Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Drei Dichter ihres Lebens (eBook)

Casanova. Stendhal. Tolstoi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
338 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400187-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Drei Dichter ihres Lebens -  Stefan Zweig
Systemvoraussetzungen
3,99 inkl. MwSt
(CHF 3,90)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Mit einem Nachwort von Knut Beck. Mit den Autorenporträts aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Ihr Werk ist Selbstdarstellung, ihre eigene Existenz ihnen wichtiger als jede andere Wirklichkeit: Casanova bleibt dabei unbefangen und naiv auf der Oberfläche sinnlichen Erlebens, Stendhal durchsucht sein Seelenleben nach Handlungsmotiven, Tolstoi befragt sich darüber hinaus nach der Gesinnung, die ihn in seinem Tun bestimmt. Da ihre Perspektive allerdings auf das Innen beschränkt bleibt und Objektivität nicht erlangen kann, bleiben sie bei aller Beobachtung doch »Dichter ihres Lebens«. Dies ist der letzte der drei vollendeten Teile des Zyklus ?Die Baumeister der Welt. Versuch einer Typologie des Geistes?. Die beiden anderen Teile sind ?Drei Meister. Balzac, Dickens, Dostojewski? und ?Der Kampf mit dem Dämon. Hölderlin, Kleist, Nietzsche?.

Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, bevor er 1938 nach England, später in die USA und schließlich 1941 nach Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ?Die Welt von Gestern? und die ?Schachnovelle?. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau »aus freiem Willen und mit klaren Sinnen« aus dem Leben.

Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, bevor er 1938 nach England, später in die USA und schließlich 1941 nach Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ›Die Welt von Gestern‹ und die ›Schachnovelle‹. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau »aus freiem Willen und mit klaren Sinnen« aus dem Leben.

Einleitung


»The proper study of mankind is man.«

[Das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch.]

Pope

Innerhalb der darstellenden Reihe ›Die Baumeister der Welt‹, mit der ich versuche, den schöpferischen Geistwillen in seinen entscheidenden Typen und diese Typen wiederum durch Gestalten zu veranschaulichen, bedeutet dieser dritte Band gleichzeitig Gegenspiel und Ergänzung der vorangegangenen. ›Der Kampf mit dem Dämon‹ zeigte Hölderlin, Kleist und Nietzsche als dreifach abgewandelte Wesensform der von dämonischer Macht getriebenen tragödischen Natur, die ebenso über sich selbst wie über die reale Welt hinaus dem Unendlichen entgegenwirkt. Die ›Drei Meister‹ veranschaulichten Balzac, Dickens und Dostojewski als Typen der epischen Weltgestalter, die im Kosmos ihres Romans eine zweite Wirklichkeit neben die schon vorhandene setzen. Der Weg der ›Drei Dichter ihres Lebens‹ führt nun nicht wie bei jenen ins Unendliche hinaus und nicht wie bei diesen in die reale Welt, sondern einzig in sich selbst zurück. Nicht den Makrokosmos abzubilden, die Fülle des Daseins, sondern den Mikrokosmos des eigenen Ich zur Welt zu entfalten, empfinden sie unbewußt als entscheidende Aufgabe ihrer Kunst: keine Wirklichkeit ist ihnen wichtiger als jene der eigenen Existenz. Indes also der weltschöpferische Dichter, der extroverte, wie ihn die Psychologie nennt, der weltzugewandte, sein Ich im Objektiven seiner Darstellung bis zur Unauffindbarkeit auflöst (am vollendetsten Shakespeare, der menschlich zum Mythos gewordene), wird der subjektiv Fühlende, der introverte, sich selbst zugewandte, alles Weltliche in seinem Ich enden lassen und vor allem Gestalter seines eigenen Lebens sein. Welche Form er auch wähle, Drama, Epos, Lyrik und Autobiographie, immer wird er unbewußt sein Ich in jedes Werk als Medium und Mitte hineingestalten, mit jeder Darstellung stellt er vor allem sich selber dar. Diesen Typus des selbstbeschäftigten subjektivistischen Künstlers und seine entscheidende Kunstform, die Autobiographie, an drei Gestalten, Casanova, Stendhal, Tolstoi, darzutun, bedeutet den Versuch und das Problem dieser dritten Folge.

Casanova, Stendhal, Tolstoi, diese drei Namen, ich weiß es, sie passen im ersten Zuklang mehr überraschend als überzeugend zusammen, und man wird sich zunächst das Wertniveau nicht erdenken können, auf dem sich ein lockerer, amoralischer Filou und zweifelhafter Künstler wie Casanova mit einem heroischen Ethiker, einem so vollkommenen Gestalter wie Tolstoi begegnet. Tatsächlich meint auch diesmal Beisammensein in einem Buche nicht Nebeneinandersein auf derselben geistigen Ebene; im Gegenteil, diese drei Namen symbolisieren drei Stufen, ein Übereinander also, eine immer erhöhte Wesensform gleicher Gattung, sie repräsentieren, ich wiederhole es, nicht drei gleichwertige Formen, sondern drei aufsteigende Stufen ebenderselben schöpferischen Funktion: der Selbstdarstellung. Casanova repräsentiert selbstverständlich nur die erste, die niederste, die primitive Stufe, nämlich die naive Selbstdarstellung, wo ein Mensch noch Leben mit äußerem sinnlichen und faktischen Erleben gleichsetzt und unbefangen Ablauf und Ereignisse dieses seines Daseins berichtet, ohne sie zu werten, ohne sich selbst zu durchforschen. Mit Stendhal erreicht die Selbstdarstellung schon eine höhere Stufe, die psychologische. Ihr genügt nicht mehr der bloße Bericht, das simple curriculum vitae, sondern das Ich ist auf sich selber neugierig geworden, es beobachtet den Mechanismus seines eigenen Antriebes, es sucht die Motive seiner Handlungen und Unterlassungen, die Dramatik im Seelenraum. Damit beginnt eine neue Perspektive, das Zweiaugensehen des Ich, als Subjekt und Objekt, die Doppelbiographie des Innen und Außen. Der Beobachtende beobachtet sich selber, der Fühlende untersucht sein Gefühl, – nicht nur das weltliche, sondern auch das psychische Leben ist bildnerisch in den Blickraum getreten. Im Typus Tolstoi erreicht diese seelische Selbstschau dann ihre höchste Stufe dadurch, daß sie gleichzeitig auch ethisch-religiöse Selbstdarstellung wird. Der exakte Beobachter schildert sein Leben, der präzise Psychologe die ausgelösten Reflexe des Gefühls: darüber hinaus aber betrachtet ein neues Element der Selbstschau, nämlich das unerbittliche Auge des Gewissens, jedes Wort auf seine Wahrheit, jede Gesinnung auf ihre Reinheit, jedes Gefühl auf seine fortwirkende Gewalt: die Selbstdarstellung ist über die neugierige Selbstdurchforschung hinaus moralische Selbstprüfung, ein Selbstgericht geworden. Indem er sich darstellt, fragt der Künstler nicht bloß mehr nach Art und Form, sondern auch nach Sinn und Wert seiner irdischen Manifestation.

Dieser Typus des selbstdarstellenden Künstlers weiß jede Kunstform mit seinem Ich zu erfüllen, aber nur in einer erfüllt er sich ganz: in der Autobiographie, im umfassenden Epos des eigenen Ich. Jeder unter ihnen strebt ihr unbewußt zu, wenige vermögen sie zu erreichen, erweist sich doch von allen Kunstformen die Selbstbiographie als die seltenst gelungene, weil verantwortungsvollste aller Kunstgattungen. Selten wird sie versucht (kaum ein Dutzend geistwesentlicher Werke zählt die unermeßliche Weltliteratur), selten auch versucht sich an ihr psychologische Betrachtung, denn sie müßte unverweigerlich aus der geradgängigen literarischen Zone bis ins tiefste Labyrinth der Seelenwissenschaft hinabsteigen. Auch hier maßt sich selbstverständlich Verwegenheit nicht an, im Engpaß einer Vorrede die Möglichkeiten und Grenzen irdischer Selbstdarstellung bloß annähernd abzutasten: nur das Thematische des Problems sei zum Einklang mit einigen Andeutungen präludiert.

 

Unbefangen betrachtet, müßte Selbstdarstellung als die spontanste und leichteste Aufgabe eines jeden Künstlers erscheinen. Denn wessen Leben kennt der Gestalter besser als sein eigenes? Jedwedes Geschehnis dieser Existenz ist ihm gewärtig, das Geheimste bewußt, das Verborgenste von innen offenbar – so brauchte er, um »die« Wahrheit seines Daseins und Gewesenseins zu berichten, keine andere Anstrengung, als das Gedächtnis aufzublättern und die Lebensfakten abzuschreiben – ein Akt also, kaum mühevoller, als im Theater den Vorhang über schon gestaltetem Schauspiel aufzuziehen, die abschließende vierte Wand zwischen sich und der Welt zu entfernen. Und noch mehr! Sowenig Photographie malerisches Talent erfordert, weil ein phantasieloses, bloß mechanisches Einfangen einer schon geordneten Wirklichkeit, scheint die Kunst der Selbstdarstellung eigentlich gar keinen Künstler zu bedingen, nur einen rechtschaffenen Registrator; prinzipiell vermag ja auch jeder Beliebige sein eigener Selbstbiograph zu werden und seine Fährnisse und Schicksale literarisch zu gestalten.

Aber die Geschichte belehrt uns, daß niemals einem gewöhnlichen Selbstdarsteller mehr gelungen ist, als bloße Zeugnisleistung über Tatsachen, die ihm der pure Zufall verstattete, mitzuerleben; das innere Seelenbild aus sich selbst zu erschaffen, fordert dagegen immer den geübten, schauensmächtigen Künstler, und selbst unter ihnen wurden nur wenige diesem äußersten und verantwortungsvollsten Versuche vollendet gerecht. Denn kein Weg erweist sich als dermaßen ungangbar im Zwitterlicht zweifelhafter Irrlichtserinnerungen wie der Niederstieg eines Menschen von seiner offenbaren Oberfläche ins Schattenreich seiner Tiefen, aus seiner atmenden Gegenwart in seine überwachsene Vergangenheit. Wieviel Verwegenheit muß er aufbringen, um vorbei an seinen eigenen Abgründen, auf dem engen, glitschigen Gang zwischen Selbsttäuschung und willkürlichen Vergeßlichkeiten hinabzutasten in jene letzte Einsamkeit mit sich selbst, wo, wie bei Faustens Gang zu den Müttern, die Bilder des eigenen Lebens nur noch als Symbole ihres einstmaligen wirklichen Daseins »reglos ohne Leben« schweben! Welch heroischer Geduld und Selbstsicherheit wird er bedürfen, ehe er das erhabene Wort berechtigt auszusprechen vermag »Vidi cor meum«, »Ich habe mein eigenes Herz erkannt!« Und wie mühsam die Rückkehr vom Innersten dieses Innern dann wieder empor in die widerstrebende Welt der Gestaltung, von der Selbstschau zur Selbstdarstellung! An nichts vermag man die unermeßliche Schwierigkeit solchen Unterfangens deutlicher zu erweisen als an der Seltenheit ihres Gelingens: die zehn Finger der Hand zählen die Menschen schon nach, denen seelenplastisches Eigenbildnis in geschriebenem Worte gelungen, und selbst innerhalb dieser relativen Vollendungen, wieviel Lücken und Sprünge, wieviel künstliche Ergänzungen und Verkleisterungen! Gerade das Naheliegendste erweist sich in der Kunst immer als das Schwierigste, das scheinbar Leichte als die gewaltigste Aufgabe: keinen Menschen seiner Zeit und aller Zeiten hat der Künstler mehr Not, wahrhaftig zu gestalten, als sein eigenes Ich.

Was aber drängt dennoch von Geschlecht zu Geschlecht immer wieder neue Versucher zu dieser vollendet kaum lösbaren Aufgabe? Ein elementarer Antrieb zweifellos und tatsächlich dem Menschen zwanghaft zugeteilt: das eingeborene Verlangen nach Selbstverewigung. In Fließendes gestellt, von Vergängnis umschattet, zu Wandlung und Verwandlung bestimmt, fortgerissen von der unaufhaltsam strömenden Zeit, ein Molekül innerhalb von Milliarden, sucht jeder unwillkürlich (dank der Intuition der Unsterblichkeit) sein Einmal und Niemehrwieder in irgendeiner dauernden, ihn überdauernden Spur zu erhalten. Zeugen und Sichbezeugen, das meint im tiefsten Grunde eine und die gleiche urtümliche Funktion, ein und dasselbe identische Bestreben, wenigstens eine flüchtige Kerbe im beharrlich weiterwachsenden Stamme der...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2009
Reihe/Serie Gesammelte Werke in Einzelbänden
Gesammelte Werke in Einzelbänden
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anspruchsvolle Literatur • Aufsatz • Autofiktion • Biographie • Essay • Giacomo Casanova • Grenoble • Henri Beyle • Italien • Künstler • Leo Tolstoi • Paris • Reflexion • Sachbuch • Schriftsteller • Selbstbeobachtung • Selbstdarstellung • Sinnlichkeit • Venedig • Wien
ISBN-10 3-10-400187-1 / 3104001871
ISBN-13 978-3-10-400187-6 / 9783104001876
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Mein Leben in der Politik

von Wolfgang Schäuble

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
CHF 29,30
Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise

von J. D. Vance

eBook Download (2024)
Yes-Verlag
CHF 13,65
Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise

von J. D. Vance

eBook Download (2024)
Yes-Verlag
CHF 13,65