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Die Auswanderer (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
100 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7467-9480-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Auswanderer -  Manfred Rehor
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Die Ringlande, Band 4: Aron führt einen Zug von Auswanderern quer über den Kontinent, durch Einöde, Wüste und Dschungel, bis an die ferne Küste. Zum ersten Mal verlassen Menschen mit ihren Familien die Ringlande, um der heimlichen Herrschaft der Kurrether zu entkommen. Magische Städte und tödliche Gegner lernen sie auf dem Weg kennen, doch die größte Gefahr für ihre Zukunft reist mit ihnen. Während die Kurrether weiterhin die Ringlande ausplündern, beginnt so die friedliche Gegenwehr. Der Plan des Fürsten Borran wird umgesetzt: Man bekämpft den Feind nicht, sondern man entzieht sich ihm und bringt ihn so langfristig um die wirtschaftliche Grundlage seiner Herrschaft. Handwerker und Bauern, Heilkundige und Handelsherren machen sich auf den Weg, um in einem fernen Land eine neue Heimat zu gründen, in der sie frei leben können.

M. E. Rehor lebt und arbeitet in Berlin. Weitere Infos unter: www.merehor.de

1 Dongarth

Säuerlich stinkender Nebel lag über der nächtlichen Stadt. Ich saß frierend auf einem Steinblock am Hang des Berges Zeuth und starrte vor mich hin. Hier war es still und dunkel, aber bald würden erste Sonnenstrahlen durch die Nebeldecke dringen. Eine kraftlose, wenig wärmende Sonne, denn der Herbst hatte früh eingesetzt in diesem Jahr und versprach einen harten Winter.

Irgendwo löste sich ein Kiesel und rollte nach unten. Dann herrschte wieder Stille.

Ich befand mich an einer steilen Stelle südlich der Magischen Akademie, oberhalb des Bergviertels. Wie und warum ich hierher gekommen war, wusste ich nicht mehr. Ich war betrunken gewesen. Erst die Kälte hatte mich so weit ausgenüchtert, dass ich meine Umgebung wahrnahm. Und nun saß ich auf dem Steinblock und wollte nicht hier sein, wollte aber auch nicht weggehen.

Es hatte Streit gegeben am Abend zuvor, den heftigsten, den Jinna und ich je hatten. Und das zurecht, denn es ging um unsere Zukunft. War es besser, die Ringlande zu verlassen oder zu bleiben? Sollten wir die Pläne des Fürsten Borran unterstützen oder uns aus allem heraushalten? Letztendlich kamen wir zu der eigentlichen Frage, um deren Antwort ich mich immer gedrückt hatte: Sollten wir heirateten? Und falls ja, was war unser gemeinsames Ziel? Eine ehrbare Kaufmannsfamilie hier in Dongarth zu gründen und die Tradition des Handelshauses Oram fortzuführen? Oder als eines der ersten Umsiedlerpaare dem Weg aus den Ringlanden heraus zu folgen, ins Unbekannte?

Jinna sah in mir den künftigen Handelsherren, der mit einem strahlenden Lächeln fetten, alten Kundinnen teure Parfüms verkaufte, und der jeden Abend die Abrechnungen kontrollierte. Nichts lag mir ferner. Ich sah in ihr die Mutter unserer hoffentlich zahlreichen Kinder, die ein freieres Leben führen sollten, als es uns beschert war - und das war nur außerhalb des Einflusses des Berges Zeuth möglich. Das konnte sie sich wiederum nicht vorstellen, denn es würde bedeuten, die Kinder seiner schützenden Magie zu entziehen.

Wir steigerten uns in unsere gegensätzlichen Visionen der gemeinsamen Zukunft hinein, bis sich unvermeidlich wie von selbst die Frage stellte, ob es überhaupt eine gemeinsame Zukunft für uns geben konnte. Und wir waren beide so in Rage, dass wir das mit „Nein!“ beantworteten, uns noch eine Weile stritten und für immer trennten. Jedenfalls sagte sie, dass sie mich nie wiedersehen wolle. Ich knallte einfach die Tür hinter mir zu und ging in die nächste Taverne.

Je klarer mein Kopf nun wurde, desto deutlicher erkannte ich, dass ich selbst nicht wusste, was ich tun sollte. Bleiben und ausharren oder die Ringlande verlassen und kämpfen? Fest stand, dass das Leben draußen gefährlicher sein würde als in unserer Heimat. Zwei Mal war ich auf meinen Reisen außerhalb des Schutzes des Berges und des Ringgebirges gewesen. Ich hatte eine Ahnung davon bekommen, wie die Welt dort war.

Was tun?

Rechts von mir veränderte sich etwas, das ich nur aus den Augenwinkeln bemerkte. Mein Kopf ruckte hoch. Näherte sich jemand? Aber es war nur das leuchtende Mauerwerk der Magischen Akademie. Es schien, als wolle die Akademie mir ein Zeichen geben, denn sie wechselte ihre Farbe. Gewöhnlich signalisierten die Magi dadurch der Bevölkerung, wie ihre Stimmung war. Doch in den letzten Wochen hatte sich das geändert. Die Farbtöne waren sanfter geworden. Der Wechsel fand nun täglich statt, als sei er nur ein belangloses Schauspiel, das den Bürgern einen Anlass für Tratsch gab.

Das dunkle Nachtblau, das ich bis eben gesehen hatte, wandelte sich in eine rötliche Schattierung, die mir bedrohlich vorkam, bevor sie sich abschwächte. Was blieb, war ein leichtes Rosa. Das war neu. Was sollte das signalisieren? Dass die kurrethische Erzmagierin gute Laune hatte? Seit ihrer Einführung in das Amt munkelte man von durchgreifenden Änderungen innerhalb der Akademie, aber niemand wusste etwas Genaues. Trotzdem war jedem klar, dass die Kurrether diese machtvolle Position nutzen würden, um ihren Einfluss in den Ringlanden weiter auszubauen.

Wieder starrte ich mit blicklosen Augen in den Nebel. Bilder der sonnigen Stadt Kroyia stiegen in mir auf wie eine Versuchung. Dort gab es keinen Winter, dafür spürte man an manchen Tagen die unbarmherzige Hitze der Wüste. Mir schien die Aussicht verlockend, die kalte Jahreszeit dort zu verbringen.

Erneut bemerkte ich etwas rechts von mir. Dort musste jemand sein. Ich sprang auf und zog den Degen. Allerdings war meine Bewegung durch das lange Sitzen in der Kälte und wegen des vielen Bieres am Abend langsam und ungelenk. Ein Angreifer hätte mich problemlos töten können.

Wie aus dem Gestein und Gestrüpp herausgewachsen erschien ein rundliches Gesicht, das sich zu einem Grinsen verzog, wie es unverkennbarer nicht sein konnte: Ein einzelner, schwärzlicher Zahnstummel zeigte sich zwischen den Lippen, die ein ungepflegter Bart umwucherte. Der Mann richtete sich auf, wodurch er mir kaum bis zu den Schultern reichte, und zog seinen abgenutzten, geflickten Umhang enger zusammen.

„Seliim!“, rief ich. „Was tun Sie hier?“

Er hielt den Zeigefinger vor die Lippen und winkte mich zu sich.

Ich sah mich um, ob andere Menschen in der Nähe waren, vor denen er mich warnen wollte, aber wir waren alleine.

Seliim war ein bezahlter Spitzel des Fürsten Borran, zuverlässig und treu. Er hörte nicht nur alles, was in der Stadt an Gerüchten in Umlauf war, sondern verfügte auch über das unbezahlbare Talent, Wichtiges von bloßem Gerede unterscheiden zu können.

„Woher wissen Sie, dass ich hier bin?“, fragte ich flüsternd, als ich neben ihm stand.

Er grinste breit und antwortete ebenso leise: „Aron von Reichenstein als torkelnder Betrunkener ist ein seltener Anblick. Der hat sich herumgesprochen. Noch bevor Sie hier oben angekommen sind, haben sich die letzten Gäste in den Tavernen der Stadt Witze darüber erzählt. Und der eine oder andere hat sich schnell verabschiedet, um die Nachricht weiterzuverbreiten.“

Ich stöhnte auf. Den Ruf, ein Säufer zu sein, würde ich so bald nicht wieder loswerden. Ich ahnte jetzt schon, welche Vorhaltungen mir meine Freunde in den kommenden Tagen machen würden.

„Pst!“, zischte Seliim. „Gefahr!“

„Wo?“, hauchte ich, indem ich mich vorbeugte, so dass mein Mund fast sein Ohr berührte.

Er deutete den Hang hinauf. „Verräter, die für die Kurrether arbeiten. Es sind mehrere auf der Suche nach Ihnen. Den Grund kenne ich nicht.“

Ich konnte niemanden sehen, wusste aber, dass man Seliim in solchen Fragen vertrauen konnte. „Kämpfen oder Fliehen?“, flüsterte ich.

„Verschwinden, so lange der Nebel anhält. Der Tempel des Einen Gottes ist sicher. Langsam, hier entlang.“

Er nahm meine Hand und führte mich den Abhang hinunter, wobei wir uns geduckt vorwärts bewegten und sorgfältig darauf achteten, keine Zweige zu zertreten oder Steine loskullern zu lassen.

Wir waren noch nicht weit gelangt, als ich hinter uns ein Geräusch hörte. Ich fuhr herum, den Degen in der Hand, aber es war niemand zu sehen. Der Nebel trug Töne weiter, als klare Luft es gewöhnlich tat, deshalb wähnte ich die Verfolger in unmittelbarer Nähe.

Ich wartete und hörte das Geräusch noch einmal. Es klang genau nach dem, was wir zu vermeiden suchten: Jemand ging den steilen Hang entlang und trat dabei immer wieder auf verräterische Stellen.

„Weiter!“, zischte Seliim.

Wir erreichten die Straße, die zwischen dem Abhang und dem Bergviertel verlief. Große, eingezäunte Gärten umgaben die Häuser der reichen Dongarther. In dieser Gegend patrouillierte die Stadtwache besonders häufig, die Wohlhabenden waren auf ihren Schutz bedacht. Deshalb gingen wir so schnell wie möglich Richtung Norden und dann die nächste Straße hinunter in die Innenstadt. Bisher waren wir niemandem begegnet, aber das würde sich bald ändern. Der Nebel lichtete sich, die aufgehende Sonne begann, ihn zu vertreiben.

„Zum Tempel!“, drängte Seliim.

„Der Weg dorthin führt quer durch die Stadt“, wandte ich ein. „Wenn ich verfolgt werde, sollte ich das nächstbeste Versteck nutzen.“

„Ich werde alleine mit den Verfolgern fertig“, versprach Seliim.

„Ausgerechnet Sie?“, fragte ich ironisch. Dem schmächtigen kleinen Mann traute ich vieles zu, aber keinen offenen Kampf, schon gar nicht gegen mehrere Angreifer.

Er sah zu mir auf und zeigte mir grinsend den einzigen Zahn. Dann zog er aus seinem Umhang einen langen Dolch heraus. Mit dessen Klinge begann er, an den eisernen Pfosten eines Gartenzauns zu schlagen, der zu einem der großen Grundstücke gehörte. Dabei schlug er nicht voll zu, sondern tangierte den Pfosten nur kurz, in schnellen Streichen, zwischen denen immer wieder Abstände lagen. Es klang verblüffend nach einem Schwertkampf!

Dann schrie er unvermittelt laut auf, wie jemand, der einen schmerzhaften Treffer erhalten hatte.

„Laufen Sie los!“, forderte er mich auf.

Ich rannte ein paar Schritte, da hörte ich hinter mir ein Geräusch, das ich die ganze Zeit erwartet hatte: Das Klacken genagelter Stiefel auf dem Kopfsteinpflaster, wie es typisch für die Männer der Stadtwache war. Ich drehte mich um - und sah Seliim, der in die Hocke gegangen war. Er schlug mit dem Knauf seines Dolches gegen die Pflastersteine. Dabei hielt er bei den Tönen die Schrittfolge ein, wie sie zwei oder drei rennende Männer erzeugen würden. Diese Imitation war fast perfekt und unsere Verfolger mussten glauben, dass sie direkt mit Wachmännern konfrontiert würden, falls sie uns weiter nachstellten.

Mit einer Kopfbewegung gab Seliim mir zu verstehen, dass ich endlich verschwinden sollte. Dann richtete er...

Erscheint lt. Verlag 17.12.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Auswandern • deutsche Fantasy • Fantasy • High Fantasy • Magie • Serie
ISBN-10 3-7467-9480-3 / 3746794803
ISBN-13 978-3-7467-9480-8 / 9783746794808
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