Und ewig grüßt das Moppel-Ich (eBook)
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400649-9 (ISBN)
Susanne Fröhlich ist erfolgreiche Moderatorin, Journalistin und Bestsellerautorin. Sie lebt in der Nähe von Frankfurt am Main. Sowohl ihre Sachbücher als auch ihre Romane - »Familienpackung«, »Treuepunkte«, »Lieblingsstücke«, »Lackschaden«, »Aufgebügelt«, »Wundertüte«, »Feuerprobe« und zuletzt »Verzogen« - wurden alle zu riesigen Erfolgen.
Susanne Fröhlich ist erfolgreiche Moderatorin, Journalistin und Bestsellerautorin. Sie lebt in der Nähe von Frankfurt am Main. Sowohl ihre Sachbücher als auch ihre Romane – »Familienpackung«, »Treuepunkte«, »Lieblingsstücke«, »Lackschaden«, »Aufgebügelt«, »Wundertüte«, »Feuerprobe« und zuletzt »Verzogen« – wurden alle zu riesigen Erfolgen.
Der Glücksfresser
Sie sind das verdammte Thema »Idealgewicht« einfach leid? Sie wollen nichts mehr darüber hören, wie man eben mal im Schlaf ohne Mühe abnehmen kann, würden aber dennoch natürlich sehr gerne Ihren Speck über Nacht irgendwie loswerden? (Falls es mal so weit sein sollte, melde ich mich hiermit unverbindlich an – ich hätte am nächsten Morgen gerne den Körper von Shakira!) Sie finden das ganze Thema Diät und Co. überbewertet und langweilig, grämen sich aber insgeheim trotz allem und befinden sich schon deshalb in einem Dauerdilemma?
Dann geht es Ihnen ähnlich wie mir. Ich bin komplett genervt, bekomme eine Art unsichtbaren Ganzkörperhautausschlag, wenn ich das Wort »Diät« nur höre, und würde wirklich gerne auch mal über etwas anderes sprechen. Warum aber schaffe ich das genauso wenig wie viele andere da draußen in der kaloriendominierten Welt? Was ist an diesem Thema eigentlich so weltbewegend? Wie ist es dazu gekommen? Wieso hat Übergewicht ein ebensolches in den Medien? Wieso vergeht kein verdammter Tag mehr, an dem nicht irgendetwas über Zu- und Abnehmen eines »Promis« in den Zeitungen steht? Passiert sonst nichts?
Woran liegt das alles? Ist es heutzutage wirklich entscheidend, was man wiegt? Ist Dünnsein mittlerweile das neue Jungsein? Das neue Reichsein? Definitiv ja.
Dünnsein ist die Währung, die aktuell zählt. Unlängst sagte Kate Moss: »Nichts schmeckt so gut wie das Gefühl, dünn zu sein.« Und: »Man kann nie zu reich oder zu dünn sein«, hatte schon die Herzogin von Windsor gesagt, und nie war zumindest der letzte Satz wahrer als heute. Das Streben nach der Idealfigur eint selbst extrem unterschiedliche Frauen und mittlerweile auch Männer. Der Druck wächst.
Ein Zeitalter wie unseres, in dem über Fünfzigjährige der Magersucht verfallen und laut Untersuchung mehr als 70 Prozent der Frauen bereit wären, auf fünf zusätzliche Lebensjahre zu verzichten, um in der Restzeit in Größe 36 zu passen, in einem solchen Zeitalter kann man kaum mehr ungestraft einen Body-Mass-Index jenseits der 25 haben.
Sind wir alle bekloppt? Wer setzt uns eigentlich unter diesen Zwang? Wer sagt eigentlich, dass wir da mitspielen müssen? Kann man einfach aussteigen – wie beim Kartenspiel »Ich passe« sagen –, ohne sozial geächtet zu werden? Kann man es tatsächlich schaffen, entspannt zu essen und eine Waage zu betreten, ohne Schweißausbrüche zu haben? Endlich mal wieder ein Weißbrot nur als das sehen, was es ist: ein Brot? Okay – ein Brot ohne Körner und mit viel weißem Mehl. Bösem weißen Mehl. Eine Kohlenhydratbombe. Aber letztlich halt doch nur ein Brot. Eines, von dem unsere dünnen französischen Nachbarn nicht genug bekommen können.
Warum nur tun wir uns das alles an? Viele von uns sogar immer wieder? Vom Hin und Her und der daraus resultierenden Erkenntnis handelt dieses Buch.
Nun werden Sie sich vielleicht fragen: Warum noch ein Buch zu diesem Thema?
Ist mit »Moppel-Ich« nicht alles gesagt gewesen? Ich dachte eigentlich ja. Zu meinem großen Erstaunen musste ich feststellen, dass Moppel-Ich als etwas gesehen wurde, was es auf keinen Fall sein sollte: ein Diätbuch.
Ich habe mich mit dem unendlichen Kampf gegen die überflüssigen Pfunde beschäftigt, und wahrgenommen wurde das Ganze als Anleitung zum Abnehmen. Etwas, was nie in meiner Absicht lag. Klar, ich habe damals abgenommen, aber es ging um mehr. Um das ganze Drumherum. Um eine komplette Industrie. Um den Druck. Um den Verzicht, die verdammte Plackerei und den elendigen Kampf. Die skurrilen Begleiterscheinungen. Und natürlich die ganz große Frage nach dem Warum. Und dem »Wofür das alles?« Steht der Aufwand im Verhältnis zum Benefit? Was hat man eigentlich vom Schlanksein? Verspricht Schlanksein eventuell mehr, als es halten kann?
Die Reaktionen, als ich wieder zugenommen hatte (etwas, was ich nie für ausgeschlossen gehalten hatte!), waren vehement. Hämisch, gehässig und so drastisch, dass ich erschrocken bin. Schließlich bin ich weder die Einzige, der das passiert ist, noch die Erste. Den meisten geht es ähnlich. Was führt also zu solchen Reaktionen? Zu übelsten Beschimpfungen und Körperkontrollen mitten auf der Fußgängerzone, als eine Frau mir ungefragt die Jacke aufmachte, um zu gucken, wie es gewichtsmäßig um mich steht? Wieso schreibt jemand E-Mails mit der Anrede: »Fette Sau!« Was macht Menschen ausgerechnet bei diesem Thema derart aggressiv? Gäbe es nicht jede Menge andere Themen, über die man sich herrlich ereifern könnte? Politik zum Beispiel, mangelnde Hilfsbereitschaft, Kinderarbeit oder Ähnliches. Wie wäre es mit der Tatsache, dass Frauen immer noch etwa 22 Prozent weniger Gehalt für die gleiche Arbeit bekommen als Männer – und das in Deutschland? Ich könnte eine sehr lange Liste mit diversen Aufregern erstellen, komischerweise führt keines dieser Themen je zu solch tollwutartigen Reaktionen.
Was ist es, was Menschen beim Thema Dicksein zu Furien werden lässt? Wie kann man sich über Gewichtsschwankungen einer fremden Person derart ereifern? Ist das »Scheitern« etwas, das auch ihnen die Hoffnung raubt? Ist es eine Stellvertretersache? Oder nur pure Schadenfreude, die man in diesem Fall auch hemmungslos ausleben darf? Schließlich gilt für Moppel keinerlei Political Correctness. Über dicke Menschen darf man sich offen empören. Obwohl sie niemandem etwas tun. Wäre da nicht eine Form von Mitleid oder Verständnis die normalere Reaktion? Ein »Schade!« statt ein »O Gott, wie ekelhaft!« Oder ein »Kenne ich, gibt Schlimmeres!«
Da werden Fotos von Pierce Brosnan und seiner Frau Keely Shaye Smith am Strand gezeigt, und die Zeitung titelt: »James Bond mit seinem Lieblingswal«. Ist das jetzt witzig, nur weil die bildschöne Keely nicht in Size Zero passt? Anscheinend ist es für Zeitungsmacher unvorstellbar, dass ein Mann wie Pierce Brosnan, im Filmleben umgeben von Top-Figürchen der Bond-Girls, im echten Leben ein bisschen mehr Frau mag? Gilt das jetzt schon als Charity, wenn ein schöner Mann sich mit einer Frau jenseits Kleidergröße 42 abgibt? Und das, obwohl er sicherlich auch andere Möglichkeiten hätte …
Natürlich weiß ich, dass ich selbst freiwillig mit dem Thema an die Öffentlichkeit gegangen bin. Mit anderen Worten: Wer mit seinem Speck offensiv umgeht, muss mit den Reaktionen leben. Schließlich bin ich die Autorin von »Moppel-Ich«, und es war klar, dass man nach der Veröffentlichung eines solchen Buches unter einer gewissen Beobachtung steht. Ich hatte aber, vielleicht für viele erstaunlich, angenommen, dass Menschen ein Buch auch lesen und die vorhandene Botschaft verstehen. Eine Botschaft, die eben nicht lautete: Nimm sofort ab und ja nie wieder zu.
Natürlich war mir bewusst, dass man mit einem solchen Thema einer gewissen medialen Gewichtskontrolle unterliegt. Dass man aber tatsächlich und wahrhaftig auf eine Waage gezwungen wird, hatte ich schlicht nicht für möglich gehalten. Vor allem nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Aber ein Gutes hatte die unselige Wiegeaktion bei »Wetten, dass..?« (später mehr dazu) immerhin. Nach der Bild-Schlagzeile am nächsten Tag: »Wiegt Frau Moppel-Ich wirklich 108 Kilo?« kann einen in puncto Gewicht wirklich nichts mehr schrecken. Vor allem weil alle, die mich danach getroffen haben, eher angenehm überrascht waren. 108 Kilo. Eine stattliche Zahl. Übrigens, nur nebenbei bemerkt, ich habe noch nie so viel gewogen, aber nach einer solchen Schlagzeile auf der Titelseite kann man auch im Bikini in den Supermarkt gehen.
Wenn Oliver Pocher Mariah Carey in einer »Wetten, dass..?«-Sendung als »Presswurst« bezeichnet, ist das laut Thomas Gottschalk frech und unverschämt. Aber macht es automatisch ein Verhalten salonfähig, erwachsene Frauen auf eine Waage zu zerren? Der Moderator der Sendung findet: »Wenn man wie Susanne Fröhlich das Thema Diät als Geschäftsmodell entdeckt hat, ist das auch zumutbar!« So hat er sich wörtlich geäußert. Diät als Geschäftsmodell? Bin ich Miss Weight-Watchers? Vertreibe ich »Du darfst«-Salami? Verticke ich dubiose Pillen im Internet? Verspreche ich etwas, was ich selbst nicht halten kann? Ich habe ein Buch geschrieben, nicht das Thema Diät als Geschäftsmodell entdeckt. Und es hätte schon gelangt, den Untertitel des Buches zu lesen. Vorne drauf steht, groß und deutlich: »Moppel-Ich. Der Kampf mit den Pfunden«. Nicht etwa »Der Sieg über die Pfunde«. Und auch nicht: »Der ultimative Abnehm-Guide«. Oder: »So nehmen Sie rasant und dauerhaft ab«.
Dass ich eindeutig zugenommen hatte, war offensichtlich. Das Wiegen hatte etwas Demonstratives. Ein Strafwiegen. Man soll, besonders als Frau, sein »Maul eben nicht so voll nehmen!« In jeder Hinsicht. Aber wer einmal vor etwa 13 Millionen Menschen auf einer Waage stand, dem ist so schnell nichts mehr peinlich. So gesehen hat alles am Ende doch noch was Gutes.
Wie kann es sein, dass heutzutage Doofheit absolut salonfähig ist, ein Moppel-Dasein aber eigentlich mindestens eine Burka verlangt? Selbstbewusstsein und Dicksein schließen sich in der Öffentlichkeit aus. Wer ein Moppel ist, hat gefälligst demütig zu sein. Kleinlaut und leise, schließlich hat sich der Moppel offensichtlich nicht unter Kontrolle. Ein Moppel hat in der westlichen Welt wenig zu lachen. Und muss sich ständig rechtfertigen.
Damit ist bei mir jetzt Schluss. Ich will mich nicht für meinen Körper entschuldigen. Warum auch: Immerhin ist er meiner. Also kann ich wohl auch entscheiden, wie ich mit ihm umgehe. Das heißt nicht, dass ich in Ekstase gerate, wenn ich mich morgens nackt im Spiegel sehe. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die sich...
Erscheint lt. Verlag | 19.7.2010 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Zweisprachige Ausgaben ► Deutsch / Englisch |
Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Ernährung / Diät / Fasten | |
Schlagworte | Abnehmen • Abspecken • Bestseller • BMI • BodyMassIndex • Christine Neubauer • Dicksein • Dünnsein • Ehrgeiz • Gewicht • Kalorien • Karl Lagerfeld • Kohlehydrate • Körpergewicht • Model • Schlankheitswahn • Schönheitsideal • Streuselkuchen • Waschbrettbauch |
ISBN-10 | 3-10-400649-0 / 3104006490 |
ISBN-13 | 978-3-10-400649-9 / 9783104006499 |
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Größe: 816 KB
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