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Die Nordseefalle (eBook)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490966-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Nordseefalle -  Tilman Spreckelsen
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Der Ruf der Macht und die Macht des Meeres - der vierte Fall der historischen Erfolgs-Krimiserie um Anwalt Theodor Storm. Ein Mord in Husum und die Sagen um die versunkene Stadt Rungholt führen Anwalt Theodor Storm und seinen Schreiber Peter Söt 1844 auf die Insel Föhr. Dort verbringt der dänische König den Sommer. In seinem Hofstaat auch der Dichter Hans Christian Andersen. Was bedeuten die Unfälle, in die Andersen verwickelt wird? Gibt es Hofintrigen gegen ihn? Weiß er etwas über die verschwundene Schatzkarte von Rungholt? Storm hat es bei seinen Ermittlungen mit mächtigen Gegnern zu tun - und übersieht beinah die größte Gefahr: der 'blanke Hans', die Nordsee selbst. 'Als ob man den echten Theodor Storm in seiner Zeit erlebt.' Radio Bremen

Tilman Spreckelsen (Jahrgang 1967) studierte Germanistik und Geschichte in Freiburg und ist heute als Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er hat verschiedene Anthologien ediert und ist Herausgeber der ?Bücher mit dem blauen Band? bei Fischer. Sein Kriminalroman ?Das Nordseegrab? wurde mit dem Theodor-Storm-Preis der Stadt Husum 2014 ausgezeichnet, mit ?Der Nordseespuk? setzte er den Erfolg fort.

Tilman Spreckelsen (Jahrgang 1967) studierte Germanistik und Geschichte in Freiburg und ist heute als Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er hat verschiedene Anthologien ediert und ist Herausgeber der ›Bücher mit dem blauen Band‹ bei Fischer. Sein Kriminalroman ›Das Nordseegrab‹ wurde mit dem Theodor-Storm-Preis der Stadt Husum 2014 ausgezeichnet, mit ›Der Nordseespuk‹ setzte er den Erfolg fort.

Autor Tilman Spreckelsen dreht geschickt an der dramaturgischen Schraube dieses Kriminalfalles [...]. Er hat einen Krimi geschrieben, dem es an Spannung und erzählerischer Raffinesse nicht fehlt.

Zwei


»Da hob sie das Glas an ihre Lippen. ›Wohl bekomm’s!‹, sagte sie leise; dann trank sie, und es schien mir, dass sie mit Behagen trinke.«

Theodor Storm, »John Riew«

In der Neustadt reihte sich eine Brennerei an die andere. Wer von Hattstedt oder Bredstedt oder Tondern nach Husum kam, fand entlang der Straße genügend bessere Gasthäuser und schmierige Kaschemmen, und die Viehhändler, die ihre Ochsen aus dem Norden hierhertrieben, um sie auf dem großen Markt zu verkaufen, begossen dann in der Neustadt ihre Geschäfte. Es war noch nicht lange her, dass ich häufiger hier gewesen war, als mir gut getan hatte.

»Nicht irgendeinen«, sagte Storm. Er wühlte in seiner Tasche, fand ein paar Münzen und gab sie mir. »Hoffentlich reicht das, ich habe jetzt nicht mehr, sonst lassen Sie bitte anschreiben.«

»Also besonderen Schnaps?«, fragte ich.

»Kaufen Sie Aquavit. Linie-Aquavit, wenn Sie den in unserer Stadt finden. Der reist in Sherryfässern durch die halbe Welt, er ist jetzt richtig Mode, die reichen Kaufleute schätzen ihn sehr. Mein Onkel Ingwer Woldsen könnte welchen in seinem Laden haben.«

Er verstummte, vermutlich fiel ihm gerade ein, dass der alte Woldsen nicht besonders gut auf mich zu sprechen sein würde, nachdem ich im letzten Winter Zeuge davon geworden war, wie Theodor Storm in Woldsens Keller eine in die Wand eingemauerte Leiche gefunden hatte. Gegrüßt hatten wir uns auf der Straße auch vorher noch nie, der Senator Woldsen und ich, der Schreiber zweifelhafter Herkunft, aber seit dem Tag schaute er schon zur Seite, wenn er mich nur von weitem sah. Auch Theodor und Johann Casimir Storm schien er zu meiden. Besser, ich versuchte es woanders.

Storm ging die Neustadt hinunter, um seinen Vater in der Kanzlei in der Hohlen Gasse zu besuchen. Ich probierte es in den Kneipen, die ich von früher kannte, aber seit einem halben Jahr nicht mehr betreten hatte. Als ich Hans Blunck in seiner Kaschemme nach Linie-Aquavit fragte, lachte er mich aus. »Sonst hat dir mein Korn immer gereicht«, sagte er. »Möchtest du einen? Geht aufs Haus!«

In der Neustadt brannte jeder seinen eigenen Korn. Für norwegischen Aquavit, und dann gar für so aufwendig gereiften, hatten sie nichts übrig. Nachdem ich das vierte Mal ausgelacht, spöttisch oder misstrauisch beäugt worden war, schlenderte ich langsam durch die Mittagssonne wieder die Neustadt hinunter. Ich kam an Storms Elternhaus vorbei, ein breiter grauer Kasten, zu dessen Eingangstür eine überraschend zierliche Treppe hinaufführte. Der Besitzer war zweifellos wohlhabend, stellte seinen Reichtum aber nicht protzig zur Schau.

Rechts davon, im Anbau, hatte Johann Casimir Storm seine Kanzlei. Er war an allen wichtigen Geschäften in Husum beteiligt, ging beim Amtmann Hans von Krogh im Schloss ein und aus, und der König hatte ihm den Dannebrog-Orden verliehen, für seine Verdienste um den dänischen Staat. Manchmal fragte ich mich, ob er die bescheidene Karriere, die sein ältester Sohn in Husum machte, nicht als persönliche Niederlage ansah. Vielleicht war es ihm aber auch ganz recht, dass sich die Frage, wer der wichtigere Anwalt Storm in Husum war, noch lange nicht stellen würde. Selbst wenn er ihm dafür immer wieder unter die Arme greifen musste.

Die mächtige Tür, die zum Hof des Hauses und zur Kanzlei des alten Storm führte, war geschlossen. Ich stellte mir die kleine, ungemütliche Stube vor, in der Johann Casimir Storm arbeitete und wo ich mich damals bei ihm beworben hatte. Der Alte hatte mich für seinen Sohn engagiert, im Frühjahr 1843, und wahrscheinlich hatte er das in den knapp anderthalb Jahren, die seitdem vergangen waren, mehr als einmal bereut. Mein Ruf war nicht der beste in Husum, und es war ein Wunder, dass Theodor Storm so selbstverständlich an mir festhielt. Storm und Bottilla.

Ich war am Hafen angekommen. An der Mole lag eine Reihe von kleinen Segelschiffen im trüben Wasser, für mehr reichte das ständig verschlickte Becken nicht. Eines hatte eine Mühlachse geladen, auf dem Deck eines anderen stapelten sich behauene Steine und Klafterholz, das dritte trug Torf. Noch immer nahm ich diesen Geruch nach Schlick, Algen und verfaulten Fischen deutlich wahr, weil ich die ersten zwanzig Jahre meines Lebens weit weg vom Meer verbracht hatte. Ich roch es gern.

Bottilla hatte ich kennengelernt, weil sie als Dienstmädchen im Haus in der Großstraße arbeitete, wo Storm zwei Zimmer gemietet hatte: das vordere als Kanzlei, das hintere zum Wohnen. Ich kam täglich dorthin, sah Bottilla und hatte lange gebraucht, um mir einzugestehen, dass ich mich in sie verliebt hatte.

Jetzt erwartete sie ein Kind von mir.

Es war sehr leicht gewesen, Hans Bluncks Korn auszuschlagen.

Auf der anderen Seite des Hafenbeckens konnte ich die marode Holzbefestigung des Ufers sehen, dahinter weit hinaus in die Südermarsch, wo die Knechte gerade Heu mähten. Die Au, Husums Fluss, der als Hafen genutzt wurde und weiter ins Meer strömte, machte hier einen Bogen nach Süden. Auf der Stadtseite reichten die Gärten bis ans Wasser. Dahinter stand ein runder, fensterloser Turm, höher als alle Häuser der Umgebung und auch als die Masten der Schiffe, die im Hafen lagen. Er war schon ein paar Jahre vor meiner Ankunft errichtet worden, und trotzdem hatten sich die Husumer noch immer nicht an ihn gewöhnt. Der Besitzer ließ in dem Ofen aus Muschelkalk Zement, gebrannte Mauersteine und feuerfeste Steine herstellen. Meist kam aus dem Schornstein schwarzer Rauch.

Keines der Schiffe im Hafen sah aus, als hätte es Linie-Aquavit geladen. Ich hatte keine Lust, in Woldsens Geschäft zu gehen und dort mit seinem Verkäufer darüber zu verhandeln, ob er mich die Flasche anschreiben ließe. Am Ende würde dann noch Woldsen selbst geholt werden müssen, um die Sache zu entscheiden. Die Peinlichkeit wollte ich ihm und mir ersparen.

Einen Versuch hatte ich noch. Ich ging die Hohle Gasse zurück bis in die Wasserreihe, die Straße, die neben dem Hafen her bis zur Kleikuhle läuft. Das letzte Haus auf der rechten Seite hatte den niedrigen Giebel zur Straße gewandt. Den Spalt in der wild wuchernden Hecke fand ich mühelos wieder, den Weg durch den Garten ums Haus kannte ich noch von früher. Ich klopfte an die Hintertür.

»Peter Söt, schau an«, sagte der Schiffer Trautmann. »Ich dachte mir schon, dass du eines Tages wieder zu mir kommst.«

»Das ist es nicht«, sagte ich, »das heißt, eigentlich schon, aber nicht für mich.« Trautmann grinste mich durch den Türspalt an.

»Nicht für dich, soso. Für wen denn sonst?«

»Es ist nicht zufällig in letzter Zeit mal irgendwo in der Nähe ein Schiff gestrandet, das Aquavitfässer an Bord hatte?«

Sofort verschwand das Lächeln von Trautmanns Gesicht. Die Tür öffnete sich ganz, er zog mich ins Haus und schloss die Tür eilig hinter uns.

»Wer hat dir das gesagt?«

Der kleine Raum war fast so düster, wie ich ihn aus dem Winter in Erinnerung hatte. Trautmann hatte sich hier seine Werkstatt eingerichtet. Das einzige Fenster über der Hintertür war verdreckt und voller Spinnweben. Der Leimgeruch von früher war verflogen, und ich fragte mich, wann Trautmann das letzte Mal hier wirklich gearbeitet hatte. Auf der Werkbank stand ein Kerzenhalter aus Messing. Nur an Wintertagen, an denen es draußen gar nicht hell werden wollte, zündete Trautmann diese Kerze an. Sonst musste man sich eben im Dämmerlicht zurechtfinden. Und die winzige Kammer, hinter einer Bretterwand verborgen, bekamen nur seine Stammkunden zu sehen. Wie ich einer gewesen war.

»Also: wer?«

»Niemand«, antwortete ich.

Er sah mich an und schüttelte den Kopf. Trautmann war nicht besonders groß, aber er war kräftig. Auf der Bank sah ich eine spitze Feile, einen Hammer und noch mehr Werkzeuge, die ich in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Ich schaute schnell weg, aber Trautmann hatte meinen Blick bemerkt.

»Es war dieser Fremde, richtig?«

»Welcher Fremde?«

»Stell dich nicht dumm«, sagte er leise.

»Du hast ihm Aquavit verkauft und er hat geredet«, sagte ich. Ein Versuch.

»Nur zu dir? Oder noch zu anderen?«

»Woher hast du das Zeug eigentlich?«

»Gut«, sagte er, »ich weiß zwar nicht, was dich das angeht, aber ich sage dir, was ich weiß, wenn du mir sagst, was er ausgeplaudert hat.«

»Erst du.«

Trautmann seufzte. »Vor ein paar Wochen kam einer zu mir, den einer geschickt hat, der am Strand was gefunden hat …«

»Das geht wohl nicht genauer, oder?«, unterbrach ich ihn.

»Geht es nicht«, sagte er. »Ein paar Fässer, waren lange unterwegs auf dem Meer, hat er gesagt. Goldbraunes Zeug, riecht nach Kümmel. Hab ich ihm abgenommen, wollte es eigentlich in Altona verkaufen. Dann kam neulich ein Fremder: groß, blond, bisschen dick, noch jung, na, du kennst ihn ja wohl. Der hat mein Boot gemietet, und ich musste mit ihm rausfahren, bei Hochwasser, und dann warten, bis die Ebbe kam. Als wir festsaßen, ging er raus ins Watt, vor Südfall. Dann hat er zwei Spaten ausgepackt. Ich musste ihm helfen, ein Loch zu graben. Jede Schippe hat er sich angeschaut, völlig verrückt! Ein paar Scherben hat er gefunden und ein vergammeltes Stück Holz. Hat sich riesig gefreut darüber und mich sehr gut dafür bezahlt. Und dann …«

»Dann?«

»Es hat geregnet, wir waren beide klatschnass, als das Wasser wieder so gestiegen war, dass wir loskonnten. Ich hab ihn noch hierher mitgenommen. Also nicht hierher in die Werkstatt«, ich hatte wohl erstaunt die Augen aufgerissen, »sondern vorn in die Stube. Und ihm ein Glas aus dem Fass eingeschenkt....

Erscheint lt. Verlag 1.6.2020
Reihe/Serie Ein Theodor-Storm-Krimi
Ein Theodor-Storm-Krimi
Zusatzinfo Nordseekarte
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anwalt Theodor Storm • Dänemark • dänischer König • Ermittler Theodor Storm • Historischer Kriminalroman • Husum • Insel Föhr • Intrige • Krimi • Mord • Nordfriesland • Nordsee • Nordseeflut • Nordseeinsel • Rungholt • sagenhaftes Rungholt • Schatzsuche • Watt • Wyk auf Föhr
ISBN-10 3-10-490966-0 / 3104909660
ISBN-13 978-3-10-490966-0 / 9783104909660
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