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Orte der Moderne

Erfahrungswelten des 19. und 20. Jahrhunderts
Buch | Softcover
376 Seiten
2016 | 2. Auflage
Campus (Verlag)
978-3-593-50585-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Orte der Moderne -
CHF 48,95 inkl. MwSt
Kino, Bunker, Grandhotel...
Was haben Kino, Kraftraum und Flugzeug, Bunker, Zeitungsredaktion und Appartement gemeinsam? Sie alle sind Orte, in denen sich alltägliche Erfahrungen auf engstem Raum verdichten - Erfahrungen, die viele Menschen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts teilen und die bis heute unsere Lebenswelt prägen. Technik, Mobilität und Kommunikation stehen dabei für den Fortschritt; Erfahrungen von Isolation, aber auch Autonomie und Individualisierung für dessen Folgen.

Alexa Geisthövel, Dr. phil., ist Habilitationsstipendiatin an der Fakultät für Geschichtswissenschaften der Universität Bielefeld. Habbo Knoch, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Assistent am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der Universität Göttingen.

Einleitung
Alexa Geisthövel/Habbo Knoch

Bewegen: Orte der Erweiterung

Der Bahnhof
Alfred Gottwaldt

Das Laboratorium
Philipp Felsch

Das Auto
Alexa Geisthövel

Das Flugzeug
Detlef Siegfried

Das Raumschiff
Rebekka Ladewig

Vernetzen: Orte der Steuerung

Die Zeitungsredaktion
Frank Bösch

Die Telefonzentrale
Andreas Killen

Das Arbeitsamt
Britt Schlehahn

Die Parteizentrale
Till Kössler

Der Agrarbetrieb
Uwe Spiekermann

Sich nahe kommen: Orte des Abstands

Der Strand
Alexa Geisthövel

Das Grandhotel
Habbo Knoch

Das Tanzlokal
Alexa Geisthövel

Das Stadion
Per Leo

Gestalten: Orte der Rationalisierung

Das Stahlwerk
Habbo Knoch

Das Hochhaus
Jörn Weinhold

Die Stadtrandsiedlung
Jörn Weinhold

Der Staudamm
Dirk van Laak

Vereinnahmen: Orte des Ausstellens

Das Warenhaus
Uwe Spiekermann

Das Völkerkundemuseum
Anja Laukötter

Das Kino
Daniel Morat

Der Kraftraum
Maren Möhring

Das Stripteaselokal
Pascal Eitler

Verdichten: Orte der Zerstörung

Das U-Boot
Jan Rüger

Die Front
Habbo Knoch

Der Bunker
Marc Buggeln/Inge Marszolek

Das Konzentrationslager
Habbo Knoch

Sich zurückziehen: Orte der Befreiung

Die Kleinstadt
Bernd Hüppauf

Der Kleingarten
Uffa Jensen

Das Appartement
Moritz Föllmer

Die Wahlkabine
Thomas Mergel

Die Couch
Uffa Jensen

Erlebte Welten

Erfahrungsräume der Moderne
Alexa Geisthövel/Uffa Jensen/Habbo Knoch/Daniel Morat

Autorinnen und Autoren

Abbildungsnachweis

"Eine kurzweilige Sachbuchlektüre, welche die ganze Vielschichtigkeit unserer modernen Erfahrungswelt in Form von 32 lesenswerten Aufsätzen aufschlüsselt und so zentrale Entwicklungen der Moderne aufzeigt." Matthias Jakob Schmidt, Media-Mania.de, 09.01.2017

"Eine kurzweilige Sachbuchlektüre, welche die ganze Vielschichtigkeit unserer modernen Erfahrungswelt in Form von 32 lesenswerten Aufsätzen aufschlüsselt und so zentrale Entwicklungen der Moderne aufzeigt." Matthias Jakob Schmidt, Media-Mania.de, 09.01.2017

Einleitung
Alexa Geisthövel/Habbo Knoch
Mitten auf dem hektischen Berliner Alexanderplatz sehnt sich Franz Biberkopf ins Gefängnis zurück. Im gleichnamigen, 1929 erschienenen Roman Alfred Döblins steht er nach langer Haft ungeschützt im Strudel der modernen Stadt. "Hundert blanke Scheiben" blitzen bedrohlich, Passanten wirken wie Schaufensterpuppen und Häuserfronten bieten keine Zuflucht. Biberkopf bricht zusammen, kehrt aber wie gebannt mehrfach zurück. Er fängt an, den Platz und sein Gedränge zu beobachten: "Rumm rumm" wuchtet vor Aschinger, der Bierschwemme mit "Konzert und Großbäckerei", eine Dampframme Eisenstangen in den Boden. Rund um den Platz stehen Bauzäune, ein altes Kaufhaus wird abgerissen. "Ruller ruller fahren die Elek-trischen, [...] Abspringen ist gefährlich. Der Bahnhof ist breit freigelegt, Einbahn-straße nach der Königstraße an Wertheim vorbei."
Die Schutzpolizei "beherrscht gewaltig den Platz" und regelt den Verkehr. Auf ihr Signal hin "ergießt sich der Norden nach Süden, der Süden nach Norden". Viele "biegen auch seitlich um, von Süden nach Osten". Dabei geben sich die Fußgänger "so gleichmäßig wie die, die im Autobus, in den Elektrischen sitzen". Biberkopf kapituliert angesichts dieser Apathie: "Was in ihnen vorgeht, wer kann das ermitteln, ein ungeheures Kapitel." Er bleibt ein Fremdkörper in der Stadt. Restaurant, Tram, Bahnhof, Warenhaus, Autobus, Straßenkreuzung: Seine Sinne sind den modernen Verkehrsmitteln, Gebäuden und Bewegungen nicht gewachsen. Die Stadt im Umbruch lässt ihm dafür auch keine Zeit.
Am heutigen Alex sind Aschinger und Wertheim verschwunden, doch die Szenerie ist vertraut geblieben: Vergnügungslokale, Grandhotels und Kinos bieten immer noch ihre Dienste an, Bahnhöfe, U-Bahn-Stationen und Ampelkreuzungen sind nach wie vor Knotenpunkte der modernen Bewegungsgefährte. Wo Biberkopf Bauzäune sah, entstanden erste Hochhäuser und neue Großraumbüros, deren Etagen durch Aufzüge verbunden waren. Über den Himmel, für den Biberkopf kaum einen Blick übrig hatte, zogen schon zu seiner Zeit Flugzeuge. Bahnen und Autos verbanden damals wie heute Stadtrandsiedlungen mit dem Zentrum. Wer es sich leisten konnte, fuhr mit ihnen an den Strand.
Wer heute städtische Räume, aber auch manche Landschaft durchstreift, sieht sich von einer Fülle von Orten umgeben, die zwischen 1870 und 1930 in der Zeit der "klassischen Moderne" entstanden. Sie haben die räumlichen Erfahrungen des modernen Menschen bis in die Gegenwart geprägt. Bahnhöfe, Fabriken und Passagen machten nach 1830 den Anfang. Ihre Verbindung von technischem Fortschritt und neuen Verhaltensformen krönten pathetische Deutungen, die sie als Träger der Zukunft sahen. Große Bahnhofshallen avancierten zu repräsentativen Schauseiten der Stadt und zu Orten einer funktionalen, rationell gestalteten Bewegungsführung; Passagen boten in luxuriösem Ambiente eine Vielzahl von Waren an und brachten auf engstem Raum Konsumenten verschiedener Schichten zueinander, die neue Fertigkeiten des Beobachtens, Kommunizierens und Verhaltens erlernen mussten.
Doch Zahl und Reichweite solcher erlebter Welten nahm erst in den Jahrzehnten um 1900 erheblich zu. Im Zuge der zweiten, auf Elektrizität fußenden Industri-alisierung und der Urbanisierung, in der die Großstadt zur "Synchronisationsma-schine" (Armin Nassehi) des modernen Lebens wurde, durchdrangen diese Orte und die Prinzipien ihrer Raumorganisation mehr und mehr das öffentliche und private Leben. Sie übernahmen ausdifferenzierte Funktionen, machten Angebote für bislang unbekannte Bedürfnisse und wuchsen zu einem Ensemble städtischer und ländlicher Orte zusammen, die untereinander vielfältig vernetzt waren. Orte des Bewegens und Erkundens, des Vergnügens und Vermittelns, des Begegnens und Zerstörens begründeten eine neue räumliche Ordnung der Erfahrung.
Wie Bahnhof und Eisenbahn die Poststation und die Kutsche nach und nach abgelöst hatten, so drängten auch spätere Orte der Moderne

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo ca. 30 s/w Abb.
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 154 x 228 mm
Gewicht 542 g
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Allgemeines / Lexika
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Schlagworte 19. Jahrhundert; Geistes-/Kultur-G. • 19. Jahrhundert; Sozial-/Wirtschafts-G. • 20. Jahrhundert; Geistes-/Kultur-G. • 20. Jahrhundert; Sozial-/Wirtschafts-G. • Deutschland • Deutschland, Geschichte; Geistes-/Kultur-Geschichte • Deutschland, Geschichte; Sozial-/Wirtschafts-Geschichte • Die Moderne • Geschichte / Kultur-u. Altagsgeschichte • Kulturgeschichte • Technikgeschichte
ISBN-10 3-593-50585-1 / 3593505851
ISBN-13 978-3-593-50585-5 / 9783593505855
Zustand Neuware
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