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Mein Wintergarten (eBook)

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2019 | 1., Mit farbigen Abbildungen
126 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76428-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Wintergarten - Vita Sackville-West
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Vita Sackville-West, Schriftstellerin und begnadete Gärtnerin, hat nicht nur den berühmtesten Garten der Welt - Sissinghurst - geschaffen, sondern auch ihre Liebe zur Natur in ihren legendären, weil ebenso kenntnisreichen wie charmanten Gartenkolumnen festgehalten, die hier nach Jahreszeiten geordnet vorgestellt werden.

Die Gartenarbeit ist abgeschlossen, die Bäume sind kahl, der Garten liegt im Winterschlaf - scheinbar. Denn nun entfaltet sich die stille Pracht des Wintergartens. Christrosen trotzen Schnee und Frost und erblühen in Weiß und zartem Rosa, und die Hyazinthen lassen ihre dichten Trauben leuchten und verheißen den baldigen Frühling.



<p>Victoria Mary Sackville-West (1892-1962), genannt Vita, publizierte in ihrem Leben &uuml;ber f&uuml;nfzig B&uuml;cher. F&uuml;r den Observer schrieb sie jahrelang eine erfolgreiche Gartenkolumne. 1930 erwarb sie Sissinghurst Castle in Kent, wo sie zusammen mit ihrem Mann einen der sch&ouml;nsten G&auml;rten Englands entwarf und anlegte.</p>

Dezember


Jetzt haben wir also Dezember, den Mid-winter-monath, wie er auf altsächsisch hieß, und wie schwer ist es, auch nur genug Blumen für einige Vasen zu erlangen. Die winterblühende Rosenkirsche, Prunus subhirtella Autumnalis, ist da eine große Hilfe. Ich habe in den letzten beiden Wochen immer wieder kleine Zweige abgeschnitten und sie in warmen Räumen ins Wasser gestellt, wo sich die grünen Knospen dann ganz überraschend zu den weißen, leicht duftenden Blüten öffnen, die den Frühling erwarten lassen. Die Rosenkirsche ist ein kleiner Baum, der eigentlich in jeden Garten gehört. Er braucht nicht viel Platz, und zwischen November und März kann man sich überreichlich seiner Zweige bedienen. Selbst wenn einige Knospen dem Frost zum Opfer fallen, scheint dieser tapfere kleine Bursche immer wieder neue liefern zu können.

Dann gibt es noch Mahonia japonica, einen stacheligen, berberitzenähnlichen Strauch mit spitzen zitronengelben Blüten, die wie Maiglöckchen riechen. Er ist keine übermäßig schöne Pflanze, keine, die wir wegen ihrer Schönheit anschaffen, uns geht es nur um die Blüten, die er uns zu dieser toten Jahreszeit schenkt, und deshalb würde ich raten, ihn in eine überzählige Ecke zu setzen, wenn möglich in den Schutz anderer Sträucher. Er gedeiht in jedem normal guten Boden und hat auch gegen ein wenig Schatten nichts einzuwenden. Vielleicht ist er Ihnen schon unter dem Namen Berberis bealei begegnet.

Beides sind Pflanzen, die im Freien und eigentlich in jedem Garten stehen können. Wer jedoch ein Gewächshaus hat, das gerade genug beheizt wird, um den Frost auszusperren, sollte sich den Frauenschuh Cypripedium insigne zulegen. Diese Orchidee ist als Topfpflanze wirklich zu empfehlen. In einer Vase halten die Blüten sich bis zu sechs Wochen, vielleicht nicht ganz so lange in einer rußigen Stadt, aber auf jeden Fall in sauberer Umgebung. Die Gattung ist grünlich mit brauner, aufgeblasener Lippe mit gelben Streifen, außerdem gibt es viele attraktive Hybriden in anderen Farben. Es ist eine äußerst pflegeleichte Pflanze, sie ist fast unverwüstlich, solange Sie sie nicht erfrieren lassen oder zu gießen vergessen. Sie muß alle drei bis vier Jahre umgetopft werden, nehmen Sie dazu einen Kompost aus der Gärtnerei.

Die Mode, Pflanzen im Haus zu ziehen, wächst so rasch wie einige der zu diesem Zweck empfohlenen Pflanzen. Das ist verständlich. Nur wenige unter uns haben heutzutage ein beheizbares Gewächshaus, deshalb müssen wir unsere warmen Zimmer und unsere sonnigen Fensterbänke nach Kräften nutzen. Voller Neid denken wir daran zurück, wie unsere Großmütter ihre Töpfe mit duftenden Geranien über Jahre hinweg am Leben erhielten, oder an ihren geliebten Topf mit Alpenveilchen, die eigentlich nach dem ersten oder zweiten Blühen auf den Müll gehört hätten. Ich frage mich oft, wieso unsere Großmütter das so erfolgreich durchhielten, obwohl ihnen all die Hilfsmittel und Werkzeuge und guten Ratschläge fehlten, mit denen wir heute geradezu überhäuft werden.

Ich selber bin allerdings keine große Freundin von Zimmerpflanzen. Ich ziehe Zwiebeln in Torf, das tun wir schließlich alle, und ich bin dankbar für ihre aufeinanderfolgenden Geschenke, die sie getreulich von Weihnachten an bis zu dem Zeitpunkt abliefern, wenn die ersten Blumen im Garten erscheinen. Ich möchte eigentlich keine Efeuranken um meine Bücherregale winden, wie unsere skandinavischen Freunde das in Norwegen und Schweden angeblich tun; das würde mich nur daran hindern, das Buch, in dem ich gerade lesen will, herauszunehmen.

Aber es gibt doch eine kleine Zimmerpflanze, die ich allen empfehlen würde, die sich ein wenig leuchtendes Grün in einem Topf oder einem hängenden Korb wünschen. Diese Pflanze wurde zu Ehren von John Tradescant, dem Gärtner Charles I, Tradescantia getauft. Sie ist auch als Dreimasterblume bekannt. Ich nehme an, daß sie ihren Namen dem heftigen Wachstum ihrer Wurzeln verdankt; jeder Knoten entwickelt neue, und wenn Sie einen Stengel einige Wochen ins Wasser legen, werden Sie daran bald weiße, wurmähnliche Wurzeln entdecken.

Es ist eine sehr hübsche Pflanze mit ihren grünweißgestreiften Blättern, ich wünschte nur, ihre Liebhaber würden sie nicht »Trad« nennen. Diese Abkürzung ist genauso häßlich wie Daff für Osterglocken (Daffodils), Pollies für Polianthes, Rhodos für Rhododendron, Mums für Chrysanthemen oder Glads für Gladiolen. Die einzige Abkürzung, die mir gefällt, ist eine echt ländliche: Dandies für Löwenzahn (Dandelions). Aber diese Abkürzung stammt von einem Kind, nicht von einem Gärtner.

Ich habe mir oft überlegt, und ich glaube, ich habe es auch schon in dieser Kolumne erwähnt, daß es reizvoll sein müßte, einen Garten ganz allein mit der einheimischen Flora der Britischen Inseln zu füllen. Wir müßten jedoch genau auswählen und Streuner und Invasoren vermeiden, außerdem müßten wir uns über die nötigen Bodenverhältnisse informieren; es wäre beispielsweise absurd, Heidekraut in die Nähe von kalkliebenden Pflanzen zu setzen oder die Bewohner von Marschboden zusammen mit Büscheln von Gras- oder anderen Nelken, die uns so munter und trocken aus Rissen in unseren Klippen zuwinken. Aber wir brauchen wirklich nur auf die grundlegendsten Unterschiede zu achten.

Kein leidenschaftlicher Bewahrer unserer wilden Blumen soll jetzt aber denken, ich riete dazu, Seltenheiten zu versetzen, die schon jetzt durch die Ausweitung von Ackerland oder durch die von wohlmeinenden, aber unwissenden Amateurbotanikern angerichteten Verwüstungen in ihrer Existenz bedroht sind. Nur über meine Leiche … Aber es ist durchaus möglich, (1) Samen zu sammeln, (2) bei einem Gärtner Einzelexemplare zu kaufen. Auf diese Weise könnte sogar die ein oder andere Art vor dem Aussterben gerettet werden. Auch die Verpflanzung in besseren Boden könnte von Vorteil für sie sein und schönere Pflanzen ergeben. Beim himmelblauen Chicorée ist das beispielsweise der Fall.

In einem so kurzen Artikel kann ich allerdings nur auf einige wilde Blumen hinweisen, die sich auch für die Zucht im Garten eignen. Die erste Reaktion mancher Leser besteht nun sicher in dem Ausruf: »Wilde Blumen? Meinen Sie etwa Unkraut?« Aber gemach: Viele wilde Blumen können wir einfach nicht als Unkraut betrachten. Kaiserkrone, Osterglocke, kleines Maiglöckchen, die gelbe Tulpe sylvestris, Herbstkrokus, die weinrote Daphne mezereum (Seidelbast), verschiedene lila oder weiße Veilchen, grüne Christrose, Gladwyn-Iris, goldene Trollblume, Sumpfdotterblume, Pfingstnelke, Süßdolde, diverse Glockenblumen, Sumpfvergißmeinnicht, Bibernellrose, manche Wolfsmilcharten, Schneeglöckchen und Märzenbecher. Und dabei fehlen noch die gesamte Primelfamilie und die Orchideen, die aber eine Verpflanzung vermutlich nicht überleben werden. Kaufen Sie sie bei einem Gärtner, wenn Sie nicht darauf verzichten wollen, aber graben Sie sie auf keinen Fall aus.

Im Vergleich mit der Pracht der Alpen, der Dolomiten, der Pyrenäen oder des Libanons können wir nur eine bescheidene kleine Auswahl produzieren, aber vielleicht ist jetzt doch schon deutlich geworden, daß ein botanischer Urlaub zumindest ein Stück Garten füllen könnte, in sicherer Entfernung zu den auserleseneren blumigen Nachbarn. Dieses Stück Garten könnte bezaubernde Erinnerungen wecken: »Weißt du noch, wie wir den walisischen Mohn entdeckt haben?« – »Ich habe die Küchenschelle aber früher gesehen als du!«

Der für den Winter zum Schlafen gebrachte Garten bietet einen angenehmen Anblick. Braune Erddecken verhüllen die verborgenen Wurzeln. Auf dem Boden ist nichts zu sehen, doch in der Tiefe bereitet sich allerlei auf den Frühling vor. Ich glaube, es lohnt sich, blühenden Sträuchern eine dicke Schicht von alten Blättern zu verpassen, statt diese allesamt wegzuharken. Eine solche Schicht schützt die Sträucher einerseits vor Frost und wird auf die Dauer zu dem wertvollen Humus, den alle Pflanzen brauchen. Es...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2019
Übersetzer Gabriele Haefs
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Garten
Technik
Schlagworte 20. Jahrhundert • 50plus • amaryllis • Anemonen • Best Ager • Blumen • Blumenstrauß • Christrose • Clematis • Cottage Garten • Frühling • Frühlingsgarten • Garten • Gartengestaltung • Garten im Frühjahr • Garten im Frühling • Garten im Herbst • Garten im Sommer • Gartenkolumnen • Gartenliebhaber • Gartenratgeber • Gärtnern • Generation Gold • Geschenkbuch • Geschenkbuch für Frauen • Geschenkbuch für Gärtner • gladiolen • Golden Ager • Herbst • Hyazinthe • Illustrationen • insel taschenbuch 4737 • Iris • IT 4737 • IT4737 • Jasmin • Kräuter • Krokus • Lady Nicolson • Lieblingsblumen • Lilien • Mohn • Narzissen • Nelken • Pfeifenstrauch • Pflege • Rentner • Rentnerdasein • Rosen • Ruhestand • Senioren • Sissinghurst • Sommer • Sommergarten • Stiefmütterchen • Tigriden • Tipps • Virginia Woofl • Waldmeister • Winter
ISBN-10 3-458-76428-3 / 3458764283
ISBN-13 978-3-458-76428-1 / 9783458764281
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