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1965 - Der erste Fall für Thomas Engel (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
416 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-24460-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

1965 - Der erste Fall für Thomas Engel -  Thomas Christos
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1965: Eine Mordserie erschüttert Düsseldorf, und die Spuren führen weit zurück und tief hinein in einen Sumpf aus alten braunen Seilschaften.
In der alten Ruine Kaiserswerth wird ein junges Mädchen tot aufgefunden. Der junge Kriminalbeamte Thomas Engel wittert seinen ersten großen Fall und stürzt sich in die Ermittlungen. Schon bald entdeckt er, dass es nicht das erste Opfer ist, das in der abgelegenen Ruine gefunden wurde. 1939 gab es schon einmal einen ähnlichen Fall. Damals schritt die Gestapo ein und ließ den Mörder hängen. Ist es Zufall, dass sich die Geschichte wiederholt? Engel hat das Gefühl, dass etwas vertuscht werden soll und gerät schnell mitten hinein in alte Seilschaften, die beste Verbindungen in höchste gesellschaftliche Kreise unterhalten.
Der Beginn einer Reihe um den jungen Kommissar Thomas Engel.

Thomas Christos ist das Pseudonym des Drehbuchautors Christos Yiannopoulos. 1964 kam er als Sohn griechischer Gastarbeiter nach Deutschland. Er studierte Germanistik und Pädagogik in Düsseldorf und schrieb bereits mit 24 Jahren sein erstes Drehbuch, das auch verfilmt wurde. Danach war er hauptsächlich Drehbuchautor für das Fernsehen und wirkte an vielen erfolgreichen Produktionen mit. Unter anderem wurde er für seinen Film »Schräge Vögel« für den Adolf-Grimme-Preis nominiert. Er lebt zurzeit in Düsseldorf.

2


1965 fanden in Deutschland die ersten Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg statt, im deutschen Fernsehen sorgte eine Sendung namens Beat-Club für wütende Reaktionen bei den Erwachsenen, und irgendwo am tiefsten Niederrhein zwängten sich drei Männer auf einen Hochsitz. Zwei davon, Walter Engel und Kurt Strobel, Mitte fünfzig, sahen in ihren grünen Loden wie richtige Jäger aus, während der dritte, der einundzwanzigjährige Thomas Engel, in Räuberzivil steckte, obwohl er unbedingt zur Kripo wollte. Thomas hasste die Jagd, er hasste auch diese Gegend, die nasskalten Wiesen, die Baumskelette und vor allem den Nebel, der nach Rinderbrühe stank. Trotzdem hast du dich hier wohlgefühlt und bist jetzt voller Schrotkugeln, sagte er in Gedanken zu dem toten Hasen, den sein Vater vor einer halben Stunde geschossen hatte. Er streichelte ihn sanft, als würde er noch leben. Dass Thomas mit auf die Pirsch gegangen war, hatte einen einfachen Grund. Er wollte gute Stimmung bei seinem Vater machen. Der Vater leitete die kleine Kreispolizeibehörde des Ortes, wobei sich die polizeiliche Arbeit in Grenzen hielt: Es gab gelegentlich eine Verwarnung für zu schnelles Traktorfahren oder eine Rüge für den Kellner, wenn er aus drei angetrunkenen Gläsern Bier ein ganzes machte. Vielmehr sah Thomas’ Vater sich als Hüter der Moral und Bewahrer der Tradition, wie es ihm auch der Gemeinderat anlässlich des dreißigjährigen Dienstjubiläums in einer öffentlichen Sitzung bescheinigt hatte. Und als solcher wollte er ein Vorbild sein. Er schnitt den Rasen vor dem Haus akkurat und maß mit einem Lineal alles ab. Unkraut wurde nicht herausgezupft, sondern gleich rausgebrannt. Thomas’ Mutter wischte jeden Tag die Fenster blitzblank und streifenfrei, putzte alles keimfrei mit Salmiak, und niemals hing die Wäsche schief. Für Thomas hieß es: Lernen statt faulenzen. Alkohol meiden. Nicht auffallen, sondern anpassen. Gehorchen, statt Fragen zu stellen. Zur guten Erziehung gehörte es auch, dass sich der pubertierende Thomas beim Katechismusunterricht hatte anhören müssen, dass Selbstbefriedigung eine Sünde sei oder eine Geisteskrankheit. (Der Priester wohnte übrigens seit dreißig Jahren mit der Haushälterin zusammen und hatte da leicht reden.)

Das alles führte dazu, dass Thomas wegwollte. Er hatte sein Abitur gemacht, die Stadt lockte, er musste dieser Enge hier entkommen. Dafür hatte er wochenlanges Übungsschießen im Schützenverein in Kauf genommen. Mit den anderen Schützen, die in Reih und Glied und mit Tschingderassabum durch den Ort marschierten, verband ihn nichts. Sogar sein Vater, der Traditionen eigentlich liebte, hielt sich von ihnen fern. Einmal hatte er gesagt: »Das erinnert mich an das Militär, und damit habe ich nichts zu tun. Ich war immer nur Polizist!« Warum er das Militär kritisierte, behielt er für sich. »Ich war nicht bei der Wehrmacht, ich war nur Polizist. Und der Hitlerpartei bin ich auch nicht beigetreten, obwohl mich die Nazis bedrängt haben«, betonte er oft, ohne ins Detail zu gehen.

Thomas selbst wusste wenig über die Nazis und Hitler, weil der Geschichtsunterricht bei Bismarck geendet hatte. Viele Bewohner des Ortes sprachen gut über Hitler. Nicht selten hörte Thomas den Satz: »Bei Adolf wäre das nicht passiert« – wenn fahrende Zigeuner ihre Teppiche verkaufen wollten oder ein paar vorlaute Jugendliche aus dem Transistorradio »Negermusik« hörten. Diese Gefahr bestand beim heranwachsenden Thomas allerdings nicht, denn seine Altersgenossen nahmen den Sohn des Polizisten gar nicht in ihre Mitte auf. So blieb er ein Einzelgänger, der in seiner Bücherwelt eine Heimat fand. Am liebsten las er Kriminalromane. Er hatte keine speziellen Helden, er mochte Sherlock Holmes genauso wie Sam Spade oder Kommissar Maigret. Aber sein größtes, reales Vorbild war Kurt Strobel, den er »Onkel« nannte. Er war ganz anders als sein Vater. Er besaß Humor, lebte in der Stadt, und vor allem war er Leiter der Kriminalpolizei. Das imponierte Thomas gewaltig. So wie Kurt Strobel wollte er auch werden. Ein Kriminalist, der das Böse bekämpfte, kein Dorfpolizist wie sein Vater.

»Aufwachen!« Sein Vater drückte Thomas unsanft das Fernglas auf die Brust. »Keine hundertfünfzig Meter, leichtes Ziel, schätze mal neunzig Kilo. Kriegst du mit einem Blattschuss hin.«

Durch das Fernglas sah Thomas eine Wildschweinbache mit ihren Frischlingen.

»Geht nicht. Schonzeit für die Bache«, kommentierte er und reichte seinem Vater das Fernglas zurück.

»Kriegt doch keiner mit, also schieß!«, drängte der Vater.

Widerwillig nahm Thomas das Gewehr und legte an. Die Bache bot zwar ein leichtes Ziel, aber er zögerte.

»Ich kann das nicht.«

»Was anderes kommt dir heute nicht mehr vor die Flinte. Mach endlich, damit wir nach Hause kommen!«

Strobel, der bis jetzt nur zugehört hatte, wandte sich an Thomas’ Vater.

»Walter, er muss doch nicht!«

»Habe ich jetzt einen Sohn oder nicht?«

»Hast du!«, schrie Thomas trotzig und drückte ab.

Durch sein Gebrüll war die Bache zwar hochgeschreckt, aber Thomas traf dennoch. Die Frischlinge quiekten wild und wussten nicht, was sie machen sollten: wegrennen oder bei der Mutter bleiben?

»Blattschuss! Waidmannsheil«, sagte Thomas’ Vater und machte sich sogleich daran, den Hochsitz herunterzusteigen.

Thomas ahnte, dass er sie nicht richtig getroffen hatte.

»Warte, die lebt noch«, warnte er, aber sein Vater winkte ab und eilte auf das Tier zu, gefolgt von Strobel. Thomas sollte recht behalten. Das Tier war nicht tot. Unvermittelt begann es zu kreischen, mobilisierte unerhörte Kräfte, kam noch einmal auf die Beine und lief geradewegs auf die beiden Männer zu, die schon mit dem Schlimmsten rechneten. Doch sie kam nicht weit. Sie verfing sich in ihren eigenen Eingeweiden, brüllte vor Schmerzen, spuckte literweise Blut, bis sie sich schließlich auf die Seite legte, um zu sterben. Statt zu flüchten, liefen die Frischlinge instinktiv zu ihrer Mutter, um Schutz zu suchen. Die wälzte sich im Todeskampf auf dem feuchten Boden und konnte ihnen nicht helfen. Vergeblich stupsten die Tierchen mit den Nasen gegen ihren Bauch, um an die Zitzen zu kommen.

»Gib ihr den Fangschuss«, befahl Walter Engel seinem Sohn. Beim Anblick des leidenden Muttertieres und der hilflosen Frischlinge wurde Thomas speiübel. Er konnte nicht hinschauen. In diesem Moment schwor er sich, nie mehr einen Schuss abzugeben.

»Los, mach schon! Sie leidet, nur weil du zu blöd bist, einen anständigen Blattschuss hinzulegen.«

Thomas brachte es nicht übers Herz.

»Sei doch endlich ein Mann!«

Strobel mischte sich ein: »Walter, kümmere du dich bitte um die Frischlinge. Ich mach das hier.«

Dann lud er sein Gewehr durch und reichte es Thomas, während sein Vater ein Messer hervorholte.

»Du musst den Lauf zwischen die Teller halten und dann abdrücken«, erklärte er.

Thomas hielt noch immer den toten Hasen fest im Arm.

»Und wenn ich nicht treffe, dann leidet sie noch mehr.«

»Komm, ich zeig’s dir.«

Strobel nahm das Gewehr und drückte den Lauf zwischen die Ohren des Tieres.

»Ich stellte mir immer vor, am Lauf wäre ein Bajonett. Das erleichtert das Zielen.«

Er drückte ab, und der Schuss erlöste das Tier.

»Das mit dem Bajonett habe ich von deinem Vater gelernt«, meinte er und klopfte Thomas auf die Schulter. Der wäre am liebsten weggelaufen. Das quälende Quieken der Frischlinge, die dem Messer seines Vaters nicht entrinnen konnten, war nicht zu ertragen. Strobel legte seinen Arm um Thomas’ Schulter.

»Alleine würden sie doch nicht durchkommen.«

Als Thomas die tote Bache sah, die leblosen Frischlinge und seinen Vater, der das Blut vom Messer wischte, wünschte er sich zum ersten Mal in seinem Leben den gewohnten Nebel herbei, damit er das ganze Elend nicht zu sehen brauchte.

Während sein Vater die Bache fachgerecht zerwirkte, stand Thomas mit seinen Hasen verloren da. Sein ganzer Plan war schiefgelaufen. Statt dem Vater zu imponieren, fühlte er sich jetzt auf der blutgetränkten Wiese wie ein Versager. Strobel schien Thomas’ Stimmung nicht zu entgehen. Er wandte sich an seinen Freund: »Walter, ich gehe mal mit dem Jungen vor.«

Der Vater hatte nichts dagegen, und Thomas war froh, dass er mit Strobel alleine war. Unterwegs bot ihm Strobel ein Erdbeerbonbon an, das er aus einer kleinen runden Dose holte. Der Onkel liebte diese Bonbons und lutschte sie, seit Thomas denken konnte.

»Hast du dir nie überlegt, zur Kripo zu gehen?«, fragte Strobel.

Thomas sah ihn erstaunt an. Konnte er Gedanken lesen?

»Das würdest du doch gerne machen, oder?«

Thomas nickte. »Aber Vater will das bestimmt nicht.«

»Lass mich mal machen.«

Thomas konnte es nicht glauben. Das war mehr, als er sich je zu hoffen gewagt hätte.

»Das ist mein Geschenk zu deinem Abitur. Ich weiß, dass du dich schon länger für meinen schönen Beruf interessierst. Ich muss auch sagen, dass ich ein bisschen stolz bin, schließlich habe ich das gefördert, oder? Durch die Bücher, die ich dir immer mitgebracht habe.«

Die beiden setzten ihren Weg fort.

»Onkel, darf ich dir eine Frage stellen?«

»Bitte.«

»Du bist mit Vater befreundet, aber ihr seid irgendwie so anders …«

»Na ja, er ist bei der Schutzpolizei und ich bei der Kripo.«

»Das meine ich nicht. Ich meine, wie soll ich das sagen …« Thomas druckste herum, weil er kein schlechtes Wort über seinen...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2020
Reihe/Serie Thomas Engel ermittelt
Thomas Engel ermittelt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1965 • 1966 • Alex Beer • Dreißigerjahre • Düsseldorf • eBooks • Frank GOLDAMMER • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • historische Polizeiarbeit • Historischer Kriminalroman • Kaiserswerth • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mord Verjährungsfrist • Nationalsozialismus • neue Krimireihe • Neue Reihe • Neuerscheinung • NS-Verbrechen • Rolling Stones • Sechzigerjahre • spiegel bestseller • Taschenbuch Neuerscheinung 2021 • Volker Kutscher • Zeitgeschichte und Krimi
ISBN-10 3-641-24460-9 / 3641244609
ISBN-13 978-3-641-24460-6 / 9783641244606
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