Die Stadt ohne Wind (eBook)
500 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77096-1 (ISBN)
Auf Arka lastet noch immer ein tödlicher Fluch. In ihrer fernen Heimat Arkadien will sie mehr über die dunkle Magie erfahren, die ihr Leben bisher bestimmt und ihr alle geliebten Menschen genommen hat. Doch ist sie dort, im Wald der Amazonen, noch immer willkommen? Lastyanax fühlt sich von seiner Schülerin im Stich gelassen. Dabei braucht er sie jetzt dringender als je zuvor: denn in der Stadt ohne Wind tobt ein erbitterter Kampf um die Macht. Der Plan des finsteren Meisters der Lemuren scheint aufzugehen und für ihn ist der Sieg zum Greifen nahe. Und Lastyanax weiß, dass er nur mit Arka an seiner Seite eine Chance hat, Hyperborea zu befreien. Derweil richtet sich der Blick des Meisters der Lemuren schon auf sein nächstes Ziel: Arkadien ...
Vom dichten Wald Arkadiens zu den mächtigen Türmen Hyperboreas - um ihr Zuhause zu schützen, müssen Arka und Lastyanax neue Verbündete gewinnen und sich alten Feinden stellen. Das packende Finale der Fantasy-Saga.
<p>Éléonore Devillepoix, geboren 1991, verbrachte ihre Kindheit in der Normandie. Sie studierte Politik und Philosophie in München, Paris und London. Tagsüber arbeitet sie beim Europäischen Parlament in Brüssel, am Wochenende spielt sie Quidditch (und ist sogar Kapitänin der belgischen Nationalmannschaft) und schreibt nachts an ihren Romanen. <em>Die Stadt ohne Wind</em> ist ihr Debüt.</p>
Alkander
Ganz oben im Extraktor trommelten Stiefelschritte auf einem Mosaikfußboden den Rhythmus zu den Böen, die an den Fensterscheiben rüttelten. Alkander tigerte nervös durch die Wohnung des Gefängnisdirektors, der inzwischen weiter unten in einer der Zellen einquartiert war. Das Gespräch, das ihn erwartete, würde enorme Auswirkungen auf seine Zukunft haben. Er hielt einen Moment am Fenster inne, um die Landschaft draußen zu betrachten – reifbedeckte Türme, erleuchtet von der Abendsonne –, und setzte dann seinen Marsch fort. Er hätte sich ruhiger gefühlt, wenn er nicht so viele Fehler begangen hätte.
Der erste Fehler war gewesen, den Brand zu verursachen, der zur Beschädigung der Kuppel geführt hatte. Inzwischen war die Temperatur so tief gesunken, dass die Arbeiter die Bresche nicht weiter schließen konnten. Der Frost machte die Maurerarbeiten unmöglich. So hatten sie, nachdem sie sich eine Dekade lang abgemüht hatten, schließlich das Handtuch geworfen und die Baustelle verlassen. Ihr unvollendetes Werk zog sich über den Adamant wie eine dunkle, zackige, von Gerüsten geklammerte Narbe. Der noch unabgedichtete Teil der Bresche ließ in der Kuppel eine Öffnung in Form eines langgestreckten Dreiecks, durch das der Wind hereinpfiff. Die Klans hatten sich das herrschende Chaos zunutze gemacht, um die Zollposten zu besetzen. Jetzt kontrollierten sie die Zu- und Ausgänge der Stadt und ihre Versorgung. Grundnahrungsmittel wurden zu astronomischen Preisen angeboten. Hyperborea stand kurz vor einer Hungersnot.
Sein zweiter Fehler war gewesen, Arka entwischen zu lassen. Er hatte nicht erwartet, dass sie nach dem Einsturz des Turms aus Hyperborea fortgehen würde. Erst nach ein paar Tagen hatte er ihre Abreise bemerkt. Die immer größere Distanz, die sie jeden Moment zwischen ihn und sich brachte, wurde langsam besorgniserregend. Silenos konnte er nicht zur Verfolgung losschicken, da der Lemur zu seinen Lebzeiten das Riphäengebirge nie betreten hatte und außerdem noch immer nicht ganz genesen war. Um seine Regeneration zu beschleunigen, hatte Alkander ihn in dieser Wohnung, die er bezogen hatte, in eine mantimniotische Wanne gelegt. Reglos, bis aufs Gesicht in der zähen Flüssigkeit versunken, folgte seine Kreatur ihm mit den Blicken. Ihre lebenswichtigen Organe würden noch einige Tage brauchen, ehe sie ganz wiederhergestellt wären. Alkander hatte keine Wahl mehr, er musste jemand anderen schicken, um Arka zurückzuholen.
Von seinem dritten Fehler hatte er gerade erst erfahren.
»Welcher Monat?«, fragte er, ohne in seinem Lauf innezuhalten.
Aus einem düsteren Winkel des Raums erreichte ihn eine dumpfe, metallische Stimme:
»Der zweite.«
»Das lässt mir noch etwas Zeit, um eine Lösung zu finden. Ich brauche Barkida.«
»Ihre Hilfe ist vernachlässigbar im Vergleich zur Gefahr, die dieses Kind darstellen würde, sollte es zur Welt kommen, Meister.«
Alkander wandte sich der Ecke zu, aus der die Stimme kam. Eine menschliche Gestalt mit Gliedmaßen aus Metall hob sich gegen die Dunkelheit ab. Sie hielt einen abmontierten Arm in der anderen Hand und trug eine eiserne Maske mit ausdruckslosen Zügen, deren schwarze Sehschlitze ihm einen unergründlichen Blick zuwarfen. Seit er sie ihr gegeben hatte, trennte Penthesilea sich nicht mehr von der Maske. Der Nachteil daran war, dass Alkander nicht in ihrem Gesicht lesen konnte. Ganz abgesehen von dem konkreten Problem, das Barkidas Schwangerschaft aufwarf, fragte er sich, ob sie sich nicht durch dieses Kind, das geboren werden sollte, bedroht fühlte.
»Ich werde darüber nachdenken«, antwortete er nur. »Es ist dunkel genug, gehen wir.«
Penthesilea setzte den mechamagischen Arm in ihre Schulter ein, ließ die Fingergelenke spielen und folgte ihm auf die Treppe, die zum Dach führte. Kaum hatten sie die Luke zur Terrasse passiert, schlug ihnen die nach Sonnenuntergang noch beißendere Kälte entgegen. Alkander setzte seine Kapuze auf und ging zur Mitte des Dachs, das als hängender Garten angelegt war. Die gefrorenen Fontänen der Brunnen hatten seltsam bucklige Formen angenommen. Die Pflanzen glichen filigranen Eisskulpturen. Alkander blieb im Zentrum einer großen Mosaikrosette stehen und hob den Blick. Die Kuppel wölbte sich über seinem Kopf, eine kaum sichtbare Grenze zwischen dem Himmelszelt und ihm. Er steckte drei Finger in den Mund und stieß einen langen Pfiff aus.
Ein paar Minuten später glitt ein Schatten über das blasse Funkeln der ersten Sterne. Im nächsten Moment landete vor ihm ein gigantischer Raubvogel. Die von seinen pechschwarzen Flügeln aufgewirbelten eisigen Böen rissen Alkander die Kapuze herunter. Er näherte sich dem Vogel Rokh und berührte seinen Schnabel mit der Spitze seines Fausthandschuhs.
»Tut mir leid, dass ich dich vor der Stadt lassen muss, Melanephelos, aber du fällst tagsüber zu sehr auf«, sagte er.
Das Tier rieb zärtlich seinen Kopf an dem des Mannes, ehe es sich hinhockte, damit Penthesilea auf seinen Rücken klettern konnte, an dem mit Gurten ein zweisitziger Sattel befestigt war. Als Alkander ebenfalls aufgestiegen war, gab das Mädchen einen kurzen Befehl, und der Raubvogel schwang sich in die Luft.
Alkander ließ sich von ihm über Hyperborea tragen. Der Wind heulte zwischen den Türmen. Er sah die Stadt nun lieber bei Nacht, wenn die Verwüstungen, die seine Fehler angerichtet hatten, weniger ins Auge fielen. Die Farben – das Grün der Kletterpflanzen, das Blau der Wasserstraßen, die bunten Wände – waren verschwunden wie schillernder Sand, den der Wind fortgeblasen hatte. Es blieb nur eine Dekoration aus Stalaktiten und gefrorenen Kanälen, überzogen von gräulichem Schnee, der matschig wurde, wenn die Hyperboreer, unten in der ersten Ebene, darüberliefen. Alkander mochte sich noch so oft sagen, dass diese Situation nur vorübergehend war, er kam nicht umhin, beim Anblick dieser Stadt, die er schon so gut wie erobert hatte, von Schuldgefühlen geplagt zu werden.
Seine Haut brannte vom eisigen, peitschenden Wind, seine Füße baumelten im Rhythmus der kraftvollen Flügelschläge über dem Abgrund. Das war nichts Neues für ihn. Er kannte es, seit sein Vater ihm achtundzwanzig Jahre zuvor das Fliegen beigebracht hatte. Sein Vater, den er heute Abend wiedersehen würde, nach sechs Monaten in Hyperborea.
Der Rokh erreichte die Bresche in der Kuppel und glitt mit seidigem Flügelrauschen über die von den Maurern verlassenen Gerüste. Selbst wenn sie dageblieben wären, hätten sie den flüchtigen Schatten des vorbeiziehenden Raubvogels gewiss nicht bemerkt.
Außerhalb der Kuppel war es noch kälter. Alkander duckte sich hinter Penthesilea, um sich vor dem tückischen Wind zu schützen. Während sie Kurs auf das Riphäengebirge nahmen, dachte er an die Versammlung, die ihn erwartete. Nach sechs Monaten der Trennung sah er dem Moment, da er seinem Vater das Ergebnis seiner Unternehmung präsentieren würde, mit Besorgnis entgegen. Sein Plan, den dieser so oft als undurchführbar bezeichnet hatte, trat endlich in die letzte Phase ein. Er würde Hyperborea ohne Belagerung und Kampf einnehmen. Eine Leistung, gegenüber der die Eroberung Napocas wie ein sinnloses und chaotisches Gemetzel erschien.
Der Rokh erreichte die Vorläufer des vom letzten Abendrot bekränzten Riphäengebirges. Penthesilea lenkte ihn zu dem hellen Dreieck, das ein verschneites Plateau an der Flanke eines felsigen Gipfels bildete. Während sie zur Landung ansetzten, erkannte Alkander in der Dämmerung die länglichen Schemen von knapp dreihundert im Pulverschnee kauernden Rokhs sowie vier große Eishütten, die sich um eine fünfte in ihrer Mitte scharten. Die Größe der Abordnung irritierte ihn. In seinen Briefen hatte er seinem Vater geraten, mit sehr viel bescheidenerer Truppenstärke anzureisen. Und dessen Art war es nicht, so übertrieben vorzusorgen.
Melanephelos landete vor der zentralen Hütte, Alkander sprang aus dem Sattel und versank sofort bis zur Hüfte in den weichen Flocken, die das Plateau bedeckten. Tränen brannten in seinen vom Ritt durch die Lüfte gereizten...
Erscheint lt. Verlag | 16.5.2022 |
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Reihe/Serie | Die Stadt ohne Wind | Die Stadt ohne Wind |
Übersetzer | Amelie Thoma |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | La ville sans vent. La fille de la forêt |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Amazonen • Christelle Dabos • Crossover • Die Spiegelreisende • Fantasy für Jugendliche • Fantasyserie • La ville sans vent • La ville sans vent. La fille de la forêt deutsch • Magie • neues Buch • Talent Cultura 2020 • YA • Young Adult • Zauberschule |
ISBN-10 | 3-458-77096-8 / 3458770968 |
ISBN-13 | 978-3-458-77096-1 / 9783458770961 |
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