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Down Girl (eBook)

Die Logik der Misogynie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
500 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-76146-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Down Girl - Kate Manne
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Was genau ist Misogynie? Worin besteht der Unterschied zum Sexismus? Und wieso bleibt sie bestehen, wenn sexistische Geschlechterrollen im Schwinden begriffen sind? Kate Manne zeigt in ihrem viel diskutierten Buch, wie Misogynie in der Politik und im öffentlichen Leben verankert ist. Sie entwickelt ein Verständnis, das Misogynie als den Versuch auffasst, eine Unterscheidung zu treffen zwischen den »schlechten« Frauen, die die männliche Vorherrschaft angreifen, und den »guten«, die den Männern die aus ihrer Sicht zustehende Anerkennung und Fürsorge zukommen lassen. Die »guten« Frauen werden geduldet, wohingegen die »schlechten« kontrolliert, unterworfen und zum Schweigen gebracht werden müssen.



<p>Kate Manne ist Assistant Professor of Philosophy an der Cornell University, außerdem schreibt sie für die New York Times,<em> </em>Times Literary Supplement<em>, </em>Newsweek und The Huffington Post. Für ihre Forschung wurde sie u.a. mit dem General Sir John Monash Award ausgezeichnet, der herausragende australische Wissenschaftler*innen fördert. Ihr Buch <em>Down Girl</em> wurde von Times Higher Education und der Washington Post zu einem der besten Bücher des Jahres 2017 gekürt.</p>

Kate Manne ist Assistant Professor of Philosophy an der Cornell University, außerdem schreibt sie für die New York Times, Times Literary Supplement, Newsweek und The Huffington Post. Für ihre Forschung wurde sie u.a. mit dem General Sir John Monash Award ausgezeichnet, der herausragende australische Wissenschaftler*innen fördert. Ihr Buch Down Girl wurde von Times Higher Education und der Washington Post zu einem der besten Bücher des Jahres 2017 gekürt.

11Vorwort: Auf Abwegen


Aber ach, wie klein und unscheinbar sah dieser mein Gedanke aus, als er dort im Gras lag, die Sorte Fisch, die ein guter Angler ins Wasser zurückwirft, damit er fetter und es sich eines Tages lohnen wird, ihn zuzubereiten und zu essen. […] Aber so klein er auch war, besaß er dennoch die geheimnisvolle Eigenschaft seiner Art: In den Kopf zurückgesteckt wurde er umgehend sehr aufregend und wichtig, und wie er so dahinschoss und abtauchte und hier und dort wieder aufblitzte, verursachte er einen solchen Schwall und Aufruhr an Ideen, dass es unmöglich war stillzusitzen. So merkte ich auf einmal, wie ich in hohem Tempo über ein Rasenstück lief. Im Nu erschien die Gestalt eines Mannes, um mich abzufangen. Doch begriff ich zuerst nicht, dass das Gestikulieren des seltsam aussehenden Individuums in Gehrock und Frackhemd mir galt. Seine Miene drückte Entsetzen und Empörung aus. Da kam mir eher der Instinkt als der Verstand zu Hilfe: Er war ein Pedell, ich war eine Frau. Hier war der Rasen, dort war der Weg. Hier sind nur Fellows und Gelehrte zugelassen, mein Platz ist auf dem Kiesweg. Diese Gedanken waren das Werk eines Augenblicks.

Virginia Woolf, Ein Zimmer für sich allein, Stuttgart 2012, S. 8f.

»Wann werden Frauen Menschen sein? Wann?«, fragte die Rechtstheoretikerin Catharine A. MacKinnon 1999 in einem Essay.1 Ähnliche Fragen stellten unter anderem die Philosophinnen Martha Nussbaum (1995 und 2001) und 12Rae Langton (2009) zur sexuellen Objektifizierung von Frauen und die populären Autoren Arthur Chu (2014) und Lindy West (2015) zu frauenfeindlichen Drohungen und Gewalt. Sie finden ihren Widerhall auch in Bezug auf sexuelle Übergriffe, Stalking, Gewalt in Intimbeziehungen und bestimmte Tötungsdelikte. Alles das sind Verbrechen, deren Opfer in der Regel (wenn auch keineswegs immer) eher Frauen als Männer sind und die generell und teilweise fast ausschließlich eher von Männern als von Frauen begangen werden.2

Warum halten sich diese Muster selbst in angeblich post-patriarchalischen Teilen der Welt wie den heutigen Vereinigten Staaten, Großbritannien und Australien?3 Die gleiche Frage lässt sich in Bezug auf die zahlreichen anderen Formen von Misogynie stellen, mit denen sich dieses Buch befasst – von den subtilen bis hin zu den dreisten, von den chronischen und kumulativen bis hin zu den akuten und explosiven; von Formen, die auf kollektives Handeln (eines »Mobs«) und auf reine Strukturmechanismen zurückgehen bis hin zu den Taten Einzelner. Warum ist Misogynie immer noch ein Ding – um einen Ausdruck von John Oliver aufzugreifen.

13Es steht außer Zweifel, dass es in diesen Milieus in Hinblick auf die Geschlechtergleichstellung große Fortschritte gegeben hat, bewirkt durch die Frauenbewegung, kulturellen Wandel, Rechtsreformen (z. ‌B. Gesetze gegen sexuelle Diskriminierung) und Veränderungen in der institutionellen Politik (wie Antidiskriminierungs- und Fördermaßnahmen, von denen in den Vereinigten Staaten tendenziell vor allem weiße Frauen profitiert haben). Besonders beeindruckend ist der Zugewinn an Bildung bei Frauen und Mädchen. Und dennoch gibt es bei uns immer noch Misogynie, wie dieses Buch zeigen wird.

Die nach wie vor bestehenden Probleme, die teils sogar zunehmen, werfen heikle, verwirrende und drängende Fragen auf. Meiner Ansicht nach hat Moralphilosophie hier eine wertvolle Rolle zu spielen – auch wenn es letztlich einer ganzen Theoretikergemeinde bedürfen wird, das Phänomen umfassend zu begreifen. Das vorliegende Buch leistet hoffentlich einen Beitrag dazu, das Wesen der Misogynie sowohl in seiner allgemeinen Logik als auch in einer (allerdings nur einer einzigen) seiner praktischen Schlüsseldynamiken zu verstehen. Dazu gehört, dass Männer Frauen in asymmetrischen Rollen moralischer Unterstützung in Anspruch nehmen. (Dabei beschränke ich mich auf die oben genannten kulturellen Kontexte, ziehe aber gern darüber hinaus auch andere heran, um zu generalisieren, zu korrigieren und anzupassen.)

Worin bestehen diese moralischen Unterstützungsrollen? Es ist hilfreich, zunächst über die Männer nachzudenken, die am privilegiertesten sind – weil sie beispielsweise weiß, heterosexuell, cis-, nicht transgender sind, der Mittelschicht angehören und nicht behindert sind. Daher unterliegen sie tendenziell in ihrem Handeln geringeren sozialen, moralischen und rechtlichen Einschränkungen als 14die weniger Privilegierten. Anschließend können wir uns mit einer mehr oder weniger vielfältigen Auswahl an Frauen befassen, auf deren Unterstützung ein solcher Mann stillschweigend Anspruch erheben kann, sei es auf dem Gebiet der Fürsorge, des Trostes, der Pflege oder der sexuellen, emotionalen und reproduktiven Arbeit. Alternativ kann sie zu dem »Typ« Frau gehören, die solchen Zwecken dient oder dafür rekrutiert wird.

Allein die Tatsache, dass jemand die stillschweigende gesellschaftliche Erlaubnis hat, sich in diesen und anderen Hinsichten auf Frauen zu stützen, heißt selbstverständlich noch nicht, dass er dies tatsächlich möchte oder, falls doch, dass es ihm gelingt (und er Vorteile aus dieser Möglichkeit zieht). Und auch wenn er weniger strengen externen Beschränkungen seines Verhaltens unterliegt als weniger privilegierte Männer, kann er sich dennoch an diese und ähnliche Normen halten, da er sich durch moralische Prinzipien oder Gewissen dazu verpflichtet fühlt. In anderen Fällen hat der Mangel an solchen Einschränkungen und das Bestehen solcher Ansprüche jedoch Auswirkungen auf die Art und Weise, wie er bestimmte Frauen in seinem sozialen Umfeld sieht und behandelt: Insbesondere glaubt er, sie schulde ihm und seinen Geschlechtsgenossen ihre besonderen menschlichen Dienste und Fähigkeiten mehr als umgekehrt.

Diese asymmetrische moralische Unterstützungsbeziehung kann sich auf viele unterschiedliche Arten realisieren, unter anderem in intimen und relativ stabilen sozialen Rollen – als seine Mutter, Freundin, Ehefrau, Tochter usw. Alternativ können diese Beziehungen am Arbeitsplatz stattfinden, ihn in die Position des Konsumenten bringen oder spontane Begegnungen mit den Mädchen und Frauen umfassen, deren Aufmerksamkeit er auf vielerlei Weise erre15gen kann – vom Hinterherpfeifen über Trolling in sozialen Medien bis hin zum Mansplaining, also einer herablassenden männlichen Besserwisserei.

Meiner Ansicht nach dient ein beträchtlicher Teil der Misogynie (wenn auch bei weitem nicht die gesamte) in meinem Milieu dazu, diese gesellschaftlichen Rollen durchzusetzen und zu überwachen und moralische Güter und Ressourcen von solchen Frauen zu bekommen – und gegen deren Ausbleiben oder vermeintliche Vernachlässigung oder Verrat zu protestieren. Und manche (wenngleich bei weitem nicht alle) übrigen Formen von Misogynie – beispielsweise solche, die sich gegen Frauen im öffentlichen Leben richten – sind geschickt davon abgeleitet. Sie spiegeln eine gewisse Deprivationshaltung gegenüber Frauen wider, die als gebende, fürsorgliche, liebende und aufmerksame, statt als machthungrige, gefühllose und dominierende Wesen gedacht werden. Und sie beinhalten, dass gewisse Positionen, die mit einer mutmaßlich kollektiven moralischen Anerkennung oder Bewunderung für die Männer, die historisch davon profitiert haben, verknüpft sind, eifersüchtig gehortet werden. Frauen, die um diese Rollen konkurrieren, gelten tendenziell in mindestens drei wichtigen Aspekten als moralisch suspekt: Sie sind nicht fürsorglich und aufmerksam genug gegenüber den Menschen ihres Umfeldes, die als verletzlich gelten; sie streben verbotenerweise nach Macht, auf die sie keinen Anspruch haben; und sie gelten aufgrund der beiden anderen Verletzungen der Rollenerwartungen als moralisch nicht vertrauenswürdig.

Solche Sichtweisen sind zwar falsch und gefährlich, aber in vielerlei Hinsicht durchaus verständlich, da sie im Lichte der schlechten genderbezogenen Übereinkünfte der Geschichte zutreffen. Gemessen an den falschen 16Moralvorstellungen – nämlich des Mannes – ist die Frau tatsächlich moralisch im Unrecht: Moralvorstellungen, die historisch privilegierte und mächtige Männer vor dem moralischen Niedergang bewahren sollen. Zudem schützen sie ihn vor der Schmach der Scham und den zersetzenden Auswirkungen von Schuld sowie vor den sozialen und rechtlichen...

Erscheint lt. Verlag 11.3.2019
Übersetzer Ulrike Bischoff
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Down Girl
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Schlagworte Down Girl. The Logic of Misogyny deutsch • Feminismus • Frauenfeindlichkeit • metoo • PROSE Award 2019 • Sexismus • STW 2319 • STW2319 • suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2319 • Vereinigte Staaten von Amerika USA
ISBN-10 3-518-76146-3 / 3518761463
ISBN-13 978-3-518-76146-5 / 9783518761465
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