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Mädelsabend (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
384 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31877-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mädelsabend -  Anne Gesthuysen
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Oma und Enkelin - zwei starke Frauen und die Frage: Wie viel Ehe verträgt ein erfülltes Leben? Ruth und Walter leben seit Ruths Sturz im Seniorenheim Burg Winnenthal. Walter möchte am liebsten sofort zurück nach Hause, die vielen lebenslustigen Witwen hier sind ihm unheimlich. Ruth hingegen genießt die Gesellschaft von Gleichgesinnten. Sie lauscht den Lebensgeschichten der anderen Frauen und singt endlich wieder im Chor. Keine zehn Pferde werden sie hier wegbringen.  Als ihre Enkelin Sara, Mutter eines kleinen Sohnes, die Zusage für ein Forschungsstipendium in Cambridge erhält und von ihrem Mann vor eine Entscheidung gestellt wird, sucht sie Rat bei Ruth. Geschickt verwebt Anne Gesthuysen Gegenwart und Vergangenheit und erzählt von einem bewegten Frauenleben am Niederrhein, das den Bogen vom Zweiten Weltkrieg über die piefigen Fünfziger- und die wilden Siebzigerjahre bis in die Jetztzeit spannt. Von der Liebe und kuriosen Hochzeitsbräuchen, von Karnevalstraditionen und Anti-AKW-Treckerfahrten. Von den Herausforderungen einer Jahrzehnte währenden Ehe, von patriarchalen Machtstrukturen und gesellschaftlichen Umbrüchen. Humorvoll, warmherzig und feinfühlig spürt sie der Frage nach, was zwei Menschen zusammenhält und welche Bedeutung Freiheit und Selbstverwirklichung haben. Eindrücklich zeigt sie, dass es keine einfachen Antworten gibt, nur individuelle Wege zum Glück. In ihrem erfolgreichen Roman kehrt Anne Gesthuysen zurück an den Niederrhein und spannt den Bogen vom Zweiten Weltkrieg über die 1950- und die wilden 1970er-Jahre bis in die Gegenwart. Dabei spürt sie der Frage nach, welche Bedeutung Freiheit und Selbstverwirklichung haben, und zeigt, dass es keine einfachen Antworten gibt, nur individuelle Wege zum Glück. »Moderatorin Anne Gesthuysen [...] trifft hier [...] den richtigen Ton: Die Frauen in diesem Roman wachsen einem sofort ans Herz.« Freundin

Anne Gesthuysen wurde 1969 am unteren Niederrhein geboren. Nach dem Abitur in Xanten studierte sie Journalistik und Romanistik. In den 90er-Jahren arbeitete sie bei Radio France. Als Reporterin hat sie für WDR, ZDF und VOX gearbeitet, schließlich auch als Moderatorin. Ab 2002 moderierte sie das »ARD-Morgenmagazin«. Diese Nachtschichten gab sie nach dem großen Erfolg ihres ersten Romans »Wir sind doch Schwestern« Ende 2014 auf, um sich tagsüber an den Schreibtisch zu setzen und weitere Bücher zu schreiben. 2015 erschien ihr zweiter Roman »Sei mir ein Vater«, 2018 folgte »Mädelsabend«. Sie lebt mit ihrem Mann, Frank Plasberg, ihrem Sohn und dem Goldendoodle Freddy in Köln.

Anne Gesthuysen wurde 1969 am unteren Niederrhein geboren. Nach dem Abitur in Xanten studierte sie Journalistik und Romanistik. In den 90er-Jahren arbeitete sie bei Radio France. Als Reporterin hat sie für WDR, ZDF und VOX gearbeitet, schließlich auch als Moderatorin. Ab 2002 moderierte sie das »ARD-Morgenmagazin«. Diese Nachtschichten gab sie nach dem großen Erfolg ihres ersten Romans »Wir sind doch Schwestern« Ende 2014 auf, um sich tagsüber an den Schreibtisch zu setzen und weitere Bücher zu schreiben. 2015 erschien ihr zweiter Roman »Sei mir ein Vater«, 2018 folgte »Mädelsabend«. Sie lebt mit ihrem Mann, Frank Plasberg, ihrem Sohn und dem Goldendoodle Freddy in Köln.

Inhaltsverzeichnis

Eine trauernde Witwe


Paul gähnte herzhaft, als Sara ihn samt Babyschale aus dem Auto holte. In der vergangenen Dreiviertelstunde hatte er sich bitterlich über den engen Kindersitz beschwert, in dem er die siebzig Kilometer von Düsseldorf bis hierher gesessen hatte.

Sara hatte zunächst über die Freisprechanlage versucht, ihrem Vater in Thailand die beruhigenden Neuigkeiten mitzuteilen. Ein unmögliches Unterfangen. Am Rasthof Geismühle bei Krefeld hielt sie schließlich an, knallte die Autotür von außen zu und ließ Paul allein zurück. Als sie sein wütendes Gesichtchen sah, spürte sie eine Mischung aus Genugtuung und schlechtem Gewissen. Sie telefonierte in seinem Sichtfeld erneut mit ihrem Vater, winkte Paul manchmal lächelnd zu, was den Kleinen lediglich dazu ermunterte, mit neuer Wucht loszuschreien. Er beruhigte sich erst, als sie auf den Parkplatz der Burg Winnenthal einbogen und zum Stehen kamen. Sara wollte auf dem Weg zum Krankenhaus noch schnell nach ihrem Opa sehen, der zwar körperlich unversehrt war, am Telefon aber sehr aufgebracht geklungen hatte.

Die alte Wasserburg hatte das Feuer fast ohne sichtbare Schäden überstanden. Lediglich am rechten Türmchen der Vorburg erkannte Sara schwarze Spuren an der Außenwand. Unglaublich, dachte sie, was alte Steine alles aushalten. Und tatsächlich, auch als sie ins Innere trat, stellte sie fest, dass das Leben auf der Burg schon fast wieder seinen gewohnten Gang ging. Der rechte Flügel wurde noch gereinigt, das Löschwasser musste abgepumpt werden, aber in den Fluren des Ostflügels, in dem auch ihre Großeltern wohnten, sah man keine Spuren des nächtlichen Brandes. Ohne jemandem vom Heimpersonal zu begegnen, nahm sie den Aufzug in den zweiten Stock und klingelte am Apartment ihrer Großeltern. Sie hatte einen Schlüssel, benutzte ihn aber nur auf Aufforderung. Hinter der Tür hörte sie ihren Großvater rufen: »Ich komme schon.« Er klang kraftvoll, und so sah er auch aus, dachte Sara, als er die Tür öffnete. Seine Wangen waren rosig, er war akkurat gekämmt und gekleidet, auf den ersten Blick ließ nichts an ihm auf eine dramatische Nacht schließen.

»Wie geht es dir, Opa?«, fragte Sara.

»Frag lieber nicht«, antwortete er. »Ich habe kaum geschlafen. Wir können hier nicht bleiben. Wir sind hier nicht sicher.« Sara lächelte nachsichtig. Er war schon immer übervorsichtig und ängstlich gewesen. »Es ist ja alles noch mal gut gegangen«, sagte sie beschwichtigend.

»Nichts ist gut. Es geht hier nicht mit rechten Dingen zu«, insistierte ihr Großvater. »Willst du damit sagen, dass es hier ein Burggespenst gibt?«, fragte sie lachend. Ihr Großvater blieb ernst. »Das war kein Unfall«, beharrte er. Sara legte ihm die Hand auf den Arm. »Opa, beruhige dich. Frau Strunk grämt sich sehr. Sie sagt, sie hätte besser auf den Herrn aufpassen müssen. Das wird ihr sicher nicht noch einmal passieren.«

»Das hat der arme Pitt nicht verdient.« Saras Opa schüttelte traurig den Kopf. Dann ging er langsam neben Paul in die Hocke und streichelte dem Kind, das ungewöhnlich friedlich in der Babyschale lag, sanft die Wange. »Das hat er nicht verdient«, wiederholte er noch einmal. Er holte seinen Schlüsselbund aus der Gesäßtasche und schüttelte ihn vor Pauls Gesicht. Der lächelte, und sein Uropa war zufrieden. Bald darauf verabschiedete Sara sich wieder, packte für ihre Oma noch einen Morgenmantel ein und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus nach Xanten.

Keine Viertelstunde später stand Sara mit Paul im Sankt Josef-Hospital vor Zimmer 225 und klopfte.

»Herein«, hörte sie im Zweiklang und trat ein. Ihre Oma lag in einem Mehrbettzimmer zusammen mit einer Dame, die Sara schon einmal gesehen hatte, deren Namen ihr allerdings nicht einfiel. »Du erinnerst dich doch sicher an Lili Heinemann«, sagte ihre Oma. »Selbstverständlich«, log Sara höflich. Sie ging freundlich auf die Bettnachbarin zu und reichte ihr zur Begrüßung die Hand. Bevor sie ihre Großmutter herzte, stellte sie den schlafenden Paul samt Babyschale in einen Rollstuhl und richtete ihn so aus, dass Ruth ihren Urenkel sehen konnte. »Was macht ihr denn für Sachen!«, sagte sie anstelle einer Begrüßung.

»Och, nicht der Rede wert«, winkte ihre Oma ab und richtete sich auf, um ihren Paul besser sehen zu können. »So ein Engelchen«, schwärmte sie in Richtung ihrer Bettnachbarin. »Unser Paul ist wirklich ein unglaublich liebes Kind, den hört man nie weinen. Er ist immer so glücklich und zufrieden.« Sara verkniff sich einen Kommentar und schaute zu ihrem Sohn, der im Schlaf engelsgleich lächelte. Satansbraten, dachte sie. »Du kannst von Glück reden, Kindchen!«, hob ihre Oma wieder an. »Dein Vater hat sich in dem Alter die Seele aus dem Leib geschrien, Tag und Nacht, ich habe ein ganzes Jahr kaum geschlafen.« Sie saß bereits auf der Bettkante und schickte sich an, den Jungen zu knuddeln. »Nichts da, Oma. Du bleibst mal schön im Bett, sonst wird dir noch schwindlig. Und lass den Kurzen lieber schlafen.« Ihre Großmutter gehorchte widerwillig. »Schätzchen, dann erzähl doch mal, was gibt es Neues bei dir?«

»Oma, wir haben uns Sorgen um euch gemacht. Papa denkt darüber nach, zurückzufliegen«, sagte sie.

»Ach, so ein Unsinn. Mir geht es gut. Und selbst wenn nicht, würde ich nicht wollen, dass Chi meinetwegen den Familienbesuch abbrechen muss.« Ruth wandte sich an ihre Bettnachbarin. »Mein Sohn ist mit einer Thailänderin verheiratet. Er hat sie bei der Arbeit kennengelernt. Sie ist Krankenschwester, und Sie wissen ja, dass mein Sohn Herzchirurg ist.«

Sara musste grinsen. Ihre Großmutter war unglaublich stolz auf ihren einzigen Sohn, und sie verpasste keine Gelegenheit, es der ganzen Welt mitzuteilen. Sie war zudem eine leidenschaftliche Anekdotenerzählerin, und daher ahnte Sara sofort, auf welche Geschichte es nun hinauslaufen würde.

Etwa zehn Jahre nach der Trennung von Saras Mutter hatte ihr Vater Chi kennengelernt. Seine Familie nahm sie herzlich auf. Einzig Saras Oma machte sich anfangs Sorgen um ihn, denn als Chi zum ersten Mal die Familie ihres Ehemannes bekochte, hielt sie sich an traditionelle thailändische Rezepte. Im Hause van Rennings, also vor allem bei Walter und Ruth, galten sogar Nudeln als exotisch. Am Niederrhein aß man Kartoffeln, und zwar entweder in guter Butter kross gebraten oder mit nem Emmerken Sauß, wie ihre Oma zu sagen pflegte, also mit Soße, oder untereinander, das bedeutete, mit irgendetwas von Endivien bis Äpfeln zusammengematscht. Und was die Würze der Speise anging, konnte allerhöchstens der Salzstreuer ausrutschen, wenn es mal richtig schiefging. Das wusste Chi natürlich, als sie der Familie grünes Curry auftischte. Und natürlich hatte sie, um die Schärfe zu mildern, nur die Hälfte der sonst üblichen Menge Chili verwendet. Dennoch endete das Antrittsmenü in einem Desaster. Walter, der sich an den niederrheinischen Spruch Wat de Buhr niet kennt, dat frette niet hielt, fischte nur das heraus, was er zu kennen glaubte und besonders mochte: die Schnibbelbohnen.

Noch ehe Chi ihn warnen konnte, hatte er sich bereits eine ordentliche Gabel voll in den Mund gestopft.

»Sie können sich Walters Gesicht nicht vorstellen«, juchzte Saras Oma zu ihrer Bettnachbarin gewandt. »Als Erstes wurden seine Ohren rot. Ehrlich, ich habe seine Ohren noch nie so leuchten sehen. Sie haben regelrecht geglüht, als hätte man Lämpchen darin angezündet.«

Nun musste auch Sara lachen, obgleich die Situation damals wirklich nicht komisch gewesen war. Ihr Opa hatte ausgesehen, als hätte er die Hölle verschluckt. Da er aber auf Manieren Wert legte, spuckte er die Chilis nicht etwa aus, sondern hielt tapfer die Hand vor den Mund, während ihm Schweißperlen auf die Stirn traten und Tränen über die Wangen liefen. Er vermied es, zu kauen, und hoffte offenbar, dadurch jeglichen weiteren Kontakt der Chilis mit seiner Mundschleimhaut zu vermeiden.

»Spuck aus. Spuck aus«, rief Chi. Walter jedoch hielt es vor lauter Höflichkeit noch eine ganze Weile unter Qualen aus, bis er die Chilis endlich doch ausspie. Er röchelte, sein Gesicht war hochrot, und Sara befürchtete einen Kreislaufkollaps. Nur Saras Vater blieb ruhig. Er blickte seiner Mutter in die Augen, bevor er ganz langsam aufstand, zum Kühlschrank ging und seinem Vater ein Glas Milch einschenkte. »Hier, trink das. Das nimmt die Schärfe.« Er lächelte, und Sara entdeckte zum ersten Mal in ihrem Leben einen Hauch von Sadismus in seinen Zügen. Chi war am Boden zerstört, doch Ruth hatte sie getröstet und sich noch einen Nachschlag genommen, wobei sie jedes einzelne Reiskorn umdrehte, um nur ja nichts Scharfes zu erwischen. Die Chilis schob sie allerdings sorgsam an den Tellerrand. »Noch jemand ein Böhnchen?«, flötete sie dabei mit diebischer Freude und erntete einen bösen Blick von Walter, der sich erst nach drei Gläschen Reiswein wieder beruhigte.

Die Zimmernachbarin lachte lauthals. Ruths Anekdote hatte ihre Wirkung nicht verfehlt.

»Weißt du eigentlich, wie es auf der Burg aussieht?«, erkundigte sich die Dame bei Sara, nachdem sie sich wieder gefangen hatte.

»Die meisten Apartments sind schon wieder bewohnbar. Lediglich im Westflügel gibt es noch ein paar Probleme wegen des Löschwassers«, erklärte Sara. »Der Trakt im alten Herrenhaus, in dem die Sozialräume sind, ist beinahe unversehrt.«

»Das ist schön«, sagte Lili Heinemann zu Saras Oma. »Dann müssen wir mit dem Singkreis nicht so lange aussetzen. Das ist schließlich unser Jubiläumsjahr, und da wollen wir doch an Heiligabend zeigen, was wir können.«

Sara sah ihre Großmutter...

Erscheint lt. Verlag 4.10.2018
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Altersheim • Anne Gesthuysen • Ehe • Familie • Feminismus • Frauen-Generationen • Geschenke für Frauen • geschenke für freundin • Kind-Karriere • Niederrhein • Unterhaltungsroman • Wir sind doch Schwestern
ISBN-10 3-462-31877-2 / 3462318772
ISBN-13 978-3-462-31877-7 / 9783462318777
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