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Und du kommst auch drin vor (eBook)

Roman

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eBook Download: EPUB
2017 | 2. Auflage
208 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43282-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Und du kommst auch drin vor -  Alina Bronsky
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Schräg, witzig, hintergründig - und endlich auch im Taschenbuch! Seit der ersten Klasse sind Kim und Petrowna beste Freundinnen. Petrowna fällt immer und überall auf, während Kim sich zurückhält. Doch das ändert sich schlagartig, als ihre Klasse zu einer Lesung geht. Fast niemand hört der Autorin zu, außer Kim - denn die Frau liest ihre Geschichte vor! Die Namen und ein paar Details stimmen nicht, aber der ganze Rest. Und ihre Geschichte geht nicht gut aus - zumindest nicht für Jasper, für den ein Wespenstich tödlich endet. Um das zu verhindern, stellt Kim ihr Leben völlig auf den Kopf ...

Alina Bronsky wurde 1978 in Jekaterinburg, Russland, geboren und lebt seit ihrer Kindheit in Deutschland. Ihr Debütroman >Scherbenpark<, der unter anderem für den Jugendliteraturpreis nominiert war, wurde auf Anhieb zu einem Bestseller und für das Kino verfilmt. Es folgten weitere hoch erfolgreiche Bücher wie der Roman >Baba Dunjas letzte Liebe<, der lange auf der SPIEGEL-Bestsellerliste stand und für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Alina Bronsky lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Alina Bronsky wurde 1978 in Jekaterinburg, Russland, geboren und lebt seit ihrer Kindheit in Deutschland. Ihr Debütroman ›Scherbenpark‹, der unter anderem für den Jugendliteraturpreis nominiert war, wurde auf Anhieb zu einem Bestseller und für das Kino verfilmt. Es folgten weitere hoch erfolgreiche Bücher wie der Roman ›Baba Dunjas letzte Liebe‹, der lange auf der SPIEGEL-Bestsellerliste stand und für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Alina Bronsky lebt mit ihrer Familie in Berlin.

1


Als Frau Meier sagte, dass wir heute zur Lesung gehen, haben alle gestöhnt. Ich habe große und kleine Ts in mein Hausaufgabenheft gemalt. Ob Lesung oder nicht, das war mir schnuppe. Für Donnerstag stand dort in der Tat reingekritzelt – LÄSUNG. Franz hat den Kopf auf den Tisch gelegt und geschnarcht. Nur Petrowna hat ihre Stimme erhoben.

»Schnauze, ihr Idioten! Wollt ihr lieber Mathe?«

Petrowna schaffte es immer, alle mit einem Satz zu verwirren und dadurch für einen Moment der Stille zu sorgen.

Frau Meier sagte, wir sollten unsere Sachen im Klassenraum lassen. Sie würde auch abschließen, wir bräuchten uns keine Sorgen um die Wertsachen machen. Der eigentliche Grund war, dass sie wollte, dass nach der Lesung die komplette Klasse schön brav mit ihr in die Schule zurückkommt, um die Taschen wieder mitzunehmen. Sonst geht unterwegs immer die Hälfte der Leute verloren. Die Absicht war allen klar und fast alle nahmen ihre Taschen genau deswegen mit. Frau Meier hat so getan, als merke sie das nicht. Sie ist eine kleine Referendarin und hat Angst vor uns.

Ich hoffe, dass sie während unserer Busfahrt unter ihren blonden Strähnchen nicht ergraut ist. Beim Umsteigen hat Petrowna mich um zwei Euro angepumpt und sich am Automaten einen Schokoriegel gezogen. Die Hälfte hat sie dann mir abgegeben. Irgendwann waren wir da und es war eine Bücherei.

»Eine Bücherei!«, haben alle gestöhnt. »Iiih, was sollen wir da? Bücher lesen?«

»Schnauze«, brüllte Petrowna. »Was habt ihr gedacht, wo wir hingehen, in eine Leichenhalle?« Das war nicht wirklich logisch, aber schon wieder waren alle verwirrt und die kleine Frau Meier sah Petrowna dankbar an.

Petrowna ist meine beste Freundin seit der Grundschule. Wir sitzen seit dem ersten Schultag nebeneinander. In der allerersten Pause unseres Lebens haben wir uns geprügelt. Wegen Kindern wie Petrowna wollte meine Mutter mich lieber auf eine Privatschule schicken, aber mein Vater hat gemeint, es ist nie zu früh, das normale Leben kennenzulernen. Am zweiten Schultag kam ich mit einem Veilchen nach Hause, um den Finger eine Strähne von Petrownas Haar gewickelt, die ich ihr im Kampf ausgerissen hatte. Meine Mutter rief sofort die Klassenlehrerin, die Schulleiterin und die Schulpsychologin an und prophezeite, dass Kinder wie Petrowna mit dreizehn auf dem Straßenstrich landen. Am dritten Schultag haben wir aufgehört, uns zu prügeln, und sind seitdem unzertrennlich. Am vierten hat Petrowna mir erklärt, was meine Mutter damals mit »Straßenstrich« gemeint hatte.

Jetzt sind wir beide vierzehn. Petrowna war zwei Jahre lang Klassensprecherin und lässt mich oft abschreiben. Leider hat sie seit der ersten Klasse Hausverbot bei uns.

In der Bücherei roch es nach halbtoten Omas und Staub. Ich habe sofort angefangen zu niesen. Blöderweise hatte ich mein Nasenspray nicht dabei. »Ich hoffe, ich sterbe hier nicht«, sagte ich zu Petrowna, und die sagte: »Wäre kein großer Verlust.« So reden wir miteinander, aber sie meint es nicht so.

Frau Meier schüttelte die Hand einer anderen, ebenfalls kleinen und irgendwie mausgrauen Frau mit einer Frisur, die einen violetten Stich hatte. Das war die Bibliothekarin. An der Wand hing ein Plakat, auf dem irgendwas mit Buchwoche stand.

Wir gingen wie eine Schafherde in einen Nebenraum mit Stuhlreihen. Alle verteilten sich auf die Plastikstühle und legten die Füße auf die Stuhlrücken, die vor ihnen standen. Einige warfen mit Sitzkissen und Bilderbüchern. Keiner kriegte mit, dass die Lesung schon losgegangen war und die Bibliothekarin vorn stand und irgendwas redete. Frau Meier guckte Petrowna flehend an.

»Schnauze, alle!«, brüllte Petrowna.

Dann sahen wir, dass da noch jemand war. Die Autorin.

Sie war eine ziemlich lange und schmale Person. Sie saß hinter einem Tischchen, das für ihre langen Beine viel zu mickrig war, und sah unglücklich aus. Ihr speckiges Haar war schwarz gefärbt und hing ihr in die Augen. Vom Gesicht sah man deswegen nicht viel. Neben ihr lag ein Stapel Bücher.

Frau Meier und die Bibliothekarin begannen in die Hände zu klatschen wie bei einem Stuhlkreis im Kindergarten. Wenig später klatschten wir alle. Wir klatschten eine Minute durch, dann zwei, dann fünf. Man konnte mit ganz einfachen Dingen ziemlich viel erreichen. Die Bibliothekarin bekam rote Flecken im Gesicht. Frau Meier fuchtelte mit den Händen wie eine Dirigentin. Wir klatschten ungerührt weiter. Petrowna war abgelenkt, weil sie gerade eine Nachricht auf ihrem Samsung las.

Ich hörte auf, als mir die Handflächen wehtaten. Bei den anderen muss es ähnlich gewesen sein, auch die hörten irgendwann auf und begannen ihre Finger zu massieren.

Die Autorin sagte, sie heiße Leah Eriksson, habe fünf Bücher geschrieben und würde jetzt anfangen zu lesen. Danach dürften wir ihr Fragen stellen. Sie begann dann in der Tat zu lesen. Ihre Stimme war sehr leise und einige von uns riefen »Hören nix!«. Andere tuschelten und zwei Mädchen kämmten sich die Haare. Petrowna sah mit gerunzelter Stirn auf den Baum vorm Fenster.

Nur ich, ich hörte zu.

Und ich konnte es nicht fassen.

Was diese Leah Eriksson da nuschelte, handelte von mir.

Von meiner Familie.

Von meinem Leben.

Von meinen Gedanken.

Es kamen andere Namen drin vor und ein paar unwichtige Details stimmten nicht. Aber der Rest war ich.

 

Und dabei fiel niemandem irgendwas auf. Es hörte ja niemand zu. Ich glaube, selbst Frau Meier hörte nicht zu. Sie war einfach froh, dass alle gerade still waren, und hing ihren eigenen Gedanken nach. Vielleicht zählte sie die Jahre bis zur Rente. Ich schubste Petrowna an, sie verstand es falsch und schubste zurück.

»Hörst du das?«, fragte ich sie, aber sie guckte weiter auf den Baum, als gäbe es nichts Spannenderes auf der Welt.

Es ärgerte mich, dass die anderen immer lauter wurden. Ich konnte kaum noch etwas verstehen. Ich wünschte mir, dass diese Leah aufhörte zu lesen. Und hatte gleichzeitig Angst davor, als könnte ich aufhören zu atmen, wenn sie aufhören würde zu lesen. Meine Hand tastete in der Tasche nach den Münzen, die ich noch übrig hatte. Blöd, dass ich Petrowna vorhin die zwei Euro gegeben hatte. Dann stießen meine Finger auf einen zusammengerollten Zwanziger. Ich hatte keine Ahnung, was Bücher kosteten.

»Habt ihr Fragen?« Leah Eriksson guckte durch ihre Strähnen auf uns.

Meine Hand schoss in die Höhe, aber andere waren schneller.

»Warum machen Sie das?«

»Wie viel verdienen Sie?«

»Was machen Sie heute Abend?«

Leah Eriksson blinzelte.

Ich schnipste mit den Fingern, dann rief ich laut, um die anderen zu übertönen: »KANN ICH MIR DAS BUCH SOFORT KAUFEN

Alle drehten ihre Köpfe in meine Richtung. Selbst Petrowna. Vor allem Petrowna. Obwohl sie auch schon mal in einem unbeobachteten Moment ein Buch gelesen hatte. Sie hatte dann so getan, als wäre nichts gewesen, aber ich, ich hatte es mitgekriegt.

»Was ist?«, sagte ich. »Es klingt voll spannend.«

Franz tat so, als würde er ein unsichtbares Buch halten und mit einem bekloppten Gesichtsausdruck reingucken. Alle wieherten. Am meisten verwirrt war Leah Eriksson.

»Ich verkaufe keine Bücher«, sagte sie.

»Hä? Wer dann?«

»Die Buchhandlungen.«

»Aber Sie haben doch eins daliegen.«

»Das ist mein eigenes Exemplar.« Sie hielt es entschlossen fest, als wollte ich ihr Buch klauen und nicht kaufen. »Das brauche ich selbst.«

»Ich geb Ihnen Geld dafür!«

Sie stand auf, um klarzumachen, dass die Lesung vorbei war und das Gespräch ebenfalls. Das haben alle sofort richtig verstanden. Die eine Hälfte der Klasse fegte die lilahaarige Bibliothekarin aus dem Weg und verstopfte die Eingangstür. Die andere versuchte, das Fenster zu öffnen und hinauszuklettern. Frau Meier lief fuchtelnd und mit verschwitzter Frisur zwischen den beiden Gruppen hin und her.

Ich nutzte den Moment und ging zur Autorin, die ihre Bücher in eine Tasche packte. Sie überragte mich um zwei Köpfe. Ich lugte von unten unter ihren Haarsträhnen hindurch, um einen Blick in ihr Gesicht zu erhaschen.

»Hallo«, sagte ich.

»Hallo.« Sie fuhr vor Schreck zusammen.

»Sie haben schön gelesen«, log ich.

»Danke.« Sie wusste genau, dass ich log.

»Ich würde mir das Buch, wie gesagt, total gern kaufen.«

»Dann tu das.«

»Ich habe zwanzig Euro dabei.«

»Es kostet 14,95

Ich holte triumphierend den Zwanziger aus der Tasche, entrollte ihn und legte ihn vor Leah Eriksson auf den Tisch. »Können Sie rausgeben?«

»Ich hab doch gesagt, ich verkaufe keine Bücher. Ich schreibe sie.«

»Soll ich jetzt in eine Buchhandlung oder was?«

Sie schob den fettigen Haarvorhang beiseite. Ein Paar stahlblaue Augen sahen mich an. »Mir doch egal«, sagte sie.

Ich fand es ein bisschen dreist von ihr. Schließlich schrieb sie doch Bücher, um Geld zu verdienen, da konnte ihr das wohl kaum gleichgültig sein.

»Sie sollten froh sein, wenn jemand Ihren Kram lesen will.«

Das Augenpaar verschwand wieder hinter den Haaren. Sie ließ den Verschluss ihrer Tasche zuschnappen und machte sich auf den Weg zur Tür, wo sich der Pfropf schon wieder aufgelöst hatte. Mein Zwanziger lag auf dem Tisch, unbeachtet wie ein platt gefahrener Kronkorken.

»Hallo, Sie! Autorin! Leah!«

Die blöde Ziege drehte sich nicht einmal um.

 

Im Bus saß ich neben...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Berlin • beste Freundinnen • Coming of Age • Eifersucht • Erste Liebe • Erwachsenwerden • Freundschaft • Identität • Jugendroman • Mädchenbuch • Parallelwelt • Pubertät • Scheidungskind • Schule • Schullektüre • Schullektüre 7. Klasse • Schullektüre 8. Klasse • Schullektüre mit Unterrichtsmaterial • schullesung • Selbstfindung • Teenager • Verlustangst • Verrat • Vom Einfluss der Literatur • Zukunft verhindern
ISBN-10 3-423-43282-9 / 3423432829
ISBN-13 978-3-423-43282-5 / 9783423432825
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