Kafka bei Adorno und Benjamin: Versuch über eine hermeneutische Konstellation
Diplomica Verlag
978-3-95850-662-6 (ISBN)
Textprobe:
Kapitel 2.2, Frühe Rezeption Religion und Unbewusstes:
Die Auseinandersetzung mit Kafkas Prosa beginnt bereits zu seinen Lebzeiten. Auch wenn die Rezeption erst nach seinem Tode Ausmaße angenommen hat, die Susan Sontag von einer "Massenvergewaltigung" haben sprechen lassen, ist die Annahme falsch, dass Kafka während seines Lebens kaum jemandem bekannt gewesen sei. Peter Beicken nennt Kafkas Freund und Verleger Max Brod den "eigentliche[n] Promoter von Kafkas Ruhm" und Waldemar Fromm erweitert diese Diagnose, wenn er feststellt, dass die "erste Rezeptionsphase bis zu Kafkas Tod [ ] durch die Kenntnisse der Person Kafkas mitbestimmt" ist und dadurch Merkmale der Person "auch auf die Texte Kafkas angewandt" werden.
Die Bedeutung Brods für die Kafkarezeption wird gemeinhin ambivalent beurteilt. Hierbei ist zunächst zwischen dem Verleger Brod und dem Interpreten Brod zu differenzieren. Was erstere Rolle betrifft, ist ihm überwiegend Dank zuteil geworden für die Herausgabe insbesondere der nachgelassenen Schriften, die, wäre es nach dem Willen ihres Verfassers gegangen, nie an die Öffentlichkeit gelangt wären. Die Editionspraxis ist hingegen Ziel harscher Kritik geworden und Brod ist unterstellt worden, "daß er bei der Edition des Kafkaschen Nachlasses äußerst selbstherrlich und nachlässig vorgegangen sei. Die Klage darüber, daß man sich bei allen Interpretationen auf einer ungesicherten Textbasis bewegte, wurde bald zum Leitmotiv".
Für das Problem einer nicht an allen Stellen zuverlässigen Textgrundlage, mit der die frühren Kafkainterpreten gearbeitet haben (der erste Band der Kritischen Kafka-Ausgabe ist 1982 erschienen), soll an dieser Stelle ein vergegenwärtigender Hinweis ausreichen, da sowohl Benjamins als auch Adornos Essay im Ergebnis hiervon in dem Sinne nicht maßgeblich betroffen sind, als ihre Blickwinkel weniger von sprachlichen Details abhängig sind als beispielsweise eine streng philologische Herangehensweise.
Wie bereits erwähnt, ist Brod aber nicht nur Kafkaverleger, sondern auch Kafkainterpret gewesen. Im Folgenden sollen einzelne Aspekte seiner Deutung schlaglichtartig herausgestellt werden, da Brods Positionen nicht zuletzt aufgrund seiner Freundschaft zu Kafka und nach dessen Tod seiner Funktion als Nachlassverwalter weite Verbreitung gefunden haben. Hervorzuheben ist, dass bei Brod zwei Schwerpunkte zusammenfallen. Das ist zum einen die Fokussierung auf Kafkas Person und zum anderen die religiös imprägnierte Perspektive auf dessen Werk. Noch zu Kafkas Lebzeiten veröffentlicht Brod im November 1921 ein Portrait seines Freundes in der Neuen Rundschau, das Peter Beicken als "Überhöhung und unzulässige Mythologisierung Kafkas" bezeichnet. Dieser Bewertung kann in Anbetracht von Brods maßstabsloser Beurteilung zugestimmt werden. So heißt es in seinem Portrait:
"Wo anfangen? Es ist einerlei. Denn zu dem Besonderen dieser Erscheinung gehört es, daß man von jeder Seite hier zu demselben Ergebnis kommt. Schon das zeigt, wie sehr Wahrhaftigkeit, unerschütterliche Echtheit, Reinheit sie ist. Denn Lüge bietet nach jeder Seite hin einen anderen Anblick, und das Unreine schillert. Hier aber, bei Franz Kafka, und es sei gesagt: bei ihm allein, im ganzen literarischen Umkreis der Moderne, gibt es kein Schillern, keinen Prospektwechsel, keine Verschiebung der Kulissen. Hier ist Wahrheit und nichts als sie."
Prädikate wie "wahr", "echt" und "rein" werden hier Kafka als "Erscheinung" zugeschrieben. Wenn Brod im Anschluss hieran auf die Sprache Kafkas eingeht, könnte man annehmen, dass die genannten Prädikate sich ebenfalls auf diesen Bereich beschränken würden. Allerdings führt er die "kristallklare" Sprache lediglich als beispielhafte Begründung für die vorgenommene Prädikatisierung der (Gesamt)"Erscheinung" an. Weiter schreibt er über die Sprache: "Würden die Engel im Himmel Witze machen, so müßte es in der Sprache Kafkas geschehen. Diese Sprache ist Feuer, das ab
Sprache | deutsch |
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Maße | 155 x 220 mm |
Gewicht | 136 g |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Latein / Altgriechisch |
Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Sprachwissenschaft | |
Schlagworte | Kritische Theorie • Literaturgeschichte |
ISBN-10 | 3-95850-662-3 / 3958506623 |
ISBN-13 | 978-3-95850-662-6 / 9783958506626 |
Zustand | Neuware |
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