, geschehen? Wie hatte es so weit kommen können?

»Es wird alles wieder gut«, flehte die Männerstimme.

Das Entsetzen über die Geschehnisse war so groß, dass sie erst mit einiger Verspätung den Sinn des Gesagten verstand.

Sicher, er wollte sie beruhigen. Nur passten die Worte nicht zu dem blutverschmierten Messer in seiner Hand. Seine aschblonden Haare waren zerzaust, das Gesicht war so stark gerötet, dass er förmlich zu glühen schien. Der Mann, von dem sie geglaubt hatte, dass er ihr Seelenverwandter war, kam Ursula unvermittelt wie ein Fremder vor.

Plötzlich hörte sie etwas hinter ihrem Rücken. Feste Schläge gegen massives Holz. Jemand hämmerte an ihre Wohnungstür. Jemand wollte herein.

»Is alles in Ordnung bei euch?«, fragte eine dumpfe Stimme im Treppenhaus.

Ursula dachte daran, wie verfänglich ihre Situation war. Falls der Nachbar sie beide zusammen mit dem Toten entdeckte, würde er die falschen Schlüsse ziehen und einen kaltblütigen Mord vermuten. Das durfte nicht geschehen. Wenn die Leute erst einmal damit anfingen, indiskrete Fragen zu stellen und sich das Maul zu zerreißen, dann wäre es schnell vorbei. Ihr Leben in Geborgenheit, das Ursula doch gerade erst kennengelernt hatte.

Fest entschlossen, das nicht zuzulassen, hastete sie durch die dunkle Diele und lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür. Vielleicht ließ sich das Unheil ja aufhalten, wenn sie ihm den Zugang verwehrte.

Ihr Liebster trat an sie heran und zischte: »Ich habe schon abgeschlossen, sicher ist sicher.« Dann richtete er seine stahlgrauen Augen auf Ursula.

»Wir haben nicht viel Zeit. Wirst du mir helfen?«

»Das weißt du doch«, antwortete sie mit tonloser Stimme.

 

Oppenheimer musste täglich vom britisch besetzten Schöneberg in den sowjetischen Teil der Stadt pendeln, da sich seine Dienststelle in der Nähe des alten Polizeipräsidiums am Alexanderplatz befand. Noch in den letzten Kriegsmonaten war die Respekt einflößende Zentrale durch Bomben fast vollständig zerstört worden, und die derzeit laufenden Renovierungsarbeiten kamen derart schleppend voran, dass sich Oppenheimer keine Illusionen mehr machte. Er glaubte nicht daran, dass er in seiner Funktion als Mordkommissar jemals wieder einen Schritt in den weitläufigen Bürotrakt der sogenannten roten Burg setzen würde.

Mittlerweile waren die Verwaltung und die Dienststellen auseinandergerissen. Das offizielle Polizeipräsidium befand sich jetzt in der Nähe des Rosenthaler Platzes und damit ebenfalls im sowjetischen Sektor, dort beschäftigte man sich aber hauptsächlich mit der Verwaltung des Polizeiapparates. Oppenheimer gehörte zu den Fachkräften, die in einem ehemaligen Lagergebäude des Karstadt-Konzerns untergekommen waren. Es war ein großer Gebäudekoloss, der zwischen der Keibel- und der Neuen Königsstraße lag, sich für die Zwecke des Warenhausinhabers als viel zu weitläufig herausgestellt hatte und deshalb an das Reichsfinanzministerium verkauft worden war. Erst einige Monate nach seinem Arbeitsantritt war Oppenheimer auf die Tatsache aufmerksam geworden, dass in den Büros nach 1936 das Statistische Reichsamt untergebracht war, das unter anderem für Hitlers Regierung die Judenzählungen durchgeführt hatte. Zweifelsohne waren auch seine Daten hier gelandet. Man hatte die Unterlagen hier verarbeitet, sortiert, und in einem dieser anonymen Büros hatte jemand über Oppenheimers Schicksal entschieden. Und jetzt bewegte er sich frei durch das Gebäude, war sogar wieder eine Respektsperson. Manchmal konnte er es selbst nicht glauben.

An diesem Abend war er beim Mordbereitschaftsdienst zur Nachtschicht eingeteilt. Und bis zum ersten Einsatz sollte es nicht lange dauern. Viertel nach ein Uhr in der Nacht wurde er von Kriminalanwärter Wenzel aus dem Dämmerschlaf gerissen, weil sie in den Stadtbezirk Treptow mussten. Bereits wenige Minuten später saß Oppenheimer auf dem Beifahrersitz des Dienstfahrzeugs und starrte auf die nächtlichen Straßen. Er schätzte, dass es jetzt gegen halb zwei war. Eine funktionierende Armbanduhr war immer noch eine Rarität, und die Schwarzmarktpreise erreichten schwindelerregende Höhen, die sich Oppenheimer mit seinem mageren Gehalt beim besten Willen nicht leisten konnte.

Die Wischer ihres Autos kratzten über die Windschutzscheibe. Jedes Mal, wenn auch nur ein einzelner Tropfen auf das Glas fiel, schaltete Wenzel diese verdammten Scheibenwischer an, sodass sich einzelne Schlieren über die Scheibe zogen.

Um zu ihrem Ziel, einem Wohnblock an der Köpenicker Landstraße, zu kommen, mussten sie die Spree überqueren. Das ging am besten auf der Schillingbrücke. Trotz Hitlers Befehl, beim Anrücken des Feindes strategisch wichtige Infrastruktur zu zerstören, war sie in der Endphase nicht gesprengt worden.

Auf dem Weg zu ihrem Einsatz durchquerten sie am südlichen Spreeufer auf knapp zwei Kilometern den amerikanischen Sektor. Als am Straßenrand das weiße Schild an ihnen vorbeizischte, auf dem in schwarzen Buchstaben stand, dass sie den sowjetischen Einflussbereich verließen, spürte Oppenheimer eine gewisse Erleichterung. Die währte jedoch nicht lange, denn bereits wenige Minuten später erschien im Scheinwerferlicht ein weiteres Schild, und sie tauchten wieder in den Ostsektor ein.

Und schon wurde Oppenheimer erneut von der altbekannten Beklemmung erfasst.

Tagtäglich pendelten unzählige Berliner zwischen den Besatzungszonen hin und her, ohne sich dabei etwas zu denken. Ähnlich wie Oppenheimer gingen sie im benachbarten Sektor zur Arbeit oder besuchten die mittlerweile enttrümmerten Flaniermeilen der Innenstadt. Die Grenzen der Einflusssphären waren praktisch unsichtbar. Man konnte beinahe ein friedliches Miteinander der Besatzungsmächte vermuten.

Für die Bewohner der westlichen Sektoren, zu denen auch Oppenheimer zählte, war der Ostteil der Stadt jedoch zunehmend ein weißer Fleck auf der Karte. Wenn es sich vermeiden ließ, zog man es vor, nicht in den sowjetischen Teil zu fahren. Denn in den letzten Monaten hatte sich herumgesprochen, dass Menschen dort spurlos zu verschwinden pflegten.

Die Gerüchteküche brodelte, und die Zeitungsberichte der westlich orientierten Presse taten ihr Übriges. Die Leute sprachen von illegalen Verhaftungen und generalstabsmäßig geplanten Entführungen. Und neben allen Übertreibungen und Zuspitzungen gab es die harten Zahlen. So hatte die Berliner SPD-Fraktion ausgerechnet, dass bisher mehr als fünftausend Personen verschwunden waren. Dass ein derart großer Anteil der Stadtbewohner als vermisst galt, war auch das Thema, das in der Stadtverordnetenversammlung zurzeit die größten Kontroversen auslöste. Doch außer hitzigen Reden war bislang nicht viel geschehen. Die Abgeordneten der kommunistischen Einheitspartei SED unterstützten in dieser Sache demonstrativ den Polizeipräsidenten Markgraf. Ihm wurde vorgeworfen, nichts gegen die Massenverschleppungen zu unternehmen. Da Markgraf die Führung der Polizei mit dem Segen der Sowjetischen Militäradministration übernommen hatte, war es nicht verwunderlich, dass er keine großen Anstrengungen unternahm, die Vermisstenfälle aufzuklären.

»Wir sind gleich da«, sagte Wenzel und stieß dabei einen Schwall blauen Zigarettenrauchs aus. Oppenheimer brummte zustimmend. Immer noch ein wenig schläfrig, lehnte er den Kopf nach hinten und ließ die Häuserzeilen an sich vorbeitreiben. Vielleicht konnte er auf den letzten hundert Metern ja noch ein wenig Kraft tanken. Es hieß, dass die Leute mit zunehmendem Alter immer weniger Schlaf benötigten. Oppenheimer musste da wohl eine Ausnahme sein. Er war jetzt Ende vierzig und benötigte mehr Ruhepausen als je zuvor. Wenzel machte es mit seinen dreißig Lenzen hingegen nicht viel aus, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen. Und doch sah er älter aus, als er war. Die Haut war genauso grau wie die Asche seiner gerauchten Zigaretten. Die Kriegserlebnisse und die Mangelernährung hatten Wenzel tiefe Furchen ins Gesicht gegraben. Wie immer klebte eine brennende Zigarette in seinem Mundwinkel.

Oppenheimer wunderte sich, dass so viele Leute rauchten. Irritierenderweise schienen jetzt sogar noch mehr Berliner dem Tabakkonsum zu frönen als früher, und das, obwohl die Rauchwaren mittlerweile schier unbezahlbar waren. Die offiziellen Zuteilungen waren denkbar bescheiden. Ein erwachsener Mann bekam pro Monat zwölf Zigaretten zugebilligt, Frauen sogar nur die Hälfte. Wenzel hätte mit seiner mageren Ration nicht einmal einen halben Tag...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2020
Reihe/Serie Ein Fall für Kommissar Oppenheimer
Ein Fall für Kommissar Oppenheimer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1947 • Berlin • CIC • Einbruch • Fluchtwege • Geheimdienst • Gehlen • Hauptsturmführer • Heimkehrer • Historische Kriminalromane • Historische Krimis • historische romane 20. jahrhundert • Historische Romane Deutschland • historische Romane für Männer • historische Romane Nachkriegszeit • Historische Romane Serie • Hungerwinter • Kommissar Oppenheimer • Kriegsgefangenschaft • Kriegsheimkehrer • Krimi historisch • Krimi-Reihe • Krimi-Serie • Mord • Nachkriegszeit • Nachkriegszeit Deutschland • Nachkriegszeit Krimi/Thriller • Nachkriegszeit Romane • Nachrichtendienst • Nazi-Verschwörung • Notwehr • Organisation Gehlen • Paul Hinze • Rattenlinie • Schleuser • Schleuserring • Selbstmord • SS-Mitglieder • SS-Sondereinheit • Suizid • Verschwörung • Vogler • Winter
ISBN-10 3-426-45041-0 / 3426450410
ISBN-13 978-3-426-45041-3 / 9783426450413
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
CHF 9,75
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
CHF 9,75
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
CHF 9,75