Happy End gibt's nur im Film (eBook)
320 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43982-4 (ISBN)
Holly Bourne arbeitete als Journalistin, bevor sie das Schreiben zu ihrem Beruf machte. Als ehemalige Beziehungsfragen-Expertin kennt sie sich mit Liebe, Sorgen und Sehnsüchten bestens aus.
Holly Bourne arbeitete als Journalistin, bevor sie das Schreiben zu ihrem Beruf machte. Als ehemalige Beziehungsfragen-Expertin kennt sie sich mit Liebe, Sorgen und Sehnsüchten bestens aus.
3
Mit der Schufterei war es nicht vorbei, als die Menschen aus den Sälen strömten, sich die Augen tupften und sagten, dies sei bislang ihr Lieblings-Dick.
Es war fast Mitternacht, als Ma mir den Mülleimer reichte und mich hineinschickte, um die Säle zu säubern.
Sofort fühlte ich mich schuldig für jedes Mal, das ich Popcorn auf den Kinoboden gebröselt hatte. Es war der reinste Schweinestall – als hätten Wildsäue auf Ecstasy gerade eine Houseparty gefeiert. Ich sah auf mein Handy.
Zwei verpasste Anrufe und drei Nachrichten.
Mum: Wann kommst du wieder?
Mum: Hast du meine Nachricht gelesen?
Mum: Ich fasse es nicht, dass er uns das antut.
Ich schob es zurück in meine Jeanstasche und ging auf die Knie, um Popcorn unter den Sitzen hervorzuklauben.
Harry kam durch die Doppeltür geprescht, beladen mit einem riesigen röhrenden Sauger. »Falsche Taktik, Audrey!«, brüllte er. »Hier kommt der, den du brauchst!«
Ich stand auf und bürstete mir an die acht Kilo Puffmais von der Brust. »Es gibt einen Staubsauger?«
»Wir nennen ihn den Wunderwutzi. Du sammelst das leere Zeug ein, ich mach den Teppich.«
»Danke.«
Ich begann unter diskretem Gähnen, verirrte Weingläser aus sämtlichen Kinosaalritzen zu ziehen. Seit Stunden war ich jetzt auf den Beinen und meinem Bett immer noch nicht näher gekommen. Harry hingegen schwirrte vor Energie, als sei seine Aura aus Knallzucker gemacht. Er summte beim Einsaugen der Trümmer und lächelte über alles hinweg. Als er den Sauger ausstellte, senkte sich Stille über uns. Ich grinste dümmlich und störte mich wahnsinnig daran, dass er die Art von Kerl war, bei der man sich schlagartig dümmlich verhält.
Er fuhr das Kabel ein, während ich all die Schächtelchen einsammelte, die vorher Siebzig-Prozent-Kakao-Schokolinsen enthalten hatten.
»Das ist das bildungsbürgerlichste Kino der Welt«, hörte ich mich sagen.
Harry brach in Gelächter aus. »Und das stört dich?«
Ich stopfte eine weitere Schachtel in den Müllsack. »Ich finde einfach, dieser Laden treibt es ein bisschen auf die Spitze. Ich fühl mich wie in einer Satire.«
Er kauerte sich auf eine lila Sesselarmlehne, mit verschränkten Armen und zuckenden Mundwinkeln. »Und dieses Bildungsbürgertum ist dir natürlich völlig fremd.«
»Was soll das bitte heißen?«
Er beäugte mich von Kopf bis Fuß. »Also, nichts für ungut, aber du bist jetzt auch keine verfickte Eliza Doolittle.«
Mir gefiel es, wie er so beiläufig fluchte. »Meinetwegen, aber ich bin auch keine Bildungsbür–«
»Ach komm«, fiel er mir ins Wort und ließ seinen Blick an mir hinuntergleiten. »Du bist so bildungsbürgerlich, dass ich mich frage, ob du deine Verachtung für diesen Job nicht bei Manufactum bestellt hast!«
Ich sah ihn sehr scharf an – betrachtete sein sorgsam hingeknetetes Haarchaos, seine zerfetzte Jeans, von der jeder weiß, dass sie so aus dem Laden kommt.
»Ja, du hast gut reden«, entgegnete ich. »Wetten, deine Haarpaste ist bio!«
»Du bist so dermaßen bildungsbürgerlich, dass du hundertpro als Kind das Sylvanian-Family’s-Baumhaus hattest!«
Mir klappte der Mund auf. »Woher weißt du das?«
Und wir lachten uns beide tot, was irgendwie cool war, wenn man bedenkt, dass wir uns gerade erst kennengelernt hatten. Ich brach neben Harry auf einem Sessel zusammen und dachte, hier zu arbeiten ginge schon in Ordnung, solange er es auch tat. Meinetwegen, er hatte das Wort Aufreißer in die Grübchen geritzt, aber lustig war er, und was Jungs wie ihn anging, hatte ich meine Lektion gelernt.
»Jetzt weiß ich, woher ich dich kenne.« Er drehte sich zu mir um. »Du bist die Schwester von Dougie!«
»Woher kennst du Dougie?«
»Deine Mutter kennt meine. Dougie und ich sind anscheinend zusammen zur Babymassage gegangen oder so.«
Ich kicherte. »Das ist jetzt aber so was von bildungsbürgerlich.«
Harry stand auf und ergriff meinen Müllsack. »Schuldig, Euer Ehren. Aber ich arbeite viel lieber hier als im Cineplexx – die Bezahlung ist besser, die Kunden sind netter …«
Ich wollte schon zum Protest anheben.
»Netter, hab ich gesagt, nicht nett. Und Ma regt sich auch irgendwann ab, wenn sie weiß, dass du nicht völlig inkompetent bist. Wie läuft’s für Dougie an der Uni? Er ist in Sussex, oder?«
»Ja, gefällt ihm gut, glaub ich. Wir hören nicht so viel von ihm.«
Tatsächlich war er noch nicht ein einziges Mal heimgekommen und hatte mich mit Mum und ihrem neuesten Drama völlig alleingelassen. Ich wollte Harry gerade fragen, wieso er nicht an der Uni war, als Ma durch die Doppeltür preschte, mich beim Entspannen ertappte und völlig in die Luft ging.
Es war gut nach Mitternacht, als Ma uns endlich aus ihren Klauen entließ.
»Du solltest auch los, es ist spät«, sagte Harry, doch sie wedelte ihn unter schwerem Märtyrerinnengeseufze hinaus.
Harry und ich traten gemeinsam auf die vereiste, verwaiste Straße. Unser Atem kristallisierte sofort zu einer gemeinsamen Wolke und schwebte davon. Die Stadt war totenstill. Das Kino lag an einer sonst heillos verstopften Kreuzung, doch jetzt warteten nur unsichtbare Autos darauf, dass die Ampeln von Rot auf Gelb zu Grün sprangen.
»Also, wie war die erste Schicht?«
Ich hörte das unverwechselbare Klick-Fauch eines Feuerzeugs. Harry nahm einen Zug von seiner Zigarette, zog sie sich aus dem Mund und atmete zur Seite aus, damit ich den Rauch nicht abbekam.
»Lief gut. Ich brauch den Job.«
»Sparst du für eine Reise oder so?« Er saugte noch einmal dran.
»So ungefähr.«
Das Röhren eines Motors durchbrach die Stille. Um die Ecke kam ein verbeulter Peugeot geschlittert und bremste ruckartig vor uns ab. Grinsend öffnete Harry die Wagentür und enthüllte den völlig überfüllten Innenraum – wie im Zirkus, wenn sich sämtliche Clowns in einen Mini quetschen. Durch die offene Tür schlug mir unanständig laute Rockmusik entgegen.
»ER IST EIN FREIER MANN!«, brüllte der Fahrer und das restliche Auto jubelte – ausschließlich Jungs, bis auf ein einziges Mädchen. Die Art von Mädchen, deren angeborene Coolness ich schon durch die dreckigen Scheiben erkannte. Da stand ich, peinlich berührt, während sie Harry aus ihrem Kunstpelzmantel heraus anlächelte. Flüchtig fragte ich mich, ob sie wohl seine Freundin war.
Harry ließ die immer noch brennende Zigarette fallen und boxte in die Luft. »ZWÖLF GANZE STUNDEN LANG BIN ICH EIN FREIER MANN!«
»JETZT GEBEN WIR UNS DIE KANTE!«, brüllte der Fahrer.
Harry machte sich an den Einstieg und ich fragte mich, wie er seinen langen Leib dort noch hineinstopfen wollte. Doch da hielt er im Versuch inne und drehte sich um.
»Fährt dich wer nach Hause?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich gehe zu Fuß. Alles okay.«
»Sollen wir dich fahren? Wo wohnst du denn?«
Wieder schüttelte ich den Kopf. »Ich gehe wirklich gerne.«
»Harry, mach hin«, rief das Mädchen aus den Tiefen des Autos.
Harry zögerte. »Bist du dir sicher? Es ist spät und dunkel.«
Ich hob beide Augenbrauen. »Wir sprechen hier von Bridgely-upon-Thames.«
Außerdem, wenn ich zu Fuß gehe, bin ich später zu Hause …
»Auch wieder wahr. Man sieht sich.«
»Man sieht sich«, sagte ich, doch das Auto war schon zu, mit Harrys zusammengefaltetem Körper darin. Es sauste um die Ecke davon, über die rote Ampel.
Und wieder senkte sich Stille über die Stadt.
Die Lichter brannten noch, als ich heimkam, obwohl es so spät war. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass sie noch wach sein würde, versuchte aber, mich unbemerkt hineinzuschleichen. Langsam schloss ich die Haustür auf, damit sie nicht quietschte. Unser Haus war viktorianisch – hohe Decken, Erkerfenster und lauter geräuschvolle Extras. Reinschleichen war praktisch unmöglich.
Ich zog die Schuhe auf der Fußmatte aus und ging auf Zehenspitzen in den Flur.
Ich hörte Stimmen, Gläserklirren.
Besuch von Sandra, wie’s schien.
Ich drehte die Augen zur Decke, wollte Bett, sehnte mich nach Bett. Ich brauchte ein Glas Wasser, doch das Klirren kam aus der Küche. Ich würde einfach aus dem Badezimmerhahn trinken.
Ich schlich mich nach oben, putzte mir die Zähne, rubbelte die Schminke von meinem Gesicht und ging auf Zehenspitzen zum Bett. Dort pfefferte ich meine neue Uniform auf den Boden und zog mir eines von Milos alten T-Shirts über. Er hatte es zurückhaben wollen, doch ich behauptete beharrlich, es verloren zu haben. Und ohne etwas zu lesen oder sonst irgendwas, knipste ich mein Licht aus und sank rücklings in mein Bett.
Ich hörte ihre Stimmen durch die dünnen Bodendielen. Das Kreischen ihres Gelächters, das Knallen und Klirren einer weiteren frisch geöffneten Proseccoflasche. Es war Donnerstag, sie musste morgen zur Arbeit. Wie blöd von mir, mir einzureden, es werde besser mit ihr. Als meine Lider nach unten flatterten, dachte ich wieder an diesen Satz aus dem Film.
Jede meiner Empfindungen, jeder Winkel meines Herzens – das alles gehört nur dir. So war es schon immer …
Ich schüttelte den Kopf in meinem Kissen und fand irgendwie in den Schlaf.
Ein stumpfer Aufschlag. Mein Körper schwankte auf der...
Erscheint lt. Verlag | 22.12.2021 |
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Übersetzer | Nina Frey |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre | |
Schlagworte | Belletristik für Jugendliche • Empowerment • England • Film • für Mädchen ab 14 Jahre • Girl Power • Jugendbuch ab 14 Jahren • Jugendroman ab 14 • Jugendroman Liebe • Kino • Liebe • Liebesfilme • Liebesgeschichte Jugendbücher • Liebesgeschichten für Jugendliche • Liebesromane für Jugendliche • Liebesroman Jugendliche ab 14 • The Kissing Booth • Trennung • witziger Roman für Mädchen ab 14 |
ISBN-10 | 3-423-43982-3 / 3423439823 |
ISBN-13 | 978-3-423-43982-4 / 9783423439824 |
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Größe: 903 KB
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