Verdienst und Vermächtnis (eBook)
335 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44532-8 (ISBN)
Hartmut Berghoff ist Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Göttingen; von 2008 bis 2015 leitete er das Deutsche Historische Institut in Washington D.C.
Hartmut Berghoff ist Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Göttingen; von 2008 bis 2015 leitete er das Deutsche Historische Institut in Washington D.C. Ingo Köhler ist Wirtschafts- und Unternehmenshistoriker an der HU Berlin; von 2013 bis 2015 war er Lehrstuhlvertreter am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Göttingen sowie 2016 an der Universität Bonn. Die gemeinnützige Stiftung Familienunternehmen setzt sich für den Erhalt der von Familienunternehmen geprägten Unternehmenslandschaft in Deutschland ein. Sie ist der bedeutendste Förderer wissenschaftlicher Forschung auf diesem Feld und veröffentlicht regelmäßig Studien mit Bezug zu Familienunternehmen. Die Stiftung unterstützt den Aufbau und Betrieb entsprechender Lehr- und Forschungseinrichtungen. Zudem ist die Stiftung Ansprechpartner für Medien und politische Entscheidungsträger in den besonderen Belangen dieses Unternehmenstyps in rechtlichen, steuerlichen und wirtschaftspolitischen Fragestellungen. Die Stiftung wird getragen von mehr als 500 Förderern aus dem Kreis der größten deutschen Familienunternehmen.
A.Einleitung. Gegenwärtige Beobachtungen und historische Fragestellungen
Weltweit gibt es mehr familienbasierte Unternehmen als andere Unternehmenstypen. Sie sind unabhängig von Rechtsform und Größe definiert als solche Unternehmen, die von Familien maßgeblich kontrolliert werden, in der Regel durch eine Majorität an den Gesellschafteranteilen, zuweilen aber auch durch Mehrfachstimmrechte oder Pyramidenkonstruktionen. In börsennotierten Kapitalgesellschaften reicht allerdings schon eine Sperrminorität einer Familie oder einander verbundener Familien von 25 Prozent aus, um von einem Familienunternehmen zu sprechen. Innerhalb dieser weiten Definition gibt es als kleinere Untergruppe eigentümergeführte Firmen, in denen Familienmitglieder Führungsaufgaben wahrnehmen.
Das Family Firm Institute aus Boston, das sich weitgehend an dieser Definition orientiert, gibt an, dass im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts circa zwei Drittel aller Unternehmen der Welt Familienunternehmen sind, diese 70 bis 90 Prozent des globalen Bruttosozialproduktes erwirtschaften und zwischen 50 und 80 Prozent der Arbeitsplätze bereitstellen. In einzelnen Ländern liegen diese Quoten deutlich höher.1 In solchen Zahlen spiegelt sich zunächst die große Bedeutung von Klein- und Kleinstunternehmen wider. »Mom and pop stores […] tend to be owned by mom and pop«2 und stellen – statistisch gesehen – die meisten Familienunternehmen.
Familienunternehmen sind per se nicht besser oder schlechter als anders verfasste Unternehmen. Sie sind in dynamischen wie in stagnierenden Ländern stark repräsentiert. Familienunternehmen sind für eine Denkrichtung vertrauensbasierte und hochgradig innovative Gebilde mit ausgeprägter Loyalität und hoher intrinsischer Motivation von Mitarbeitern, Eigentümern und Führungspersonal. Sie profitieren von geringen Transaktionskosten, einer guten Reputation, der Mobilisierung familiärer Ressourcen, der innerfamiliären Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten und einer langfristigen Perspektive. Andere Wissenschaftler betonen die Intransparenz und Ineffizienz von Familienunternehmen, in denen Insider ohne wirksame externe Kontrolle agieren und Nepotismus das Leistungsprinzip verdränge. Oligarchen neigen zu politischer Korruption und »rent seeking«. Familienunternehmen seien wettbewerbsavers und konservativ und hätten eine schlechte Corporate Governance.3 Die Vorzüge und Nachteile von Familienunternehmen sind sicher nicht pauschal gegeneinander abzuwägen, da sie nur im Einzelfall sichtbar werden.
Das Ziel dieser Studie besteht nicht in einem Urteil über die Stärken und Schwächen von Familienunternehmen. Vielmehr geht sie der These nach, dass die Bedeutung von Familienunternehmen ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen den USA und Großbritannien auf der einen Seite und den west- und südeuropäischen Ländern auf der anderen sei. Dem kapitalmarktgetriebenen angelsächsischen Kapitalismus stehe ein Gegenmodell gegenüber, in dem nicht nur sozialstaatliche Sicherungssysteme, sondern auch Familienunternehmen eine größere Rolle einnehmen.4 Diese Studie konzentriert sich auf die USA und Deutschland als die wichtigsten Exponenten dieser unterschiedlichen Systeme und fragt im historischen Langzeitvergleich nach dem Ausmaß und den Ursachen der unterschiedlichen Stellung von Familienunternehmen in den beiden Ländern.
Zunächst sind die wichtigsten Unterschiede in der Gegenwart auszuloten, von der ausgehend nach den historischen Entwicklungen in beiden Ländern gefragt wird. Betrachtet man die jeweiligen Quoten der Familienunternehmen beider Länder an der Zahl aller Unternehmen, zeigt sich zunächst eine weitgehende Übereinstimmung.
in Prozent aller Unternehmen | in Prozent aller Beschäftigten | Umsatz in Prozent des BIP |
USA | 80–90 | 57 | 57 |
Deutschland | 95 | 56 | 63 |
Tabelle 1: Quantitative Bedeutung von Familienunternehmen (2014)
Quelle: O. A., Economic Impact of Family Businesses und Global Data Points (wie Anm. 1).
Die vom Family Firm Institute veröffentlichten Zahlen (Tabelle 1) ergeben für 2014 in Deutschland und den USA eine recht ähnliche Präsenz von Familienunternehmen. Gemessen in Prozent aller Unternehmen und dem Umsatzanteil am Bruttoinlandsprodukt besaß die Bundesrepublik einen knappen Vorsprung und eine globale Spitzenposition. Was die Anteile der Familienunternehmen an allen Beschäftigten betraf, ergab sich mit 57 bzw. 56 Prozent nahezu ein Gleichstand. Die Stiftung Familienunternehmen gibt auf der Grundlage des Mannheimer Unternehmenspanels des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) von 2014 für 2013 mit 91 Prozent (Quote an allen Unternehmen) und 48 Prozent (Umsatzanteil) zum Teil etwas niedrigere Werte für Deutschland an, während die Quote an den Beschäftigten ebenfalls bei 56 Prozent lag. Die Quote der eigentümergeführten Familienunternehmen an allen bundesdeutschen Unternehmen belief sich auf 87 Prozent.5
UK | Frankreich | Deutschland | USA |
Familien größte Anteilseigner | 30 % | 32 % | 30 % | 10 % |
Familien größte Anteilseigner und eignergeführt | 23 % | 22 % | 12 % | 7 % |
Familien größte Anteilseigner, eignergeführt und Primogenitur | 15 % | 14 % | 3 % | 3 % |
Gründer größte Anteilseigner | 14 % | 18 % | 5 % | 18 % |
Gründer größte Anteilseigner und CEO | 12 % | 10 % | 2 % | 11 % ... |
Erscheint lt. Verlag | 16.9.2020 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Zeitgeschichte |
Schlagworte | Deutschland • Hidden champions • Mittelstand • Unternehmensgeschichte • Unternehmenskultur • USA • Vereinigte Staaten von Amerika • Wirtschaftsgeschichte |
ISBN-10 | 3-593-44532-8 / 3593445328 |
ISBN-13 | 978-3-593-44532-8 / 9783593445328 |
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