Nordkoreanisches Reisetagebuch (eBook)
186 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-561203-3 (ISBN)
Luise Rinser, 1911 in Pitzling in Oberbayern geboren, war eine der meistgelesenen und bedeutendsten deutschen Autorinnen nicht nur der Nachkriegszeit. Ihr erstes Buch, ?Die gläsernen Ringe?, erschien 1941 bei S. Fischer. 1946 folgte ?Gefängnistagebuch?, 1948 die Erzählung ?Jan Lobel aus Warschau?. Danach die beiden Nina-Romane ?Mitte des Lebens? und ?Abenteuer der Tugend?. Waches und aktives Interesse an menschlichen Schicksalen wie an politischen Ereignissen prägen vor allem ihre Tagebuchaufzeichnungen. 1981 erschien der erste Band der Autobiographie, ?Den Wolf umarmen?. Spätere Romane: ?Der schwarze Esel? (1974), ?Mirjam? (1983), ?Silberschuld? (1987) und ?Abaelards Liebe? (1991). Der zweite Band der Autobiographie, ?Saturn auf der Sonne?, erschien 1994. Luise Rinser erhielt zahlreiche Preise. Sie ist 2002 in München gestorben.
Luise Rinser, 1911 in Pitzling in Oberbayern geboren, war eine der meistgelesenen und bedeutendsten deutschen Autorinnen nicht nur der Nachkriegszeit. Ihr erstes Buch, ›Die gläsernen Ringe‹, erschien 1941 bei S. Fischer. 1946 folgte ›Gefängnistagebuch‹, 1948 die Erzählung ›Jan Lobel aus Warschau‹. Danach die beiden Nina-Romane ›Mitte des Lebens‹ und ›Abenteuer der Tugend‹. Waches und aktives Interesse an menschlichen Schicksalen wie an politischen Ereignissen prägen vor allem ihre Tagebuchaufzeichnungen. 1981 erschien der erste Band der Autobiographie, ›Den Wolf umarmen‹. Spätere Romane: ›Der schwarze Esel‹ (1974), ›Mirjam‹ (1983), ›Silberschuld‹ (1987) und ›Abaelards Liebe‹ (1991). Der zweite Band der Autobiographie, ›Saturn auf der Sonne‹, erschien 1994. Luise Rinser erhielt zahlreiche Preise. Sie ist 2002 in München gestorben.
Vorwort
Als ich den ersten Teil dieses Buches schrieb, war mir nicht recht klar, welch heißes Eisen ich damit berührte. Ich wollte nichts anderes als einen Reisebericht schreiben, also aufzeichnen, was ich mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hatte und damit – wenn auch subjektiv gefärbte – Informationen geben über ein Land, von dem man fast nichts und das Wenige nur verzerrt wußte.
Obwohl ich mich viele Jahre mit der Gesamt-Korea-Frage befaßt hatte, wußte ich zwar viel über Südkorea, aber wenig vom Norden des Landes, und was ich wußte, stand unter negativem Vorzeichen: Nordkorea, eine finstere Diktatur.
Auf meiner ersten Reise, 1980, traf ich ein Land an, das diesem Vorurteil nicht entsprach. Was sich mir darbot, war soviel besser als das bisher Gewußte. Schon aus Gründen der Dialektik mit dem Ziel der Wahrheitsfindung sah ich mich gedrängt, das Positive zu betonen, um das fixierte Vorurteil des Westens zu korrigieren. So mag manches, was ich schrieb, allzu positiv geraten sein, freilich manches auch zu negativ. Es ist sehr schwer, Nordkorea zu verstehen, zumal bei einem ersten Besuch.
Auf der zweiten Reise im Herbst des Jahres 1981 war ich bestrebt, mein erstes Bild rücksichtslos zu korrigieren. Aber ich begriff, daß ich die Wirklichkeit Nordkoreas nur verstehen könne, wenn ich aufhörte, es mit westlichen Augen anzuschauen. Die zweite Reise wurde mir zu einem harten Lernprozeß. Plötzlich sah ich überall Widerhaken und Widersprüche! Meine Aufzeichnungen von 1981 habe ich nach der dritten Reise 1982 wiederum korrigiert, als ich bereits gelernt hatte, den Fernen Osten mit fernöstlichen Augen anzuschauen. Ich bin sicher, daß ich auf meiner nächsten Reise mein Bild wiederum verfeinern muß, denn Nordkorea ist, wie der ganze Ferne Osten, nur in intensiver Auseinandersetzung und immer wieder neu erfahrbar.
Natürlich habe ich mich inzwischen auch theoretisch mit Nordkorea befaßt. Dabei war mir besonders hilfreich die Arbeit eines Mannes, der bestimmt nicht im Verdacht stehen kann, kommunistenfreundlich zu sein: Gregory Henderson, der 1947 als Offizier der US-Armee nach Korea kam, sieben Jahre Mitarbeiter der US-Botschaft in Seoul und Busan war, Spezialist für Koreafragen, und hernach drei Jahre Berater im State Department Washington. Von 1964 bis 1965 war er Professor an der Harvard-Universität und dann Gastprofessor an der Freien Universität Berlin. Die Informationen, die ich bei meiner persönlichen Begegnung mit ihm im Oktober 1982 in Boston erhielt, ergänzten sich mir bei der Lektüre seiner Arbeiten über Korea. Sehr aufschlußreich war mir der Vergleich zweier seiner Arbeiten aus verschiedenen Jahren: zwischen dem 1968 entstandenen Buch ›Korea‹ (Harvard University Press) und seinem Aufsatz in der Zeitschrift ›Korea Scope‹ vom Juni 1982. Vierzehn Jahre redlicher Arbeit brachten den Politologen und Diplomaten dazu, Kritik zu üben an der Regierung Südkoreas und auch an der Einmischung der USA in die Koreapolitik. Ich zitiere ein Beispiel aus seiner neuen Arbeit: »Als der US-General Hodge 1945/46 eine Polizeiarmee aufstellte, welche der südkoreanischen Polizei helfen sollte, die internen Unruhen zu bekämpfen, wurde er damit der Begründer jener US-Militärmacht, die Südkorea heute beherrscht.«
Diese Maßnahme sei, sagt Henderson, der US-Regierung nicht recht gewesen, aber Hodge habe es verstanden, die USA wie auch Japan davon zu überzeugen, daß sie nötig sei. Er schreibt dazu wörtlich:
»Es gab damals in Südkorea selbst keinen zwingenden Grund, eine solche Streitmacht aufzubauen, und es gab keinen Beweis für eine Streitmacht in Nordkorea, die seinerzeit solche Maßnahmen gerechtfertigt hätte.«
Als die Sowjets 1948 aus Nordkorea abrückten, forderten die Vereinten Nationen den Rückzug auch der US-Armee aus Südkorea. Statt dessen bauten die USA ihre Militärmacht in Südkorea weiter aus.
Das heißt: Es bestand für die USA keine Notwendigkeit, in Südkorea eine derart starke Militärmacht zu unterhalten! Der einzige Grund war, den USA im Fernen Osten einen festen Militärstützpunkt zu sichern und sich Südkorea zum absolut abhängigen Partner zu machen. Seither ist die dortige US-Streitmacht die stärkste, welche im Ausland aufgebaut worden ist. Südkorea selbst hat heute 600000 reguläre Soldaten, dazu die Reservisten, die sich jedes Jahr vervielfachen, und ein Militärbudget von 5 Billionen Dollar, wovon ein Drittel aus südkoreanischen Quellen stammt; den Rest bezahlen die USA. Südkorea hat das höchste Pro-Kopf-Militärbudget der Welt. Die Folgen der hohen Eigenkosten spüren die Südkoreaner, vor allem die Arbeiter, die für Hungerlöhne zu arbeiten gezwungen sind und selbstverständlich kein Streikrecht und keine funktionierenden Gewerkschaften haben! Die Spanne zwischen den geringen Produktionskosten und den hohen Verkaufspreisen ist der Gewinn, den die in Südkorea arbeitenden Fabriken der USA und Japans einstecken. Der in Südkorea verbleibende Rest wird für die Rüstung verwendet. Zwischen 1975 und 1980 wurden 500 Millionen Dollar für die Rüstung ausgegeben. In Südkorea gibt es 90 Waffenfabriken. Ihre Produktion wurde in den letzten vier Jahren verdoppelt.
Südkorea ist eine Militärdiktatur strikter Observanz. Henderson schreibt dazu:
»Das Militär, gegründet und unterstützt durch die USA, wurde – nach dem Plan der US-Regierung zwischen 1951 und 1954 – zu einer Institution mit einer deutlich feststellbaren erzieherischen, organisatorischen und ideologischen Einheitlichkeit, welche die Regierungsgewalt beherrschte.«
Dies habe, sagt Henderson, die US-Regierung so nicht gewollt. Sie habe versäumt, alternative zivile Institutionen zu begründen oder zu fördern, welche die Invasion der Militärmacht in alle Bereiche des Lebens hätte verhindern können. So wurden die USA
»verantwortlich für die Schaffung – oder beitragend zur Schaffung – genau jenes Zustands von Autoritarismus und Repression einer Volksregierung, vor welcher Washington und Jefferson die Bürger der USA so nachdrücklich gewarnt hatten.«
Dies muß man wissen, um die Haltung Nordkoreas zu begreifen. Ein kleines Land, blockfrei, also ohne militärische Hilfe der Sowjetunion und Chinas, sieht sich faktisch aufs höchste bedroht von der vereinten Macht der USA und Südkoreas. Dazu kommt neuerdings die Bedrohung durch Japan, das, durch strategische und wirtschaftliche Überlegungen geleitet, einem Dreierbündnis USA, Südkorea, Japan zustimmt. Dazu schreibt Saki Hiroharu, Professor für internationale Politik an der Tokyo-Universität, in der Zeitschrift ›Korea scope‹ (1982), daß dieses Bündnis gegen Nordkorea gerichtet sei, das, seiner Blockfreiheit entsprechend, die Reduzierung aller Waffen auf der koreanischen Halbinsel fordert und Frieden will.
Wer die Vorgeschichte des Koreakrieges kennt, wird wissen, daß Nordkorea im üblichen, d.h. undifferenzierten Sinne, wohl der Angreifer war, aber auch, daß dieser Krieg aufs schärfste provoziert worden war durch die enorme Aufrüstung im Süden, die Nordkorea gegen sich gerichtet wußte. Sollte es warten, bis es vom Süden her überrollt würde? Wieviele nationale und internationale Konflikte, wieviele Menschenleben, koreanische und amerikanische, wären nicht sinnlos geopfert worden, hätte Kim Il Sung das ganze Land befreit.
Die Anwesenheit einer so geballten Streitmacht in Südkorea und die Anwesenheit eines starken Potentials von Atomwaffen in so großer Nähe machen es verständlich, daß Nordkorea sich in ständiger Verteidigungsbereitschaft befindet. Es kann sich keine inneren Zwiespälte erlauben. Das Volk muß wie ein Block hinter einem Führer stehen. Jede Abweichung wäre Schwächung der Verteidigungskraft. Daher die Ausrichtung auf eine einzige Persönlichkeit, die das Symbol der Einheit ist. Daher die Sicherung der Nachfolge. Daher die für westlichen Geschmack so unerträgliche Erziehung zu einheitlichem Denken. Darum all das, was uns, vom sichern westlichen Zuschauerplatz aus als tyrannische Diktatur nur erscheint.
Kim Il Sung will nichts als Frieden. Wie könnte er, in der augenblicklichen Situation, einen Angriff auf den Süden auch nur planen?
Aber auch abgesehen von seinen politisch-militärischen Gesichtspunkten kann er nichts anderes wollen als Frieden, denn der Zwang zur Defensiv-Aufrüstung ist ein schweres Hindernis für das, was er eigentlich will: seinem Volk zu Wohlstand und Glück zu verhelfen. Die Rüstung kostet zuviel Geld und verursacht Verschuldung im Ausland. Es ist durchaus möglich, daß die eigentliche Absicht des militärischen Dreierbündnisses USA, Südkorea, Japan dieselbe ist, welche die USA der Sowjetunion gegenüber anwendet: durch den Zwang zu immer höherer Aufrüstung das Land wirtschaftlich ausbluten zu lassen. Seit ich Kim Il Sung persönlich kenne, weiß ich, daß er, auch ohne alle Rücksichten auf den Druck der Russen, ein Mann des Friedens geworden ist.
Es ist falsch, ihn immer noch zu sehen als den Partisanenführer und den General im Krieg, als den Verfolger aller...
Erscheint lt. Verlag | 15.7.2016 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Kim Il Sung • Nordkorea • Reisebericht • Sachbuch • Wiedervereinigung |
ISBN-10 | 3-10-561203-3 / 3105612033 |
ISBN-13 | 978-3-10-561203-3 / 9783105612033 |
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