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Die Wohnmaschine -  Herbert Weiler

Die Wohnmaschine (eBook)

Essays und Betrachtungen
eBook Download: EPUB
2021 | 2. Auflage
216 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-0998-8 (ISBN)
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Geboren 1956 - ab 1974 Studium der Freien Malerei und Freien Graphik in Köln bei Karl Marx und Pravoslav Sovak, Kunstgeschichte, Bildhauerei - 1978 Begegnung mit der Münchner Rhythmenlehre, ab 1983 Seminare bei Wolfgang Döbereiner - Seminartätigkeit zu Kunstgeschichte und Astrologie - 1984-1990 Dozent an der Kölner FH für Kunst & Design, Schaffung eines Seminars für Zeichnen als Erkennen - Maler, Bildhauer, Autor - astrologische Beratungs- und Seminartätigkeit, Essays und Betrachtungen

Die Wohnmaschine


Das Colonia-Haus befindet sich im Norden Kölns. Ein 147 Meter hoher, weithin sichtbarer Wohnturm am Rheinufer aus den 1970er Jahren.

Etwa 1000 Menschen bewohnen heute den Komplex. Das Konstrukt, gedacht als vertikales Dorf, galt nach seiner Fertigstellung für einige Jahre als das höchste Hochhaus Deutschlands, zugleich als höchstes Wohnhaus Europas. Bauherr war die Kölner Colonia-Versicherung. So kam der Wohnturm zu seinem Namen. Heute gehört er einer anderen Gesellschaft. Längst finden sich andere markante Hochhäuser in der Stadt, obgleich keines seiner exponierten Stellung am Rheinufer gleichkommt. Wie kein anderes erscheint das Colonia-Hochhaus als ein Turm am Ufer des Flusses. Mit dem Slogan "Wohnen am Strom" warben die Immobilienhändler in ihren Prospekten.

- Eine poetische Beschönigung angesichts des Konstrukts, das zwar am Strom errichtet wurde, selber aber einem Termitenbau ähnelt und dessen Stapelhöhe und monotone Wiederholung kastenförmiger Wohneinheiten neben dem Fluss wie dahingestellt anmutet.

- Heidegger sprach vom Gestell.

- Zunal das Wohnen in diesem Turm nur mithilfe des massiven technischen Aufwandes der Stahlbaukonstruktion und der Aufzüge und Versorgungsleitungen gewährleistet werden kann. Ohne diese wäre ein Aufenthalt, geschweige ein Wohnen in dieser Höhe nicht möglich.

- Eine unterschwellig lebensbedrohliche Unvereinbarkeit zwischen Innen und Außen.

- Sie wird in konkreter Weise offensichtlich, wenn man in den oberen Stockwerken auf den Balkon tritt - ohne die Prothese des Konstrukts der Wohnmaschine wäre in dieser Höhe kein Aufenthalt möglich. Ein permanentes Spannungsverhältnis zwischen Wohnung und Außenwelt, nur möglich aufrechtzuerhalten, indem der Mensch Teil des Vorgangs der Wohnmaschine wird.

- Ähnlich wie im Falle des deutschen Antarktis-Forschungslabors Antarktischer Hirnschwund, bei der dieses Spannungsverhältnis der Unvereinbarkeit zwischen Wohnsituation und Außenwelt in einem Temperaturgefälle besteht, das beim Ausfall der technischen Prothese das Leben aufheben würde, ist es beim Hochhaus die Spannung eines Wohnens in einer Höhe, in der beim Wegfall der technischen Konstruktion Verweilen nicht möglich wäre.

- Das Konzept der Wohnmaschine soll von Le Corbusier stammen, sagt man.

- Er nannte es "unites d'habitation" - Wohneinheit oder Einheitswohnung. Das wurde, freilich nicht zu Unrecht, als "Wohnmaschine" interpretiert. Es ging ihm dabei um eine serielle Massenherstellung von Wohnraum. Daher der Vereinheitlichungszwang, der von den Wohnmaschinen ausgeht. Es ist das Modell des Insektenstaats.

- Der Einzelne hat hier kein eigenes Reich, sein Revier hat keine Gestalt und ist dem Wohnkollektiv unterworfen. In der Anonymität der Masse und der seriellen Gleichförmigkeit. Letztlich eine Hotelsituation. Nicht Wenige suchen diese Situation des Vorübergehenden und der Anonymität.

- Hin und wieder trifft man auf Bekannte, die im Hochhaus eine Wohnung bezogen haben. Einen, der als Architekt an verschiedenen, dem Wohnturm ähnlichen Bauprojekten mitgewirkt hatte. Ein anderer, er jobbte als Komparse, hatte unerwartet ein kleines Vermögen geerbt, gerade soviel, dass er auf die Idee kam, dort zwei Appartments zu erwerben, eines um es zu vermieten und das andere, um es selbst zu bewohnen. Seitdem lebt er im Colonia-Haus. Ein weiterer, Angestellter eines Marktforschungsinstituts, hatte vor längerer Zeit eine Dachgeschosswohnung in einem Altbau in der Südstadt erworben. Nach zwölf Jahren war er enge Treppen und Südstadtmilieu leid. Er wollte Veränderung. So zog er in den Wohnturm ein. Das war das Kontrastprogramm. Statt enger Treppen gab es nun geräumige Aufzüge, dafür aber enge Flure. Mittlerweile lebt er in Berlin.

Der Grundstein des Colonia-Hauses wurde am 24.11.1970 gelegt.

Grundsteinlegung Colonia Hochhaus, 24.11.1970, Mittagshoroskop

Das Tageshoroskop zeigt auf der Himmelsmitte Sonne und Neptun in Konjunktion im Zeichen Schütze. Das deutet auf ein Milieu hin, in dem der unmittelbare Lebensausdruck, das Potenzial des Einzelnen, König seines Lebens zu sein, verhindert ist. Merkur in Haus zehn weist dabei auf eine Situation, in der die Bestimmung des Lebens durch die Regelung und die Einzigkeit der Gestalt durch die Vervielfältigung verdrängt werden. Ergänzt wird diese Aussage durch den Sonnenstand auf 2 Grad Schütze, einem Punkt, der nach der Münchner Rhythmenlehre einer Merkur-Pluto-Charakteristik entspricht. Damit die Identitätslosigkeit und Hörigkeit gegenüber den Regelungen und Funktionszwängen des Kollektivs anzeigend. Ein Termitenbau, in dem der Einzelne in Tarnung lebt.

Der Jupiter als Herrscher des Zeichens Schütze in Haus Neun gewährt zwar einem weiten Blick auf die sich fernhin erstreckende Rheinlandschaft, im Zeichen Skorpion verweist er jedoch auf eine falsche, eine gezwungene Fügung. Bestätigt wird die Neigung zu Vereinheitlichung durch die Venus im Spiegel und den Saturn gegenüber im Stier, damit den Gemeinschaftszwang des Betonkomplexes anzeigend.

Venus-Saturn, der Gemeinschaftszwang, und Merkur-Uranus, die Wiederholung, stellen die Rückseite der Saturn-Uranus-Verbindung dar, deren Charakteristik der Unvereinbarkeit auf diese Weise chronisch gegeben ist.

- Es ist die konkrete Unvereinbarkeit des Höhenunterschieds. Eine Stockung zwischen Innen und Außen. Wenn man an die Betonbrüstung tritt und bemerkt, dass man sich in über 100 Metern Höhe befindet, ändert dies das Verhältnis zur Umgebung. Man kann nicht einfach nach draußen gehen und auf die Straße treten. Kein Übergang. Das ist die Stockung.

- Der Neptun am Medium Coeli kommt aus Haus zwei und betrifft damit das Revier. Die Auflösung eines eigenen Reviers des Einzelnen wird damit bestimmend.

- Es ist ja auch eine permanente Beunruhigung. Mal abgesehen von der letztlich revierlosen Uniformität des Wohnens bewirkt der Höhenunterschied eine stetige, mehr oder weniger unterschwellige Beunruhigung. Das ist die Revierunsicherheit schlechthin. Ein Spannungsgefälle ist immer beunruhigend. Vermutlich deswegen gehört die Höhenangst zur Symptomatik der Saturn-Uranus-Verbindung, es ist die Angst vor der Entladung des Spannungsgefälles des Höhenunterschiedes.

- Neben einer Gasflasche, die unter Druck steht, ist auch nicht gut ruhen. So etwas zehrt.

- Neptun steht mit der Sonne am höchsten. Und so ist es gerade die Höhe, die das Revier unsicher macht.

- Nun ging es ja beim Colonia-Haus um die Höhe. Der Wassermann am AC möchte sich mit Mond-Uranus aus den Niederungen des Dualen erheben.

- Es erinnert an die griechischen Säulenheiligen. So gesehen ein ähnliches Motiv.

- Merkur-Uranus zeigt die Hotelsituation an. Kein Reich, keine wirkliche Niederlassung, die Bewohner sind mehr oder weniger Gäste. Sie sind im permanenten Zwischenzustand. Und die Haustechnik kümmert sich um alles. Der Turm der nicht vollzogenen Entscheidungen.

- Man kann schon recht weit schauen von den oberen Etagen. Unten der Rhein, im Süden in der Ferne das Siebengebirge, im Osten, auf der anderen Seite des Flusses, das Bergische Land. auch das Starten und Landen auf dem Flughafen Köln-Bonn ist zu verfolgen.

- Bei heftigem Wind schwankt das Gebäude merklich.

- Man gewöhnt sich daran.

- Der Maler Peter John erzählt vom Nachtfahrer, den er

kannte und der dort wohnte. Herr Knaad. In den 1980er Jahren hatte der Vater eines Freundes ihn für den nächtlichen Betrieb seines Taxiunternehmens eingestellt.

Ein echter Taxiprofi, schnell effizient und wortkarg. "Steigen sie ein!" sagte er, den Rauch seiner Zigarette ausatmend, bevor er sie aus dem Fenster schnippte.

Der Fahrgast gab das Ziel an und wenn er dann aus Redseligkeit oder Sorge noch nähere Angaben machte, hieß es : "Alles klar, keiner weiß Bescheid ..."

Darauf brauste er los und sprach kein Wort mehr.

Der Freund in seiner Taxifahrerzeit musste ihn hin und wieder vertreten und bat den Knaad ihn in diesen Nachtfahrbetrieb einzuführen. Das war nämlich nicht ohne und bedurfte der Unterweisung.

So saß er auf der Rückbank als Lehrling; das ging recht gut. Nachts gab's natürlich feierfreudige Kundschaft, die zu den einschlägigen Läden wollte, das Schwitzbad in der Heinsbergstrasse, das Römerbad und andere Animierbetriebe. Die Kunden, vielfach Messegäste, fragten, wo man denn nachts so hingehen könne, und der Knaad kassierte in den jeweiligen Betrieben eine Provision.

Im Hause des Freundes, wurde er hin und wieder zum Essen eingeladen. Dort traf man ihn dann. Akkurat frisiert, Messerhaarschnitt von Kölns Fußballclub- und Prominentenfriseur, immer in gutem Rodier Jersey, Hosen mit Bügelfalten, teure College- Schuhe mit Tröddelchen.

Das Gesicht aschfahl, sah wohl kaum das Tageslicht.

Wie er da so im Taxi saß mit dem grünlichen Widerschein der Armaturenbrettbeleuchtung auf seinem Gesicht - hätte gut aus einem Vampirfilm sein können.

Einmal bemerkte er auf einer dieser Lehrtouren nach etwas längerem Schweigen: " Jürjen, et jibt Krieg " . Wie?

"Wenn isch dir...

Erscheint lt. Verlag 7.6.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Metaphysik / Ontologie
ISBN-10 3-7543-0998-6 / 3754309986
ISBN-13 978-3-7543-0998-8 / 9783754309988
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