Flavia de Luce 9 - Der Tod sitzt mit im Boot (eBook)
352 Seiten
Penhaligon (Verlag)
978-3-641-21619-1 (ISBN)
Wie sieht für Sie der typische Ermittler aus? Männlich, mittelalt, ein bisschen brummig, mit einer aufgeweckten jungen Kollegin an seiner Seite? Denken Sie um! Denn kaum jemand hat eine so hohe Erfolgsquote, was das Lösen von Kriminalfällen betrifft, wie Flavia de Luce: zwölf Jahre alt, auf liebenswerte Weise ein bisschen naseweiß, begnadete Chemikerin, an ihrer Seite nur ihr treues Fahrrad Gladys. Auch in diesem ungewöhnlich heißen Sommer in England kreuzt während eines Bootsausflugs mit ihrer Familie eine Leiche Flavias Weg. Der tote Mann ist in blaue Seide gehüllt und trägt einen einzelnen roten Ballettschuh. Als auch noch drei Klatschtanten in der ortsansässigen Kirche dran glauben müssen, läuft Flavias zauberhafte Spürnase erneut zu Hochtouren auf.
Diese außergewöhnliche All-Age-Krimireihe hat die Herzen von Lesern, Buchhändlern und Kritikern aus aller Welt im Sturm erobert!
Die »Flavia de Luce«-Reihe:
Band 1: Mord im Gurkenbeet
Band 2: Mord ist kein Kinderspiel
Band 3: Halunken, Tod und Teufel
Band 4: Vorhang auf für eine Leiche
Band 5: Schlussakkord für einen Mord
Band 6: Tote Vögel singen nicht
Band 7: Eine Leiche wirbelt Staub auf
Band 8: Mord ist nicht das letzte Wort
Band 9: Der Tod sitzt mit im Boot
Band 10: Todeskuss mit Zuckerguss
Außerdem (nur) als E-Book erhältlich:
Das Geheimnis des kupferroten Toten (»Flavia de Luce«-Short-Story)
Alle Bände sind auch einzeln lesbar.
Alan Bradley wurde 1938 geboren und wuchs in Cobourg in der kanadischen Provinz Ontario auf. Er war Direktor für Fernsehtechnik am Zentrum für Neue Medien der Universität von Saskatchewan in Saskatoon, bevor er sich 1994 aus dem aktiven Berufsleben zurückzog, um sich nur noch dem Schreiben zu widmen. »Mord im Gurkenbeet«, sein erster Roman und viel umjubelter Auftakt zur Serie um die außergewöhnliche Detektivin Flavia de Luce, wurde mit mehreren Awards ausgezeichnet. Alan Bradley lebt zusammen mit seiner Frau auf der Isle of Man.
2
An dem alten Steg hinter der Kirche anzulegen war gar nicht so einfach, wie es sich anhört.
Unter anderem deshalb, weil Daffy über der Bootswand hing und sich übergab. Sie spuckte alles aus, was sie seit dem vorletzten Donnerstag zu sich genommen hatte. Wenn du schon mal in der Kinowochenschau gesehen hast, wie ein Fischkutter seine Netze ausleert, weißt du, wovon ich spreche. Daffy war nicht einfach nur schlecht, sie reiherte sich buchstäblich die Seele aus dem Leib. Offen gestanden war es ziemlich beeindruckend.
Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, wäre es sogar ziemlich lustig gewesen.
Man muss Dogger lassen, dass er kein überflüssiges Wort verlor. Er drehte sich nur kurz nach mir um und reagierte sofort. Mit gleichmäßigen Ruderschlägen lenkte er das Boot zum Ufer hinüber. Das einzige störende Geräusch waren Daffys Würgelaute.
Die Leute in den anderen Booten, von denen mehrere unterwegs waren, dachten bestimmt, dass die junge Dame etwas Falsches gegessen hatte. Ein angeschimmeltes Sandwich mit Fischpaste oder eine verdorbene Scheibe Zunge vielleicht. Da gehörte es sich nicht zu glotzen, und das tat dann auch niemand. Und was ich da am offenen Kiefer durchs Wasser zog, sah erst recht niemand.
Als die Bootswand gegen den Steg stieß, hielt Dogger mir wortlos die karierte Decke hin, auf der wir unser Picknick hatten verzehren wollen. Ich wusste sofort, was er von mir wollte.
Ohne unnötiges Aufsehen zu erregen, nahm ich die gefaltete Decke in die linke Hand, schüttelte sie auf und ließ sie auf die schwimmende Leiche gleiten. Dogger hatte inzwischen das Boot festgemacht. Er stieg ins flache Wasser, packte die verhüllte Gestalt, nahm sie behutsam auf die Arme und watete mit ihr ans grasbewachsene Ufer.
Kurz darauf lag der Tote auch schon auf der Wiese am Rand des Kirchhofs.
Mir fiel sofort der Bluterguss an seinem Hinterkopf auf. Es sah aus, als wäre der Mann gestolpert, hätte sich den Kopf angeschlagen und sei dann ins Wasser gestürzt. Tote bekamen, wie mir einfiel, keine Blutergüsse.
Ich rief mich zur Ordnung. »Wiederbelebung?«, fragte ich sachlich.
Dogger hatte Jiu-Jitsu nach der Methode von Professor Kano gelernt und wusste, dass man Ertrunkene wieder zum Leben erweckte, indem man ihnen kräftig auf die Fußsohlen schlug.
Doch nachdem er die Decke kurz gelüftet hatte, erwiderte er: »Das bringt wohl nichts mehr, Miss. Die Fische haben den armen Kerl schon angefressen.«
Tatsächlich waren Nase und Ohrläppchen ein bisschen angeknabbert.
Davon abgesehen musste der Tote recht gut aussehend gewesen sein. Bestimmt hatten sich die langen roten Locken, die ihm jetzt feucht und schlaff am Kopf klebten, verführerisch über dem Kragen seines gerüschten Seidenhemdes gekringelt.
Nein, das ist jetzt nicht erfunden. Das Hemd des Toten war tatsächlich aus Seide, ebenso die blaue Kniebundhose, die oben mit Knöpfen geschlossen und unten mit Seidenbändern zugebunden war.
Ich hatte das eigenartige Gefühl, dass ein Zeitreisender aus dem achtzehnten Jahrhundert vor mir lag, jemand, der in den Tagen von George III. ins Wasser gehüpft war und auf einmal beschlossen hatte, wieder aufzutauchen.
Mein nächster Gedanke lautete: War jemand nach einem Kostümball vermisst worden? Oder war ein Schauspieler aus einem Historienfilm verschollen?
So etwas wäre bestimmt durch alle Zeitungen gegangen. Trotzdem lag hier dieser attraktive Jüngling (nur dass er leider tot war) ganz selbstverständlich vor mir im Gras, als wäre er nur eine geangelte Forelle.
Er war fast zu attraktiv. Ich fand, er ähnelte dem berühmten Gemälde Knabe in Blau von Gainsborough, nur dass er deutlich blasser war.
Moment mal! Ja, er erinnerte mich tatsächlich an ein Gemälde, aber nicht an einen Gainsborough, sondern an das Werk eines weit weniger bekannten Malers namens Henry Wallis.
Der Tod Chattertons hieß das Bild, und es zeigte den Leichnam jenes bedauernswerten jungen Dichters, der sich um 1770 im Alter von nur siebzehn Jahren vergiftet hatte, weil man ihn der literarischen Fälschung beschuldigte.
Darauf hätte ich auch gleich kommen können – zumal eine große gerahmte Reproduktion des Gemäldes jahrelang auf dem Ehrenplatz über meinem Bett gehangen hatte.
Ich gestehe, dass Der Tod Chattertons zu meinen Lieblingskunstwerken zählt.
Chatterton, weiß wie ein Fischbauch, liegt in seiner gemieteten Dachkammer auf dem schäbigen Bett. Mit der linken Hand zieht er das Hemd von seiner Brust zurück, in der eben noch sein Herz geschlagen hat.
Die rechte Hand hängt verkrampft herab, und nicht weit davon liegt das leere Arsenfläschchen auf dem Boden.
Warum können nicht alle Kunstwerke so faszinierend sein?
»Bitte bleiben Sie, wo Sie sind, Miss Ophelia und Miss Daphne«, riss mich Dogger aus meinen Gedanken. »Behalten Sie den Fluss im Auge, ob jemand kommt.«
Ganz schön schlau, dachte ich. Dogger wollte die beiden beschäftigen, damit sie nicht hysterisch wurden und womöglich Beweismaterial beschädigten.
Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass man Anweisungen, die am Schauplatz einer Tragödie mit fester Stimme erteilt werden, stets Folge leistet.
»Und wenn du dir zutraust hierzubleiben, Miss Flavia«, setzte er hinzu, »dann würde ich losgehen und die Polizei holen.«
Ich nickte kurz, und er erklomm die steile Uferböschung. Die nassen Hosenbeine schlackerten ihm um die Knöchel, ohne seine Würde im Geringsten zu beeinträchtigen.
Kaum war er außer Sichtweite, schlug ich die Decke über der Leiche zurück.
Die halb offenen blauen Augen mit den erweiterten Pupillen blickten mich überrascht an, als hätte ich einem Dösenden das Sofakissen weggezogen. Die Lippen hatten das gleiche Blau wie die Bänder der Kniebundhose.
Ich beschnupperte den Mund des Toten und streifte ihn dabei mit der Nasenspitze, konnte aber nur den brackigen Geruch von Flusswasser ausmachen.
Daraufhin beugte ich mich noch weiter vor und schnüffelte an den Augen.
Ich hatte schon fast damit gerechnet. Sie rochen nach Marzipan.
Kaliumzyanid, beziehungsweise Zyankali, ist so gut wie geruchlos, außer man gibt es in Wasser. Dann bildet es eine leicht alkalische Lösung, aus der sich Blausäure entwickelt, die sich wiederum aus der Lösung verflüchtigt und charakteristisch riecht.
Weil die Augen von allen Körperteilen aus dem weichsten und empfindlichsten Gewebe bestehen, nehmen sie nicht nur chemische Gerüche am schnellsten an, sondern verströmen sie auch länger. Wenn du mir nicht glaubst, dann riech doch mal eine halbe Stunde nach dem Zwiebelschälen an deiner Tränenflüssigkeit.
Und weil die Augen des Toten zudem halb geschlossen waren, war nicht so viel Wasser darüber hinweggespült wie über Mund und Nase.
Die übrige Haut dagegen war … sagen wir, sie war in einer interessanten Verfassung. Das Gesicht war ein bisschen aufgedunsen, wies aber erstaunlich wenige Totenflecken auf. Das konnte nur bedeuten, dass der Verstorbene entweder noch nicht lange im Fluss trieb oder aber mehrere Tage unten auf dem Grund gelegen hatte, wo das Wasser kälter war. Dass er dann an die Oberfläche gekommen war, lag vermutlich an den Fäulnisgasen. Mir fielen zwar auch noch andere Ursachen dafür ein, aber diese war die wahrscheinlichste.
Natürlich hätte ich die Leiche noch eingehender untersuchen können und wäre sicherlich auf weitere Hinweise gestoßen, aber dazu hätte ich den Toten entkleiden müssen, und das fand ich dann doch ein bisschen respektlos. Außerdem konnte Dogger jeden Augenblick mit einem Polizeibeamten im Schlepptau zurückkommen.
Ohnehin sind es bei Ertrunkenen oft innerliche Indizien, die einen auf die entscheidende Spur bringen, und hier auf der Wiese konnte ich natürlich keine umfassende Obduktion vornehmen. Darum beschränkte ich mich auf das Nächstliegende.
Ich kreuzte dem Toten die Hände über der Brust, streckte dann selbst beide Arme steif vor und drückte fest auf seinen Brustkorb.
Ich wurde reich belohnt. Den bläulichen Lippen entströmte eine erstaunliche Menge einer trüben Flüssigkeit, gefolgt von einer klareren, bei der es sich vermutlich um Wasser handelte.
Rasch nahm ich mein Taschentuch und tupfte die Bescherung damit auf. Dann knüllte ich das Tuch zu einer Kugel zusammen, um Verunreinigungen vorzubeugen, und steckte es wieder weg.
Gewisse Leute – Mrs Mullet zum Beispiel – schärfen einem immer wieder ein, wie wichtig es ist, stets ein sauberes Taschentuch dabeizuhaben, und diesmal musste ich ihnen ausnahmsweise recht geben.
Ich schaute mich rasch um, aber niemand hatte mich beobachtet.
Daraufhin widmete ich mich wieder der äußerlichen Untersuchung des Toten und befühlte seine Handflächen. Wäre die Haut dort lose gewesen – der sogenannte »Handschuheffekt« –, wäre das ein Hinweis darauf gewesen, dass er länger im Wasser gelegen hatte, aber die Haut war noch straff.
Spontan führte ich meine eigene Hand an die Nase.
Schon komisch, wie selten wir Gerüche bewusst wahrnehmen – es sei denn, es »duftet« im einen oder anderen Sinne extrem: süß oder faulig, nach Veilchen oder nach Verwesung. Der menschliche Geruchssinn hat sich angewöhnt, alles Unwichtige zu ignorieren.
Ich beschnupperte meine Finger.
Aha! Eigentlich hatte ich gar nicht mit etwas Auffälligem gerechnet, doch meine Nase identifizierte einen...
Erscheint lt. Verlag | 25.6.2018 |
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Reihe/Serie | Die "Flavia de Luce"-Reihe |
Flavia de Luce | Flavia de Luce |
Übersetzer | Katharina Orgaß |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Grave's a Fine and Private Place |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 1950er Jahre • All Age • Boot • Chemie • Dagger Award • eBooks • England • Englischer Sommer • Ermittlerin • Hobbydetektivin • Kinderdetektive • Krimi • Krimi Humor • Krimi Humor Bestseller • Krimi humorvoll • Kriminalromane • Krimis • kulturpass • Mord im Gurkenbeet • Nevermore • Tim Burton • Wasserleiche • wednesday addams |
ISBN-10 | 3-641-21619-2 / 3641216192 |
ISBN-13 | 978-3-641-21619-1 / 9783641216191 |
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