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Das Flüstern der Wände (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
362 Seiten
Dryas Verlag
978-3-941408-83-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Flüstern der Wände -  Rebecca Michéle
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Cornwall 1940: Um den Bombenangriffen auf London zu entgehen, bringt Robert Carlyon seine Familie nach Cornwall, wo sie auf dem Landsitz Higher Barton eine Bleibe finden. Während Roberts Frau und sein Sohn sich zunächst schwer in das Landleben einfügen, ist die siebzehnjährige Eve von dem Herrenhaus sofort begeistert. Doch nachts meint sie, jemanden ihren Namen rufen zu hören. Eve erfährt, dass Mitte des 19. Jahrhunderts die junge Evelyn Tremaine spurlos verschwunden ist. Seitdem soll ihr Geist in den Mauern umgehen. Welches Geheimnis birgt Higher Barton und welche Rolle spielt der alte Lord Tremaine? Eve beginnt nachzuforschen und stößt auf eine unglaubliche Geschichte, die auch ihr eigenes Leben nachhaltig verändern wird.

Rebecca Michéle, geboren 1963 in Süddeutschland, lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Seit 15 Jahren widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben und hat bereits mehrere historische Romane veröffentlicht. Mehr unter: www.rebecca-michele.de

Rebecca Michéle, geboren 1963 in Süddeutschland, lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Seit 15 Jahren widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben und hat bereits mehrere historische Romane veröffentlicht. Mehr unter: www.rebecca-michele.de

Eve

Cornwall, Herbst 1940

1

Je weiter sie nach Westen kamen, desto mehr brach die Sonne durch die Wolken. Am Vormittag, als sie in London aufgebrochen waren, hatte es in Strömen geregnet, trotzdem war ihr der Abschied schwergefallen, denn Eve hatte keine Ahnung, wann sie in die Stadt zurückkehren konnten. In diesen Zeiten wusste niemand, was die Zukunft bringen würde, man versuchte einfach, die Tage, und vor allen Dingen die Nächte, zu überleben. Bis auf ein oder zwei Wochen während der vergangenen Sommer, die die Familie in einem der Seebäder an der Kanalküste verbrachten, hatte Eve die Großstadt nie verlassen. Die Siebzehnjährige liebte die hektische Betriebsamkeit der Metropole, die breiten Boulevards, die grünen, stillen Parkanlagen ebenso wie die zahlreichen historischen Bauten, in denen die Vergangenheit lebendig wurde. Seit ein paar Wochen war jedoch alles anders. London war nicht länger das starke, mächtige und uneinnehmbare Bollwerk Großbritanniens. Nacht für Nacht heulten die Sirenen, die Menschen flüchteten vor den Bomben in die Luftschutzkeller, um dort auszuharren, zitternd aneinandergekauert, die Gasmasken vors Gesicht gepresst und nicht wissend, ob ihr Haus und ihr Hab und Gut noch vorhanden sein würde, wenn Entwarnung gegeben wurde. London brannte, und unter der Bevölkerung machte sich langsam, aber sicher Panik breit.

„Ihr müsst hier weg“, hatte vor einigen Tagen Eves Vater, Robert Carlyon, gesagt. „Ich bringe euch so schnell wie möglich zu Verwandten aufs Land.“

Ihr – das waren neben Evelyn, die von allen nur liebevoll Eve genannt wurde, ihr drei Jahre jüngerer Bruder Mickey und ihre Mutter Melanie, die wegen der Bombenangriffe einem Nervenzusammenbruch nahe war. So erhob niemand Einwände dagegen, die Stadt zu verlassen, auch wenn das die Trennung von Robert bedeutete. Unmittelbar nachdem Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt hatte, hatte sich Robert Carlyon zum Kriegsdienst gemeldet. Als aufstrebender Politiker wurde er jedoch nicht an die Front geschickt, sondern bekam einen Posten im Kriegsministerium. Eve wusste nicht, mit welchen Aufgaben ihr Vater dort betraut war, denn selbst gegenüber seiner Familie war er zur Verschwiegenheit verpflichtet.

„Wann sind wir endlich da?“ Mickey versuchte, seine Beine auszustrecken. Für einen Vierzehnjährigen war er hochgewachsen, und das stundenlange Sitzen im Fond des Rovers war alles andere als bequem. „Außerdem habe ich Hunger.“

„Ein oder zwei Stunden wird es noch dauern“, antwortete Robert. „Wir werden bei Okehampton eine Pause machen und etwas essen.“

„Lieber nicht.“ Melanie Carlyons Stimme war so zart wie ihre ganze Erscheinung. „Lass uns bitte durchfahren, damit wir ankommen, bevor es dunkel wird.“

Mit der linken Hand berührte Robert kurz den Arm seiner Frau. „Du brauchst keine Angst zu haben, meine Liebe, hier wird uns nichts geschehen. Bisher haben die Deutschen nur die großen Städte angegriffen.“

Melanie seufzte, drehte den Kopf zur Seite und starrte auf die vorbeiziehende Landschaft, die sich, obwohl es Herbst war, in saftigem Grün und üppiger Vegetation präsentierte. Bedingt durch den Golfstrom, kam im Westen Englands der Herbst später, und kalte, schneereiche Winter waren eher selten.

Sie passierten kleine, zum Teil strohgedeckte Cottages in dem für die Gegend typischen grauen Granit. Auf den grünen Wiesen weideten braune und gescheckte Kühe und Schafe mit schwarzen Köpfen, die wegen ihres weißen Fells wie willkürlich verteilte Wattetupfen wirkten. Es herrschte wenig Verkehr, und über der Landschaft lag eine friedliche Ruhe, die es unvorstellbar machte, dass Tag für Tag und Nacht für Nacht in den Groß- und Hafenstädten die Häuser brannten und Menschen starben. Eve wusste von der panischen Angst ihrer Mutter, mitten auf der Straße von Kampfflugzeugen angegriffen zu werden. Melanie Carlyon hatte allerdings vor allem und jedem Angst, sie fürchtete sich sogar vor einer harmlosen, kleinen Spinne an der Wand.

Robert Carlyon hielt bei einem kleinen Landgasthof direkt an der Hauptverbindungsstraße zwischen Exeter und Penzance, auf deren linker Seite die Ausläufer des Dartmoors zu erkennen waren. Trotz der angespannten Situation ließ Eve sich ein herzhaftes Cottage Pie schmecken, ihre Mutter rührte indes keinen Bissen an.

Als sie ihre Fahrt fortsetzten, fragte Eve ihren Vater: „Und du kennst die Familie wirklich nicht? Warum nehmen sie uns dann einfach in ihr Haus auf?“

Im Rückspiegel trafen sich ihre Blicke. Robert zwinkerte seiner Tochter vertraulich zu. „Bisher gab es kaum Kontakt zwischen uns, da wir nur entfernt miteinander verwandt sind. Helen Tremaine ist eine Art Großcousine. Ihre Großmutter und euer Urgroßvater waren Base und Vetter. Mein Vater korrespondierte früher mit der Familie, und wir schreiben uns regelmäßig Weihnachtskarten. Wir sind uns aber nie persönlich begegnet.“

„Also handelt es sich um völlig fremde Menschen.“ Melanie seufzte schwer. „Es ist mir sehr unangenehm, auf deren Mildtätigkeit angewiesen zu sein.“

„Helen war sofort bereit, euch aufzunehmen, als ich ihr schrieb“, erklärte Robert geduldig, denn über dieses Thema hatten sie fast die ganze letzte Nacht diskutiert. „Immer mehr Familien – und vor allem Kinder – werden aus den Städten auf das Land evakuiert. Walter Tremaine ist an der Front, und Cousine Helen meinte, sie wäre über etwas Gesellschaft ganz froh.“

„Hoffentlich wird es nicht zu eng werden.“ Melanie Carlyon musste ihre Bedenken vorbringen. „Wenn sie in einem Cottage lebt, dann werden wir vielleicht alle zusammen in einem kleinen Zimmer hausen müssen, und das würden meine Nerven nicht aushalten.“ Ihre Mundwinkel zogen sich weinerlich nach unten. „Ich weiß nicht, ob ich das ertragen kann ...“

„Jetzt mach mal einen Punkt!“ Robert reagierte ungewöhnlich scharf, seine Hände krallten sich um das Lenkrad. „Helen Tremaine hätte das freundliche Angebot nicht gemacht, wenn für euch drei nicht genügend Platz vorhanden wäre. Oder willst du lieber weiterhin Nacht für Nacht vor den Bomben in die U-Bahn-Schächte flüchten?“

Melanie zuckte zusammen, schlang den Schal fester um den Hals und kauerte sich im Sitz zusammen. Fast tat Eve ihre Mutter leid, doch sie verstand ihren Vater, der nur das Beste für seine Familie wollte. Bisher war ihr Haus am Holland Park nicht von den Bomben getroffen worden. Seit Wochen jedoch waren sie vom Rauch der Brände umgeben, und das Heulen der Sirenen ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Eve war ein bodenständiges Mädchen. Obwohl auch sie der neuen Unterkunft mit gemischten Gefühlen entgegensah, wollte sie sich bemühen, der fremden Verwandten kein Klotz am Bein zu sein und sich für die Aufnahme erkenntlich zu zeigen. Seit der Geburt ihres Bruders war ihre Mutter leidend, wie sie es ausdrückte, wobei eigentlich niemand genau wusste, woran sie litt. Zwar war Mickeys Weg in diese Welt nicht einfach gewesen, und Melanie wäre bei der Geburt beinahe gestorben, inzwischen aber war sie organisch wieder gesund. Jahrelang hatte Robert die besten Ärzte bemüht, die aber alle nur zu dem Ergebnis gekommen waren, dass Melanie melancholisch war. In London hatten sie neben einer Köchin und einem Hausmädchen auch eine Frau gehabt, die sich regelmäßig um Melanie kümmerte. Ihre Angestellten konnten sie aber nicht mit nach Cornwall nehmen und die unbekannte Tante zusätzlich belasten. Eve wusste, dass es nun ihre Aufgabe war, sich um die Mutter zu kümmern.

Kurz vor der Stadt Launceston überquerten sie den Tamar, den natürlichen Grenzfluss zwischen den Grafschaften Devon und Cornwall.

„Eve, lies mir bitte vor, wie ich nun zu fahren habe“, bat Robert seine Tochter.

Helen Tremaine hatte ihrem Brief eine ausführliche Wegbeschreibung beigefügt und angemerkt, dass ihr Haus nicht auf Anhieb zu finden wäre. Nachdem Robert die Hauptstraße verlassen hatte, wurden die Wege so schmal, dass die Zweige der Hecken, die rechts und links die Fahrbahn säumten, die Karosserie streiften. Die Gegend war einsam, nur selten konnte man ein Cottage oder eine kleine Farm in der Ferne erkennen. Robert bog zweimal nach rechts und dann nach links ab, und nach etwa vier oder fünf Meilen ging die Straße in einen ungepflasterten Feldweg über.

„Hier wohnt niemand!“, jammerte Melanie. „Wir haben uns verfahren, und bald wird es dunkel.“

„Daddy ist exakt so gefahren, wie Tante Helen es beschrieben hat“, erklärte Eve.

„Das liegt ja am Ende der Welt.“ Seit der letzten Rast waren das Mickeys erste Worte, denn er hatte mit geschlossenen Augen vor sich hin gedöst. „Das wird ziemlich öde werden. Hoffentlich gibt‘s hier wenigstens irgendwo ein Kino.“

„Ich fürchte nicht“, antwortete Robert, „dafür aber auch keine Fliegerangriffe.“

Sein Tonfall verriet Eve, unter welcher Anspannung ihr Vater stand, und sie beschloss, ihrem Bruder später dazu ein paar Worte zu sagen. Da bemühte sich Robert, seine Familie in Sicherheit zu bringen, und ihre Mutter und Mickey suchten regelrecht nach dem Haar in der Suppe. Auch Eve hatte London und ihre Freundinnen ungern zurückgelassen, sah aber dem Leben auf dem Land erwartungsvoll entgegen. Selbst hier im geschlossenen Wagen bemerkte sie, dass die Luft viel klarer war als in der Stadt. Ja, sie meinte, sogar einen Hauch von Salz und Tang riechen zu können. Das Meer konnte also nicht weit entfernt sein.

„Ich glaube, wir sind ganz in der Nähe.“ Robert Carlyon bremste ab, denn sie hatten die ersten Häuser einer kleinen Ortschaft erreicht. „Das ist wohl Lower...

Erscheint lt. Verlag 3.3.2015
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Britisch • Cornwall • Familiengeheimnis • Geistergeschichte • Gothic • Herrenhaus
ISBN-10 3-941408-83-6 / 3941408836
ISBN-13 978-3-941408-83-8 / 9783941408838
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