Das Christentum ist unbestritten jene geistige Lehre, die die westliche Welt am stärksten geprägt hat. Daher hat sich auch René Guénon mehrfach mit verschiedenen Aspekten des Christentums beschäftigt, wobei er sich auf den esoterischen und damit den rein geistigen Teil konzentriert hat. Über ihn wird die Verbindung zu den höheren geistigen Wahrheiten sichergestellt, allerdings ist er im Gegensatz zum exoterischen Teil aufgrund seines Wesens nicht für jedermann verständlich. Doch gerade dieser esoterische Teil der Lehre scheint im Christentum nicht mehr zu existieren oder ist genauer gesagt nach dessen Blütezeit im Mittelalter verloren gegangen. Guénon versucht nun, über die damals entstandenen Lehren christlich geprägter Geheimbünde wie die der Fedeli d'Amore, deren bekanntestes Mitglied Dante war, oder die der "Bruderschaft des Rosenkreuzes" sowie Betrachtungen über die Legenden des Heiligen Grals und die Symbolik der Hermetik zum Kern dieser esoterischen Lehre vorzudringen.Im vorliegenden Band "Aspekte der christlichen Esoterik" sind für die deutsche Ausgabe Guénons Gedanken und Untersuchungen zu den esoterischen Wurzeln des Christentums und der mittelalterlichen Gesellschaft des Westens zusammengefasst. So wird deutlich, dass das Christentum in seinen Ursprüngen und im Westen zur Zeit des Mittelalters mehr war als das, was heutzutage noch durch die Kirche gelehrt und vertreten wird. Auch wenn viele der von Guénon untersuchten Symboliken für den zeitgenössischen Leser fremd erscheinen mögen, so lassen sie doch erkennen, dass in der christlichen Lehre mehr vorhanden ist, als die rein exoterischen und oft oberflächlichen oder rein wörtlich verstandenen Auslegungen der neueren Zeit. Gleichzeitig wird auch deutlich, dass das Christentum über diese Symbolik und ihre Übereinstimmungen mit anderen traditionellen Lehren ein Teil der traditionellen Überlieferung ist, die sich bis zurück zur anfänglichen Tradition und der Quelle allen Wissens erstreckt.Nach über 20 Jahren der Vorbereitung macht die 14-bändige deutsche Ausgabe die meisten Veröffentlichungen René Guénons erstmals in deutscher Sprache zugänglich und ermöglicht es, dem interessierten deutschsprachigen Leser tiefer in die traditionelle Denkweise und die Lehre der metaphysischen Prinzipien vorzudringen.
René Guénon (1886 -1951) sah sich als Übermittler und Botschafter einer traditionellen Lehre, die seit Anfang der Menschheitsgeschichte unverändert wirkt. Die in ihr enthaltenen Wahrheiten zeigen sich als metaphysische oder göttliche Prinzipien, die je nach Zeit und Ort in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Sie bilden die Grundlage dessen, was man in den einzelnen Traditionsformen wie dem Hinduismus, Taoismus, Islam oder Christentum heute noch finden kann. Seit 1909 veröffentlichte er eine Vielzahl an Artikeln und Bücher und unterhielt bis zu seinem Tod einen regen Briefverkehr mit seinen Lesern. Seine Werke hatten nie einen großen Leserkreis, führten aber dennoch dazu, dass die traditionelle Sichtweise im modernen Westen wiederentdeckt wurde und sich verbreiten konnte.